Zwei erfahrene Akteure: Ilkay Gündogan und Thomas Müller während des DFB-Trainings.
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Mats Hummels war noch nicht ganz volljährig, als sich das WM-Sommermärchen 2006 abspielte. Aus dieser Zeit rühren seine früheren Schwärmereien für Zinedine Zidane, der im Finale jenes Turniers mit seinem Kopfstoß gegen den Italiener Marco Materazzi eine unrühmliche Hauptrolle spielte.
Hummels hat nicht vergessen, welche Inspiration dieses von ihm aus München verfolgte Event vermittelte: Er war in der Jugend beim FC Bayern zu einem sehr hoffnungsvollen Nachwuchstalent herangereift, aber sein Debüt bei den Profis sollte dennoch bis zum letzten Spieltag der Saison 2006/2007 warten.
Dass dem Abwehrspieler von Borussia Dortmund im fortgeschrittenen Alter von 34 Jahren die Chance winkt,
die Heim-EM 2024 im Nationaltrikot zu prägen, hat ihn selbst überrascht. "Eine gewisse Extra-Anspannung war vorhanden", berichtete der aufgeregte Routinier nach seinem Comeback gegen die USA (3:1).
In den 62 Minuten, in denen er in Hartford auf dem zugigen Feld stand, rechtfertigte er das Vertrauen. Seine Passquote (97 Prozent) und seine Ausstrahlung waren herausragend, sein Zweikampfverhalten nicht immer.
Hummels steht für Erfahrung
Auch wenn ihn der
neue Bundestrainer Julian Nagelsmann wegen des direkt nach der Rückkehr anstehenden Bundesligaspiels mit dem BVB gegen Werder Bremen (Freitag 20:30 Uhr) nun in der zweiten Partie gegen Mexiko in Philadelphia (Mittwoch, 2 Uhr MESZ) eher schonen dürfte: Stabilisator Hummels steht für den Faktor Erfahrung, der wieder eine größere Rolle spielt.
Nagelsmann geht strikt nach Leistung - und da ist der abgeklärte Hummels eben besser als der flatterhafte Nico Schlotterbeck, der zuhause bleiben musste.
Auch die Neuen sind schon um die 30 Jahre alt
Da hat der DFB sich den zweitjüngsten Fußballlehrer der Geschichte geangelt - und prompt stehen Spieler wieder höher im Kurs, die fast aus derselben Generation wie der 36-jährige Nagelsmann stammen. Sechs Akteure in der Startelf am vergangenen Samstag waren 30 Jahre und älter.
Die Weltmeister Hummels und Thomas Müller führen ein Aufgebot an, in dem insgesamt sogar zwölf Ü-30-Profis stehen, darunter mit Marc-André ter Stegen, Bernd Leno, Kevin Trapp und Oliver Baumann alle vier Torhüter.
Mit Ilkay Gündogan trägt ein 32-Jähriger die Kapitänsbinde. Die überraschend berufenen Neulinge Kevin Behrens (32) und Robert Andrich (29), denen gegen die Mittelamerikaner das Debüt winkt, sind ebenfalls keine Jünglinge mehr.
Vogts Elf von 1998 hält den Altersrekord
Mit 28,5 Jahren kommt das DFB-Aufgebot auf einen seit zwei Jahrzehnten nicht mehr dagewesenen Reifegrad. Den Altersrekord für eine Nationalmannschaft verantwortet noch Bundestrainer Berti Vogts: Jene Elf, die dann bei der WM 1998 im Viertelfinale gegen Kroatien (0:3) ausschied, hatte ein Durchschnittsalter von 30,3 Jahren.
Damals war die Talentquelle versiegt, gute Nachwuchsspieler produzierte der deutsche Fußball in dieser Phase kaum welche, weshalb der DFB nach dem Debakel bei der EM 2000 auch das neue Förderprogramm mit den bis heute gültigen Stützpunkten schuf.
Es gibt nicht viele Toptalente
Die Lage ist heute ganz ähnlich: Abgesehen von Jamal Musiala (20) und Florian Wirtz (20), die bei der Nagelsmann-Premiere das offensive Mittelfeld bestückten, drängen kaum Toptalente nach vorne. Da der neue Cheftrainer ohnehin nur einen Zeitvertrag bis nächsten Sommer besitzt, muss Nagelsmann nicht darüber nachdenken, was in zwei, drei oder vier Jahren ist. Es zählt das Hier und Jetzt.
Schnupperkurse für junge Spieler, die Vorgänger Hansi Flick im Frühjahr durchzog, wird es in dieser Form bei Nagelsmann nicht geben. Gleichwohl möchte der Bundestrainer beim Trip nach Übersee "nahezu alle Spieler mal im Spiel sehen, nicht nur im Training".
Mit Thiaw rückt der Nachwuchs nach
Daher werden wohl Niclas Füllkrug (30) und Pascal Groß (32), die gegen die USA ebenfalls auf zentralen Positionen überzeugten, wohl aus der Startelf rotieren. Vermutlich rückt bei den angekündigten Rochaden nur ein junger Spieler nach: der beim AC Mailand gereifte Malick Thiaw (22), der von seinen Anlagen übrigens einem Mats Hummels am meisten ähnelt.
In seiner Heimatstadt London kann sich Harry Kane mit England schon am Dienstag für die EM qualifizieren. Dazu beitragen soll er in einer etwas anderen Rolle als beim FC Bayern.
von Maik Rosner