Anspruch auf Bildungsurlaub:Tipps zum Extra-Urlaub fürs Lernen
von Kerstin Ripper
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Bildungsurlaub ist bezahlte Zeit fürs Lernen, während das Gehalt weiterläuft - wie beim normalen Urlaub. Wer Anspruch darauf hat, wie viele Tage es sind, was man beachten sollte.
Wer hat Anspruch auf Bildungsurlaub und wie geht's?20.03.2023 | 3:45 min
Sightseeing in Barcelona mit Sprachkurs, Yoga in Griechenland - oder eine Reise nach Israel zur politischen Bildung. Dafür gibt es zusätzlich Urlaub - Bildungsurlaub. Und das Gehalt läuft weiter - wie beim normalen Urlaub.
Trotzdem nehmen nur etwa ein bis zwei Prozent der Beschäftigten diese Zeit in Anspruch. Auch bei einer spontanen Straßenumfrage in Berlin stellt sich heraus, dass keiner der Befragten bisher Bildungsurlaub genommen hat. Die häufigste Antwort: "Nein, hab ich noch nicht gemacht, leider nicht."
Warum eigentlich nicht? Ines Böschen vom Bildungswerk des DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) hat eine Vermutung:
Was ist Bildungsurlaub?
Dabei ist es ganz einfach: Anspruch auf Bildungsurlaub (auch Bildungsfreistellung oder Bildungszeit genannt) haben Beschäftigte mit mindestens sechs Monaten Betriebszugehörigkeit in Betrieben ab 10 oder 20 Angestellten. Für Kleinbetriebe gelten Ausnahmen - je nach Betriebsgröße entfällt der Anspruch auf Bildungsurlaub komplett.
Gar keinen Bildungsurlaub gibt es in Bayern und Sachsen. Für alle anderen gilt: Im Schnitt gibt es (bei einer Vollzeit-Tätigkeit) fünf Tage Zusatz-"Urlaub" pro Jahr. In den meisten Bundesländern können die Ansprüche aus zwei Jahren zusammengelegt werden - also zehn Tage am Stück. Aber in manchen Bundesländern braucht es dafür einen extra Antrag.
Bildungsurlaub ist Ländersache. Das bedeutet auch, dass beispielsweise in Brandenburg einzelne Tage genommen werden können, während in Hessen mindestens drei Tage zusammengelegt werden müssen. Infos dazu gibt es bei den verschiedenen Bildungsträgern. "Wenn man sich im Betrieb informieren möchte, bietet es sich immer an, die Interessensvertretung zu fragen - also Betriebsräte und Personalräte", rät Bösche.
Bildungsurlaub war mal als Bundesgesetz geplant, das an das Urlaubsgesetz gekoppelt werden sollte. Aber weil sich das Kabinett in den 1960er Jahren nicht einigen konnte, haben die Bundesländer in den 1970er den Bildungsurlaub zur Ländersache erklärt. Allen voran die beiden Stadtstaaten Hamburg (1974) und Bremen (1975) - sie waren die ersten mit eine Bildungsurlaubs-Gesetzgebung. Immer noch nicht dabei sind die Freistaaten Bayern und Sachsen.
Wie finde ich das passende Angebot für den Bildungsurlaub?
Damit Sie den passenden Bildungsurlaub finden, recherchieren Sie bei verschiedenen Bildungsträgern oder Online-Plattformen wie bildungsurlaub.de, bildungsurlauber.de, bei der Volkshochschule vor Ort oder bei Ihrer Gewerkschaft. Kinderbetreuung ist selten, aber fragen Sie bei Bedarf unbedingt nach.
Die Kosten für den Kurs, Anreise und Übernachtungen tragen die Beschäftigten selbst, sie können aber von der Steuer abgesetzt werden. Manchmal gibt es sogar Zuschüsse in Form von Gutscheinen oder ähnlichem: Checken Sie dafür die Webseite des zuständigen Ministeriums in Ihrem Bundesland bevor Sie den Antrag stellen! Wichtig: Der Kurs, für den Sie sich interessieren, muss in dem Bundesland anerkannt sein, in dem Sie arbeiten. Der Wohnort spielt keine Rolle.
Wenn der passende Kurs gefunden ist, sprechen Sie sich möglichst frühzeitig im Job ab und achten Sie auf Fristen: In den meisten Bundesländern muss der Antrag schriftlich mindestens sechs bis neun Wochen vorher gestellt werden. Im Saarland sind es sogar 12 Wochen. Lassen Sie sich die Unterlagen vom Veranstalter zuschicken. Besonders wichtig ist das Anerkennungs-Zertifikat. Prüfen Sie, ob es einen Zuschuss vom Land gibt - auch manche Arbeitgeber beteiligen sich. Auch dafür muss der Antrag vorher gestellt werden. Infos erhalten Sie über die zuständige Stelle in Ihrem Bundesland.
