"Demnächst ohne Ball":Watzke poltert gegen Kinderfußball-Reform
von Ralf Lorenzen
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Nach vielen Rückschlägen hat sich der DFB aufgemacht, lange bestehende Erkenntnisse über die Entwicklung von Fußballern umzusetzen. Jetzt kommt Gegenwind aus der eigenen Spitze.
Zwei gegen zwei auf vier Minitore: Weniger Spieler und mehr Ballkontakte sollen den deutschen Fußball wieder nach vorne bringen.
Quelle: panthermedia
Seit Hannes Wolf vor gut zwei Wochen als neuer DFB-Direktor für den Nachwuchs eine Reihe von Reformen für den Kinderfußball vorstellte, tobt der Streit zwischen den Reformern und Traditionalisten. Die massivste Kritik kommt jetzt aus der DFB-Spitze selbst. DFB-Vize Hans Joachim Watzke äußerte sich laut dem Magazin "Der Spiegel" auf einem Unternehmertag in Essen:
Es werde auch diskutiert, nicht mehr auf Tore zu spielen, so Watzke weiter.
Die bereits auf dem DFB-Bundestag im März 2022 abgesegneten Pläne sehen vor, dass ab 2024 von der G-Jugend bis zur E-Jugend kleinere Spielformen eingeführt werden. Statt einem Ligabetrieb mit Spielen im 7-gegen-7-Modus auf zwei Tore gibt es dann sogenannte Festivals mit kleineren Teams auf parallelen Feldern.
Philosophiewechsel im Kinderfußball: Weniger Spieler, mehr Ballkontakte
Die Kleinsten spielen mit zwei gegen zwei Spielern auf vier Minitore, mit zunehmendem Alter geht es schrittweise mit mehr Spielern auf Kleinfeldtore.
Dies erhöht zahlreichen Studien zufolge die Zahl der Ballkontakte aller Spieler signifikant und verbessert ihre individuellen Fähigkeiten.
Kein Spieler bleibt zuhause oder sitzt auf Auswechselbank
Die dabei erzielten Tore werden weiterhin gezählt, es geht also weiter in jedem Spiel ums Gewinnen und Verlieren. Abgeschafft werden lediglich die Tabellen. "Tabellen sind Belohnungssysteme für Trainer und sie belohnen ausbildungsschädliches Verhalten", sagt der Sportwissenschaftler Matthias Lochmann gegenüber dem ZDF.
Ex-Bundesligatrainer Hannes Wolf wurde beim Deutschen Fußball-Bund als neuer Direktor für Nachwuchs, Training und Entwicklung vorgestellt. 22.08.2023 | 1:54 min
Trainer würden mit höheren Positionierungen belohnt, wenn sie "die schwächsten Spieler nicht mitnehmen, die zweitschwächsten auf die Bank setzen und die drittschwächsten auf Positionen mit einfachstrukturierten Aufgaben einsetzen. Das kann man in der G- und F-Jugend jeden Sonntag auf jedem Platz in Deutschland beobachten", sagt Lochmann.
Auch starke Spieler profitieren von DFB-Reform
Lochmann hat in Bayern bereits 2015 das erste selbstorgansierte Pilotprojekt mit der vom ehemaligen Hockeynationaltrainer Horst Wein in den 1980er Jahren entwickelten Spielform Funino (3 gegen drei auf vier Tore) durchgeführt. Dabei ist er zu den nahezu gleichen Ergebnissen gelangt wie später der DFB, der nach der vermasselten WM 2018 eigene Projekte und Untersuchungen zur Verbesserung der individuellen Qualität auflegte.
"Wir sehen an unseren Daten, dass auch die Höchstleister bei den Ballkontakten und Dribblings zulegen", sagt Lochmann. "Der große Vorteil ist, dass die Unterperformer an die Höchstleister bei der Ballkontaktzahl aufschließen. Das bedeutet, dass der Höchstleister noch besser wird als im alten System, weil er mehr Ballkontakte und seine Mitspieler viel bessere Konkurrenten im eigenen Verein werden."
Unterstützungssystem zur Einführung der neuen Spielform benötigt
Bei der Umsetzung dieser Erkenntnisse hat der DFB nicht nur acht Jahre verloren, sondern doppelt so viele. Der damalige DFB-Sportdirektor Matthias Sammer wollte schon 2006 kleinere Spielformen ohne Tabellen einführen. "Da hat er sich eine blutige Nase geholt", sagt Lochmann. "Alles, was er hingekriegt hat, war die Einführung von 9 gegen 9 in der D-Jugend."
Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, ist es für Lochmann notwendig, schnell ein Unterstützungssystem über Online- und Präsenzfortbildungen für die zu organisieren, die in den Kreisen und Vereinen das neue System einführen sollen. Besonders bei der Organisation und Durchführung der Festivals drücke der Schuh. Dafür regt Lochmann eine Kampagne der DFB-Großsponsoren unter dem Motto: "Hochleistungs- und Gesundheitsförderung für alle Kinder in Deutschland" an.
Watzke will Alternativen zur geplanten DFB-Reform
Nach dem Vorstoß von DFB-Vize Watzke ist allerdings eher zu befürchten, dass die Reform zum Rohrkrepierer wird und noch mehr Zeit gegenüber handlungsschnelleren Verbänden verloren geht. Laut "Spiegel" sagte Watzke, dass die DFB-Spitze bereits beschlossen habe, dass Hannes Wolf "in den nächsten ein, zwei Jahren Handlungsalternativen aufzeigen" solle.
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