Beim FC St. Pauli: Keine Spielerberater und ohne VR-Brillen
Nachwuchs beim Kiezklub:FC St. Pauli: Ohne Berater und VR-Brillen
von Ralf Lorenzen
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Spielerberater haben beim Nachwuchs des FC St. Pauli nichts verloren. Das ist Teil eines Konzeptes, mit dem Talente weniger den Verein wechseln und mehr Spielzeit bekommen sollen.
Geht es nach dem Verein, sollen St. Paulis Nachwuchskicker möglichst spät mit Spielerberatern in Kontakt kommen.
Quelle: imago
Wohl mit keinem anderen Fußballklub wird das Attribut "rebellisch" so verbunden wie mit dem FC St. Pauli. Kritiker meinen, der Klub vermarkte dieses Image geschickt.
Es lässt dennoch aufhorchen, wenn das Konzept seines Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) den Titel trägt: "Rebellution - ein anderer Jugendfußball ist möglich." Ins Rampenlicht rückte das Konzept in der vergangenen Woche, als der Verein mitteilte: "Der FC St. Pauli beendet im NLZ die Zusammenarbeit mit Beratern."
Jugendbereich ist Einfallstor für Spielervermittler
Das Image von Beratern im Fußballgeschäft liegt ungefähr am anderen Ende der Beliebtheitsskala von dem des Kiez-Klubs. Der Jugendbereich ist im Profifußball längst zum Einfallstor für Spielervermittler geworden, die ins Geschäft kommen wollen.
Teilweise werden schon die Eltern von zwölfjährigen Talenten angesprochen, in der Hoffnung, mit ihnen als Erwachsene das große Geld zu verdienen. Oft sind sie es, die jungen Spielern einen Wechsel in ein anderes Leistungszentrum nahelegen.
Gespräche nur noch mit Spielern und Familien
"Das NLZ-Hopping ist ungesund", sagt Benjamin Liedtke, Leiter des NLZ beim FC St. Pauli, im Gespräch mit ZDFheute. "Wenn wir einen sehr guten Spieler haben, dann weckt er natürlich das Interesse bei anderen. Und wenn dann Berater oder andere Akteure kommen, die versuchen, an diesem Spieler zu partizipieren, wird es schwierig, stringent und gut mit dem Spieler zu arbeiten."
Gespräche nur noch mit Spieler und Familie
Ganz verhindern kann der Klub die Kontaktanbahnung nicht - eine seriöse Beratung kann besonders bei älteren Spielern kurz vor dem Übergang in den Profibereich auch sinnvoll sein.
"Aber wir sprechen bei uns maximal über eine Aufwandsentschädigung. Und ich habe bis heute nicht verstanden, was es da zu verhandeln gibt", sagt Liedtke. Deshalb führt er in diesem Bereich Gespräche nur noch mit den Spielern und deren Familien.
St. Pauli holt nur noch Talente aus der Region
Die Anzahl der Berater, mit denen das NLZ in Kontakt stand, hatte sich ohnehin schon reduziert, da der Verein im Jugendbereich nur noch Spieler aus der Metropolregion Hamburg verpflichtet.
Die größten Veränderungen innerhalb des NLZ gibt es bei den Trainingsinhalten und Spielformen. Ähnlich wie bei der umstrittenen Reform des Kinderfußballs im DFB geht es darum, weg von einer Kopie des Erwachsenfußballs zu kommen. Auch der Jugendfußball wurde in den vergangenen Jahren immer stärker an Ergebnissen orientiert.
DFB-Präsident Neuendorf hat Aussagen von Vize Watzke widersprochen. Watzke hatte geplante Reformen im deutschen Kinderfußball mit harten Worten kritisiert.
Weg vom Erwachsenenfußball
"Spielanalyse, professionelles Athletiktraining, professionelles Mentaltraining, VR-Brillen, Kopfhörer für Spieler auf dem Feld", zählt Liedtke einige Merkmale auf. "Wir wollen dagegen back to basics, weil das Spiel zwar schneller und athletischer geworden ist, die fußballerischen Fähigkeiten aber abgenommen haben."
Die Grundlage dafür bildet wie im Kinderfußball die Spielform Funino. "Drei gegen drei, vier gegen vier oder fünf gegen fünf auf ein großes Tor ist nur die Übertragung vom Bolzplatz in den Vereinsfußball: Wir treffen uns und zocken einfach", sagt Liedtke.
St. Pauli Vorreiter für "Projekt Zukunft"
Diese Spielformen, die beim FC St. Pauli in ein langfristiges Ausbildungskonzept eingebunden sind, sieht auch das "Projekt Zukunft" des DFB für den Jugendbereich vor. Doch die föderalen DFB-Strukturen mahlen langsam.
"Wir haben die Erfahrung gemacht, wie schwierig es ist, kleinere Spieleformen in der U12 und U13 mit den Verbänden einvernehmlich hinzubekommen", sagt Liedtke. "Wir können aber nicht darauf warten, dass der große Umbruch über den DFB und die Verbände kommt, sondern müssen anfangen, den ganz praktisch und in unserem täglichen Rahmen zu gestalten."