"Der Arbeitgeber hat kein Mitspracherecht bei der Auswahl der Seminare oder Veranstaltung beim Bildungsurlaub oder Bildungszeit. Das ist genau das Besondere an den gesetzlichen Regelungen. (…) Außer in Nordrhein-Westfalen und Berlin. Dort darf der Arbeitgeber - zumindest bei der beruflichen Bildung ein Wort mitreden," erklärt Ines Böschen vom DGB-Bildungswerk.
Tatsächlich kann ein Antrag auf Bildungsurlaub vom Arbeitgeber auch abgelehnt werden. Zum Beispiel aus betrieblichen Gründen, wenn schon zu viele andere Kolleg*innen im selben Zeitraum Urlaub haben oder wenn schon eine bestimmte Anzahl an Kolleg*innen im selben Jahr Bildungsurlaub genommen hat. Abgelehnt werden kann der Bildungsurlaub auch dann, "wenn gerade ein hoher Krankenstand im Betrieb vorherrschend ist (…). Natürlich spielen auch die Fristen eine Rolle, es ist immer wichtig, (…) den Bildungsurlaub oder die Bildungszeit fristgerecht zu beantragen - ansonsten kann der Arbeitgeber auch ablehnen", erläutert Böschen.
Wenn ein Antrag abgelehnt wurde, dann beantragen Sie im Folgejahr erneut Bildungsurlaub - beim zweiten Mal kann der Arbeitgeber nicht schon wieder ablehnen.
Wenn ein Antrag abgelehnt wurde, dann beantragen Sie im Folgejahr erneut Bildungsurlaub - beim zweiten Mal kann der Arbeitgeber nicht schon wieder ablehnen.
Was ist beim Antrag zu beachten?
Achten Sie unbedingt darauf, alle Formalitäten einzuhalten. Der Antrag könnte sonst abgelehnt werden. Hinzu kommt: "Wenn dienstliche und betriebliche Belange dagegensprechen, beispielsweise wenn gerade ein hoher Krankenstand im Betrieb vorherrschend ist, dann kann es passieren, dass ein Arbeitgeber den Antrag ablehnt," so die Gewerkschafterin Böschen.
Aber auch für die Ablehnung sind Fristen einzuhalten: Hat der Arbeitgeber etwa drei oder vier Wochen nach Antragstellung nicht reagiert, gilt der Bildungsurlaub in den meisten Bundesländern als genehmigt. Dann steht dem Extra-Urlaub - wo auch immer - nichts mehr im Weg.
Relevant beim Bildungsurlaub ist der Standort des Jobs, das Bundesland des Wohnorts spielt keine Rolle. Wer beispielsweise in Bayern wohnt, aber in Hessen arbeitet, hat Anspruch auf Bildungsurlaub und kann unter allen Kursen auswählen, die vom Bundesland Hessen anerkannt sind.
Bildungsurlaub, Bildungszeit, Bildungsfreistellung gibt es in 14 von 16 Bundesländern. Wer vom Land die Zuständigkeit hat, ist sehr föderal geregelt - deswegen hier die Übersicht:
Bildungsurlaub, Bildungszeit, Bildungsfreistellung gibt es in 14 von 16 Bundesländern. Wer vom Land die Zuständigkeit hat, ist sehr föderal geregelt - deswegen hier die Übersicht:
- Baden-Württemberg: Zuständig ist das Regierungspräsidium Baden-Württemberg.
- Berlin: Zuständig ist die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales.
- Brandenburg: Zzuständig ist das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS).
- Bremen: Zuständig ist der Senat für Kinder und Bildung.
- Hamburg: Zuständig sind die Hamburger Institute für Berufliche Bildung (HIBB).
- Hessen: Zuständig ist das Ministerium für Soziales und Integration.
- Mecklenburg-Vorpommern: Zuständig ist das Ministerium für Bildung und Kindertagesförderung.
- Niedersachsen: Zuständig ist das Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur.
- Nordrhein-Westfalen: Zuständig ist das Ministerium für Gesundheit und Soziales.
- Rheinland-Pfalz: Zuständig ist das Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung.
- Saarland: Zuständig ist das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie.
- Sachsen-Anhalt: Zuständig ist Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, Referat Bildung, BAföG, Integration.
- Schleswig-Holstein: Zuständig ist das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus.
- Thüringen: Zuständig ist das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport.
Kerstin Ripper ist Redakteurin bei WISO.