Unions freier Fall: Die Gründe für die Krise der "Eisernen"
Union Berlin im freien Fall:Die Gründe für die Krise der "Eisernen"
von Ralf Lorenzen
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Späte Integration der Neuen, zu viele Individualisten und Verletzte, wenig Spielglück und Selbstvertrauen - Union Berlins Absturz hat Gründe. Das 1:1 in Neapel macht aber Mut.
Union Berlin steckt seit Wochen in einer veritablen Krise - Abstiegskampf statt internationaler Plätze. Wie konnte es so weit kommen? Ist Trainer Urs Fischer noch unantastbar?09.11.2023 | 14:23 min
Mit dem 1:1 bei der SSC Neapel hat Union Berlin die Wende in der Champions League zwar nicht mehr geschafft - aber der erhoffte Achtungserfolg ist gelungen. Noch wichtiger: der Bann von zwölf Pflichtspielniederlagen in Folge ist gebrochen. Damit steigt die Hoffnung, in der Bundesliga die Wende noch zu schaffen und den zweifelhaften Ruf, aktuell die schlechteste Mannschaft in Europas Topligen zu sein, bald los zu sein.
Zweifel am zweiten Anzug
"Das haben wir uns jetzt endlich mal verdient und das tut uns allen gut", sagte Kapitän Christopher Trimmel nach dem Spiel in Neapel.
Der mit fünf Änderungen in der Startelf erkämpfte Punkt entkräftet auch ein wenig die aufkommenden Zweifel an der nötigen Kaderbereite.
Mit einem 1:1 in Neapel stoppt Union Berlin die Horror-Serie von zuletzt zwölf Pleiten am Stück. Am vorzeitigen Aus der Eisernen in der Königsklasse ändert der Punkt aber nichts.08.11.2023 | 2:59 min
Es sei ein Vorteil der letzten Spielzeiten gewesen, dass der Kern der Mannschaft kaum verletzungsbedingt Ausfälle hatte, sagt Ex-Union-Spieler Marko Rehmer im aktuellen Bolzplatz: "Das hat man jetzt eben nicht, daran sieht man vielleicht auch, dass der zweite Anzug noch nicht so richtig passt."
Besonders fehle Rani Khedira als Führungsspieler. Der Sechser kam verletzungsbedingt erst am 8. Spieltag zum ersten Einsatz und kassierte eine Woche später in Bremen die rote Karte.
Union lief wie eine gut geölte Maschine
Union war auch in der letzten Saison keine Mannschaft, die andere dominiert hat.
Teilweise habe er sich nach Verlassen des Stadions gefragt: Wie hat Union dieses Spiel heute gewonnen?
Enge Spiele zieht eine Mannschaft nur dauerhaft auf ihre Seite, wenn ein Rädchen ins andere greift. "Union Berlin ist wie eine gut geölte Maschine gewesen", sagt Bolzplatz-Moderator Manu Thiele. Diese Maschine wurde jedes Jahr so gut eingestellt, dass auch die neuen Teile sofort funktionierten.
Fan-Krawalle in der Stadt und Böllerschüsse im Stadion - das Champions-League-Spiel zwischen dem SSC Neapel und Union Berlin wird von Ausschreitungen überschattet.
In der Regel kamen die neuen Spieler so früh dazu, dass sie die komplette Saisonvorbereitung mitmachten und sich an das lauf- und arbeitsintensive Spiel der Eisernen gewöhnen konnten. "Das ist dieses Jahr in dem Maße nicht gelungen", sagt Autor und Union-Experte Christoph Biermann.
Namhafte Neuzugänge sind allesamt Spätstarter
Die Neuzugänge Robin Gosens (15. August), Kevin Volland (17. August) und Leonardo Bonucci (1. September) kamen erst sehr spät. "Und dann sind auch noch Spieler dazugekommen, die das Problem haben, sich in so eine Maschinerie einzufügen", so Biermann.
In dieser Saison geht es bei Union nicht nur um die Integration neuer Spieler, sondern um die Weiterentwicklung des Gesamtkonzeptes. Der Einzug in die Champions League wurde mit einem über die Jahre gewachsenen starken Kollektiv erreicht - aber um auf diesem Level zu bestehen, wurden starke Individualisten dazu geholt. Union ist nicht der erste Klub, der diesen Schritt mit einem vorübergehenden Absturz bezahlt.
Bekenntnis zu Trainer Urs Fischer
Ein Fingerzeig, nun auf dem richtigen Weg zu sein, könnte der Schütze des einzigen Union-Treffers in Neapel sein, dem ersten seit fünf Spielen: David Fofana hatte im Hinspiel Trainer Urs Fischer nach seiner Auswechslung den Handschlag verweigert und war vorübergehend suspendiert worden. Die schnelle und erfolgreiche Reintegration deutet auf eine weiter existierende mannschaftliche Geschlossenheit hin.
Drittes Spiel in der Königsklasse, dritte Niederlage: Union ist gegen Neapel besser, verliert aber 0:1. Wettbewerbsübergreifend ist es die neunte Pleite am Stück für die Eisernen.25.10.2023 | 2:59 min
Der "Union-Weg" hat bislang hauptsächlich dank der Kontinuität funktioniert. Bislang wird an Trainer Fischer nicht gerüttelt. "Der Zusammenhalt von Union wird nicht nur erzählt, sondern auch gelebt", sagte Fischer, nachdem er mal wieder trotz Niederlage von den Fans gefeiert worden war.
"Behält man die Nerven, oder greifen die klassischen Mechanismen im Fußball?", fragt Manu Thiele. Am Samstag hat die Mannschaft beim Tabellenführer aus Leverkusen die beste Gelegenheit, Argumente für die erste Option zu liefern.