Krise bei Schalke: Die Quittung für den Realitätsverlust

    Krise in Königsblau:Schalke: Quittung für den Realitätsverlust

    von Ralf Lorenzen
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    Chaos bei Schalke 04 - das ist nichts Neues. Doch diesmal bilden Führungsschwäche, fehlende Kader-Qualität, Geldnot und überzogene Erwartungen ein besonders gefährliches Gemisch.

    Schalke in der Krise.
    Die formulierten Ansprüche bei Bundesliga-Absteiger Schalke 04 sind hoch, doch die Realität bei Königsblau sieht ganz anders aus. Der Klub wirkt ideenlos, führungslos, hilflos. Manu Thiele über die Gründe für die Krise und die wichtigsten Stellschrauben.05.10.2023 | 14:14 min
    Falls ein Anhänger von Schalke 04 gerade das erste Mal in dieser Saison auf die Tabelle der zweiten Liga guckt, muss er denken, dass sie verkehrt herum hängt. Schalke auf dem Relegationsplatz - das konnte man erwarten. Aber auf dem zur 3. Liga? Das muss doch ein Versehen sein!
    Nein, ist es nicht, sondern die Folge von steigendem Realitätsverlust, wachsendem Macht-Vakuum und fehlender Kontinuität. Eine Gemengelage, die bereits viele Traditionsvereine erwischt hat. 1860 München und der 1. FC Kaiserslautern rutschten mit ihr vorübergehend sogar in die Viert- bzw. Drittklassigkeit ab.

    Schalkes Ziele: Top-6 der Bundesliga

    "Schalke 04 ist ein Verein, der den Sprung in den modernen Fußball nicht geschafft hat", sagt Content Creator und Schalke-Fan Simon Schildgen im aktuellen Bolzplatz, in dem es um die Krise des Revierklubs geht.
    Den jüngsten Abstieg in die 2. Liga hatten Anhang und Klubführung noch relativ entspannt hingenommen. War der Klub nach dem vorherigen Abstieg 2021 doch sofort und souverän wieder in die 1. Bundesliga zurückgekehrt. Und hatte der im Oktober 2022 verpflichtete Trainer Thomas Reis das Team doch aus aussichtsloser Lage fast noch auf den Relegationsplatz gebracht. 

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    Die Risiken der Tradition

    Sportvorstand Peter Knäbel hatte wohl dazu noch die Vizemeisterschaft vor fünf Jahren im Kopf, als er einen Monat nach dem Abstieg auf der Mitgliederversammlung in diesem Juni an dem Ziel festhielt, unter die "Top 6 der Bundesliga" zu kommen und einen Kaderwert von 200 Millionen zu erreichen. Laut statista ist der Kaderwert der Schalker seit März 2020 bis Juli 2023 von gut 255 auf knapp 51 Millionen Euro gesunken.
    "Die Ansprüche sind im Zweifel immer viel zu hoch", sagt Andreas Ernst, Journalist bei der Funke Mediengruppe, im Bolzplatz. "Das ist allein der Historie dieses Vereins und der Emotionalität dieses Vereins geschuldet".

    31 Trainer seit Huub Stevens

    Die besonderen Risiken von Traditionsklubs hat der Ex-Nationalspieler und Ex-Aufsichtsratsvorsitzende von Werder Bremen, Marco Bode, im letzten Jahr in einem Buch thematisiert. "Tradition zu haben, eine große Zahl an Fans zu haben, ist eine Stärke von Fußball-Klubs", sagt Bode gegenüber ZDFheute. "Aber es ist gefährlich, wenn daraus eine zu große Erwartungshaltung entsteht. Die führt bei Traditionsklubs zu mehr Unruhe, Trainerentlassungen und finanziellen Risiken, als es sie sowieso schon gibt."
    Mit Gesamtverbindlichkeiten von rund 180 Millionen Euro und 31 Trainern seit 2002 dient Schalke 04 als Musterbespiel für diese Einschätzung. Gerade musste mit Thomas Reis wieder ein Trainer gehen, weil Spielweise und Tabellenplatz sich immer weiter von den Erwartungen entfernten.

    Mit Gazprom-Geld hat Schalke lange über die Verhältnisse gelebt

    "Jeder Trainer hat eine andere Vorstellung davon, welche Spielertypen man braucht", sagt Manu Thiele. "So holt man immer wieder neue Jungs und nach ein paar Trainerwechseln passt nichts mehr zueinander."
    Als "Rattenrennen“ bezeichnen Bode und Co-Autor Dietrich Schulze-Marmeling in ihrem Buch die Jagd der Traditionsclubs nach den alten Erfolgen - und die sind für Klubs, die weder Einnahmen aus der Champions League oder einen finanzkräftigen Investor haben, immer schwerer erreichbar.

    Blick nach oben auf Schalke

    Bei Schalke 04 ist das Rennen noch härter, da der Klub auch in erfolgreichen Zeiten über seinen Verhältnissen gelebt hat. Mitfinanziert vom russischen Gazprom-Konzern hatte Schalke noch 2020 mit 124 Millionen Euro einen ähnlich teuren Kader wie die Werksklubs aus Leverkusen und Wolfsburg. Mit dem Boykott gegen Russland aufgrund des Angriffs auf die Ukraine versiegte diese Geldquelle.
    Ein Blick auf die aktuellen Top sechs der zweiten Liga zeigt, woran sich der Klub orientieren könnte, um den Totalabsturz zu verhindern: an Traditionsklubs, die in der Realität der zweiten Liga angekommen sind und sich nicht ständig einreden, dass sie da doch eigentlich gar nicht hingehören.

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