DFB-Frauen reisen ohne politischen Ballast nach Sydney
Heikle Fragen vorab geklärt:DFB-Team ohne politischen Ballast nach Sydney
von Frank Hellmann
|
Für die deutschen Fußballerinnen sind die gesellschaftspolitisch heiklen Fragen vor dem WM-Turnier geklärt. Anders als bei den Männern kann das Frauen-Turnier unbelastet verlaufen.
Der der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft dürften unliebsame gesellschaftspolitische Debatten während der WM in Australien erspart bleiben.
Quelle: epa
Fast nebenbei hat Bärbel Bas auf die besondere Verbindung zu Martina Voss-Tecklenburg hingewiesen. In der Vita der Präsidentin des Deutschen Bundestags ist zwar nachzulesen, dass sie als Jugendliche selbst Fußball gespielt hat und zum MSV Duisburg hält, doch dass sie aktive Schnittstellen mit der ebenfalls aus Duisburg kommenden Bundestrainerin aufweist, war nicht jedem bekannt.
"Ich kenne Martina Voss-Tecklenburg seit wir 16, 17 sind. Wir haben beide im gleichen Verein gespielt. Sie war deutlich besser in der ersten Mannschaft, ich in der zweiten", erzählte die 55-Jährige in einem vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) verbreiteten Video. Mit Bas hatte sich auch Innenministerin Nancy Faeser ein Training im Adi-Dassler-Stadion angesehen und sich anschließend beim Mittagessen mit Trainerinnen und Spielerinnen ausgetauscht.
Innenministerin Nancy Faeser und ihr guter Eindruck
Faesers Botschaft: "Ich habe einen sehr guten Eindruck gewonnen und drücke ganz fest die Daumen." Beide SPD-Politikerinnen überreichten für die WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) noch einen Berliner Bären als Glücksbringer. Ihre entspannte Stippvisite illustrierte zugleich in der Vorbereitung der DFB-Frauen den Gegensatz zur Fußball-WM der Männer.
Als die Innenministerin im November vergangenen Jahres nach Doha jettete, war wenige Stunden vor dem deutschen WM-Auftakt die abgenommene Regenbogenbinde eines deutschen Fans ein Thema, das hohe Wellen schlug. Faeser erschien dann mit eben einer solchen Binde am Arm auf der Tribüne zum ersten Gruppenspiel gegen Japan. Eine Symbolik und ein Thema, das übers gesamte Turnier den Verband, die Funktionäre, den Bundestrainer und die Nationalspieler überforderte.
Sorgte mit ihrer politischen Botschaft für Aufsehen: Nancy Faeser bei der Fußball-WM in Katar 2022 mit Regenbogen-Binde am Arm.
Quelle: Reuters
Regenbogenbinde kein Reizthema mehr zwischen FIFA und Verbänden
Doch offenbar haben alle Seiten ihre Lehren gezogen: FIFA, DFB und auch die Politik. Wenn am 11. Juli der Flieger für den deutschen Tross nach Sydney geht, ist kein sportpolitischer Ballast an Bord. Wobei Australien und Neuseeland als Ausrichter eben auch kein Politikum sind wie Katar.
Die FIFA möchte zwar auch bei den weltbesten Fußballerinnen keine Regenbogenbinde sehen, hat aber angeblich im Einvernehmen mit den Verbänden und den Kapitäninnen ein Sortiment von Solidaritätsbekundungen erlaubt, in deren Motiven man sich "gut wiederfinden" könne, wie Deutschlands Spielführerin Alexandra Popp sagte. Eine Kraftprobe mit dem Weltverband will niemand mehr beim DFB.
Teambuilding im Trainingslager in Herzogenaurach ist für die DFB-Frauen angesagt. Noch wartet viel Arbeit im Hinblick auf die anstehende WM in Australien. 04.07.2023 | 3:26 min
Popp wird zwar noch beim Testspiel gegen Sambia in Fürth (Freitag 20.30 Uhr) eine Regenbogenbinde tragen, muss dann aber für die WM unter acht verschiedenen Farbkombinationen auswählen - der Regenbogen ist nicht mehr dabei. Eine Binde sieht übrigens so aus wie die bei der Männer-WM verbotene "One-Love"-Binde. Das ist der Kompromiss.
Mit Prämien-Regelung der FIFA können alle gut leben
Auch zum Dauerthema Equal Pay sind die Standpunkte ausgetauscht. Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz belobigte "eine großartige Prämie für die Frauen". Die FIFA hat mit der Festsetzung der Preisgelder in einer großzügigen Größenordnung für alle WM-Spielerinnen Fakten geschaffen, ehe der DFB die Beträge aushandelte. Beim Gewinn des dritten Sterns würden die DFB-Spielerinnen 270.000 Dollar (umgerechnet 252.000 Euro) einstreichen würde.
Eine Beschwerde wäre für die 32-Jährige das "völlig falsche Zeichen" gewesen. Voss-Tecklenburg sah es ganz ähnlich. "Man muss immer sehen, wo wir herkommen." Anders als Hansi Flick gerät sie bei Themen abseits des Fußballs nicht so schnell ins Schlingern. Mitunter blüht die 55-Jährige richtig auf, wenn es um gesellschaftliche Statements geht. Ihre Weitsicht und Weltoffenheit sind ein Faustpfand.
Aber sie weiß auch: Letztlich hängt auch die Bewertung ihres Tuns am sportlichen Erfolg. Ein frühes Scheitern ist in einer Vorrundengruppe gegen Marokko (24. Juli), Kolumbien (30. Juli) und Südkorea (3. August) zwar ziemlich unwahrscheinlich, aber dann wird ein mögliches Achtelfinale gegen Brasilien oder Frankreich wohl zum Lackmustest, ob die Frauen den Reputationsverlust des deutschen Fußballs fortschreiben oder den Kontrapunkt setzen. Nancy Faeser und Bärbel Bas glauben fest an letzteres – und haben in der K.o.-Runde einen erneuten Besuch bei den DFB-Frauen bereits in Erwägung gezogen.
32 Fußball-Teams kämpfen vom 20. Juli bis 20. August in Australien und Neuseeland um den WM-Pokal. Mit dabei die DFB-Frauen, die zu den Favoriten zählen. Die wichtigsten Fakten.