Zurück auf der Bühne: So ticken Italiens WM-Handballer
Zurück auf der Bühne:So ticken Italiens WM-Handballer
von Claudio Palmieri
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Italiens Handball-Historie ist schnell erzählt. Bei der WM sind die Azzurri erstmals seit 1997 wieder dabei. Torwart Domenico Ebner über die Entwicklung des Sports in Italien.
Italiens Handball-Nationaltorhüter Domenico Ebner
Quelle: Imago
Nein, Italien ist keine Handballnation. Domenico Ebner, der in Deutschland geborene Nationaltorhüter der Azzurri, bekam das schon 2017 zu spüren.
Dass ihn Italiens heutiger Co-Trainer Jürgen Prantner damals über Facebook kontaktierte, hatte ja noch einen gewissen Charme. Vielmehr waren es die ungläubigen Reaktionen in seinem Umfeld, die den gebürtigen Freiburger und Sohn einer Italienerin überraschten. "Viele Leute haben mich damals gefragt, wieso ich mich für Italien entschieden habe", erzählt Ebner ZDFheute:
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Ebners Ziel WM-Teilnahme erreicht
Fast acht Jahre später ist Ebner die Nummer eins bei Bundesligist SC DHfK Leipzig und fünffacher "Handballer des Jahres" im Heimatland seiner Mutter. Vor allem aber hat der 30-Jährige das Ziel erreicht, für das er einst als Torhüter von Zweitligist Bietigheim noch mitleidige Blicke geerntet hatte: einmal ein großes Turnier mit Italiens Handball-Nationalmannschaft zu bestreiten.
Mit ihrem WM-Auftakt gegen Tunesien in Gruppe B am Dienstag (17:30 Uhr/Liveticker) werden die Südeuropäer eine 27 Jahre lange Abwesenheit auf der internationalen Handball-Bühne beenden. 1998 richtete Italien die EM aus und wurde Elfter - bei insgesamt zwölf Teilnehmern.
Ein Jahr zuvor hatten sich die Azzurri erstmals für eine WM qualifiziert und landeten unter 24 Teams auf Platz 18.
Qualifikationsphase 1 (2023): 28:37 und 37:27 gegen die Türkei Qualifikationsphase 2 (2024): 29:25 und 33:31 gegen Belgien, 32:26 und 34:32 gegen MontenegroBeste Torschützen Qualifikation: Andrea Parisini (30 Tore), Simone Mengon (22 Tore)
Letzte Länderspiele vor der WM: 30:31 gegen Spanien (EM-Qualifikation), 31:30 gegen Serbien (EM-Qualifikation), 31:29 gegen Schweiz (Test)
Italien als weißer Fleck auf der Handball-Landkarte
Davor und danach war Italien ein weißer Fleck auf der Handball-Landkarte. Der nationale Verband versank nach der Heim-EM in einem strukturellen Chaos. Erst seit 2017 bemüht sich die Federazione Italiana Giuoco Handball (FIGH) um einen professionellen und nachhaltigen Aufbau von Ligabetrieb und Nationalteam.
"Italien ist noch ein absolutes Handball-Entwicklungsland", weiß Nationaltorwart Ebner: "Die Liga ist immer noch nicht professionell genug. Man hat aber wichtige Entscheidungen getroffen und zum Beispiel einen Handball-Campus nahe Pescara installiert, aus dem immer mehr junge Spieler hervorgehen."
Die Handball-Nationalspieler Rune Dahmke und Marko Grgic über die Jungen im Team, Olympia 2024 und die Ziele für die anstehende Weltmeisterschaft.11.01.2025 | 18:54 min
Spannendes Handball-Projekt
Ein Blick auf den WM-Kader bestätigt das. Knapp drei Viertel des Teams von Coach Riccardo Trillini - er brachte das Tempospiel nach Italien - ist 25 oder jünger. Viele Talente haben in Frankreich, Spanien oder in Deutschlands erster und zweiter Liga Fuß gefasst. Ebner legt sich deshalb fest:
Italiens WM-Kader mit Deutschland-Legionären
Routiniers wie Kapitän Davide Bulzamini (29), Andrea Parisini (30) oder Ebner sind quasi Italiens Handball-Pioniere. Wenn es um jene Spieler geht, die der Torhüter als "junge Wilde" bezeichnet, fallen die Namen dreier HBL-Legionäre am häufigsten. Simone Mengon (25), der beim ThSV Eisenach zum Rückraum-Ass gereift ist, Leo Prantner (23/Balingen) und Mikael Helmersson (21) von Zweitligist Coburg wird eine große Zukunft prophezeit.
Wachsen muss Italiens Handball aber auch in medialer Hinsicht noch. Im Fernsehen und in den Gazetten der so sportbegeisterten Nation ist "Pallamano", wie Handball auf italienisch heißt, praktisch gar nicht vertreten. Neben Fußball erfreuen sich von den Teamsportarten auch Volleyball, Wasserball und Basketball großer Popularität.
Handball, die lange unbekannte Sportart
Handball sei dagegen für viele Sportfans ein Fremdwort, denkt Ebner wieder an seine Anfänge zurück: "Viele Leute wussten gar nicht, was das ist. Mittlerweile spielen wir vor 4.500 Zuschauern und schaffen es sogar in die Zeitung."
Das Potenzial sei da, glaubt Ebner - nicht zuletzt, weil die Infrastruktur schon vorhanden sei: "Die Basketball- und Volleyballhallen können wir und die Vereine mitnutzen."
Eine Handballnation wird Italien wohl aber auch nach der WM (noch) nicht sein. Neben dem sportlichen Ziel, die Hauptrunde zu erreichen, gehe es ab Dienstag daher "darum, dass wir auch emotional zu überzeugen wissen", verrät Ebner.