Fußball: Dortmunder Hoffnungen ruhen auf Bynoe-Gittens

Nach der Bundesliga-Trendwende war die Erleichterung groß bei Borussia Dortmund - 4:2 trotz 0:2-Rückstands im Duell mit formstarken Gladbachern. Wichtig für die Tabelle, noch wichtiger für das ramponierte Gemüt der Westfalen. Kein Wunder, dass sich BVB-Trainer Edin Terzic zu einem Loblied auf Matchwinner Jamie Bynoe-Gittens hinreißen ließ:

Der junge Engländer war entscheidend daran beteiligt, den schlingernden Beinahe-Meister des Vorjahres nach den jüngsten Demütigungen gegen München und Stuttgart wieder aufzurichten. Nach drei Joker-Toren in der Spielzeit 22/23 feierte der 19-Jährige mit dem 3:2 gegen Gladbach seinen Debüttreffer in der Startelf. Den Ausgleich zum 2:2 bereitete mustergültig vor. Seine fünf Torschüsse waren zudem BVB-Bestwert.

Was Bynoe-Gittens im Training offenbar längst regelmäßig leistet, deutete er nun auf großer Bühne an. "Jamie hat viele Situationen im Eins-gegen-Eins gelöst. Er war sehr mutig", sagte Sportdirektor Sebastian Kehl. Genau diese kleinen Geniestreiche braucht Schwarz-Gelb in den wegweisenden Wochen bis Weihnachten.

Dortmunds Jahresendspurt mit sieben Spielen in drei Wochen hat es in sich: Ein Sieg bei der AC Mailand (heute, 21 Uhr, Zusammenfassung am Mittwoch in der sportstudio-Champions-League-Sendung) und der lukrative Einzug ins Achtelfinale der Champions League wäre gesichert. Bei einer Pleite in Norditalien dagegen würde in der engen Gruppe F sogar Rang drei wieder wackeln. Ein Endspiel ums Überwintern in Europa gegen Paris Saint-Germain braucht niemand beim BVB.

In der Bundesliga stehen weitere Härtetests an für das Terzic-Team, das bisher kaum überzeugte beim Versuch, die Fehler des Vorjahres zu vermeiden. Der Abstand nach oben ist wieder früh auf zehn Punkten angewachsen.

Bei Spitzenreiter Bayer Leverkusen und dann gegen RB Leipzig geht es fast schon um den Verbleib im Titelrennen. Zwischendrin muss der BVB im DFB-Pokal zeigen, wie er den Offenbarungseid beim VfB Stuttgart verdaut hat.

Dass die westfälische Wundertüte defensiv anfällig ist, hat Tradition. Mit 19 Gegentreffern in der Liga ist Dortmund auch im achten Jahr in Folge dabei, über 40 Tore zu schlucken. Im Gegensatz zu früheren Jahren kann die Borussia das aber nicht mehr durch Offensivspektakel kompensieren. Nur 25 eigene Tore stehen zu Buche - viel weniger als bei Bayern (43) oder Leverkusen (37).

Das liegt auch daran, dass der BVB auf der Suche nach einem neuen Erfolgssystem zu oft durch die Mitte wurschtelt. Für Marco Reus und Julian Brandt gilt das sowieso, selbst wenn sie sich auf dem Aufstellungsbogen auf der Seite wiederfinden. Auch die Flügelflitzer Donyell Malen und Karim Adeyemi drängt es ins Zentrum, in der Hoffnung auf den eigenen Torabschluss.

Bynoe-Gittens dagegen geht gerne bis zur Grundlinie durch, um den Ball dann gefährlich in den Rücken des Gegners zu spielen. In Sachen Speed, Dribblings und Haken erinnert der Rechtsfuß an Jadon Sancho, der wie Gittens aus der Jugend von Manchester City stammte.

Der englische U19-Europameister ist ähnlich schwer auszurechnen. Vor allem den Blick und das Timing für die Mitspieler muss er aber noch vom früheren Scorerkönig Sancho lernen, den Bynoe-Gittens als "großen Bruder" bezeichnet. Auf dem Weg dahin könnte der Wirbelwind viel weiter sein, hätte ihn Verletzungspech nicht permanent zurückgeworfen. Vergangene Saison verpasste er 22 Partien.

Aber wenn er über eine längere Strecke fit bleibt, ist der gebürtige Londoner im immer älter besetzten BVB-Kader ein wertvoller Wechsel auf die Zukunft, den der Verein bald einzulösen hofft. Trainer Terzic ist sicher: „Jamie wird noch sehr viel lernen." Daher hat der Klub den Vertrag mit seiner Nummer 43 im Oktober vorzeitig bis 2028 verlängert - eine üppige Gehaltserhöhung inklusive.