Bildungsurlaub: Was das ist und wer wie viel Anspruch hat
Anspruch, Antrag, Angebote :Bildungsurlaub: Tipps für die Lern-Auszeit
von Kerstin Ripper
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Bildungsurlaub ist bezahlte Zeit fürs Lernen, während das Gehalt weiterläuft - wie beim normalen Urlaub. Wer Anspruch darauf hat, wie viele Tage es sind, was man beachten sollte.
Viele wissen gar nicht, dass sie ein Recht darauf haben: Nur ein bis zwei Prozent der Beschäftigten nehmen Bildungsurlaub in Anspruch.
Quelle: obs
Sprachkurs in Barcelona, Yoga in Griechenland oder eine Reise nach Israel zur politischen Bildung: Dafür gibt es zusätzlich Urlaub - Bildungsurlaub. Und das Gehalt läuft weiter - wie beim normalen Urlaub.
Trotzdem nehmen nur etwa ein bis zwei Prozent der Beschäftigten diese Zeit in Anspruch. Warum eigentlich nicht mehr? Ines Böschen vom Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) hat eine Vermutung:
Ich glaube, die meisten wissen gar nicht, dass sie ein Recht drauf haben - auf Bildungsurlaub. Wahrscheinlich ist das das größte Problem.
„
Ines Böschen, DGB Bildungswerk
Wer hat Anspruch auf Bildungsurlaub?
Dabei ist es ganz einfach: Anspruch auf Bildungsurlaub (auch Bildungsfreistellung oder Bildungszeit genannt) haben Beschäftigte mit mindestens sechs Monaten Betriebszugehörigkeit in Betrieben ab zehn oder 20 Angestellten. Für Kleinbetriebe gelten Ausnahmen, je nach Betriebsgröße entfällt der Anspruch auf Bildungsurlaub komplett.
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Keinen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub gibt es in Bayern und Sachsen. Für alle anderen gilt: Im Schnitt gibt es (bei einer Vollzeit-Tätigkeit) fünf Tage Zusatz-"Urlaub" pro Jahr. In den meisten Bundesländern können die Ansprüche aus zwei Jahren zusammengelegt werden - also zehn Tage am Stück. Aber in manchen Bundesländern braucht es dafür einen extra Antrag.
Bildungsurlaub ist Ländersache. Das bedeutet auch, dass beispielsweise in Brandenburg einzelne Tage genommen werden können, während in Hessen mindestens drei Tage zusammengelegt werden müssen. Infos dazu gibt es bei den verschiedenen Bildungsträgern. "Wenn man sich im Betrieb informieren möchte, bietet es sich immer an, die Interessensvertretung zu fragen - also Betriebsräte und Personalräte", rät Bösche.
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Bildungsurlaub war ursprünglich einmal als Bundesgesetz geplant, das an das Urlaubsgesetz gekoppelt werden sollte. Aber weil sich das Kabinett in den 1960er-Jahren nicht einigen konnte, haben die Bundesländer in den 1970ern den Bildungsurlaub zur Ländersache erklärt. Allen voran die beiden Stadtstaaten Hamburg (1974) und Bremen (1975) - sie waren die ersten mit einer Bildungsurlaubs-Gesetzgebung. Immer noch nicht dabei sind die Freistaaten Bayern und Sachsen.
Wie finde ich das passende Angebot für den Bildungsurlaub?
Damit Sie den passenden Bildungsurlaub finden, recherchieren Sie bei verschiedenen Bildungsträgern oder Online-Plattformen wie bildungsurlaub.de, bildungsurlauber.de, bei der Volkshochschule vor Ort oder bei Ihrer Gewerkschaft. Kinderbetreuung ist selten, aber fragen Sie bei Bedarf unbedingt nach.
Die Kosten für den Kurs, Anreise und Übernachtungen tragen die Beschäftigten selbst, sie können aber von der Steuer abgesetzt werden. Manchmal gibt es sogar Zuschüsse in Form von Gutscheinen oder ähnlichem: Checken Sie dafür die Website des zuständigen Ministeriums in Ihrem Bundesland, bevor Sie den Antrag stellen! Wichtig: Der Kurs, für den Sie sich interessieren, muss in dem Bundesland anerkannt sein, in dem Sie arbeiten. Der Wohnort spielt keine Rolle.
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Wenn der passende Kurs gefunden ist, sprechen Sie sich möglichst frühzeitig im Job ab und achten Sie auf Fristen: In den meisten Bundesländern muss der Antrag schriftlich mindestens sechs bis neun Wochen vorher gestellt werden. Im Saarland sind es sogar 12 Wochen. Lassen Sie sich die Unterlagen vom Veranstalter zuschicken. Besonders wichtig ist das Anerkennungs-Zertifikat. Prüfen Sie, ob es einen Zuschuss vom Land gibt - auch manche Arbeitgeber beteiligen sich. Auch dafür muss der Antrag vorher gestellt werden. Infos erhalten Sie über die zuständige Stelle in Ihrem Bundesland.
Bildungsurlaub und der Arbeitgeber
"Der Arbeitgeber hat kein Mitspracherecht bei der Auswahl der Seminare oder Veranstaltung beim Bildungsurlaub oder Bildungszeit. Das ist genau das Besondere an den gesetzlichen Regelungen. (…) Außer in Nordrhein-Westfalen und Berlin. Dort darf der Arbeitgeber - zumindest bei der beruflichen Bildung ein Wort mitreden," erklärt Ines Böschen vom DGB-Bildungswerk.
Tatsächlich kann ein Antrag auf Bildungsurlaub vom Arbeitgeber auch abgelehnt werden. Zum Beispiel aus betrieblichen Gründen, wenn schon zu viele andere Kolleg*innen im selben Zeitraum Urlaub haben oder wenn schon eine bestimmte Anzahl an Kolleg*innen im selben Jahr Bildungsurlaub genommen hat.
Natürlich spielen auch die Fristen eine Rolle: "Es ist immer wichtig, (…) den Bildungsurlaub oder die Bildungszeit fristgerecht zu beantragen - ansonsten kann der Arbeitgeber auch ablehnen", erläutert Böschen.
Wenn ein Antrag abgelehnt wurde, dann beantragen Sie im Folgejahr erneut Bildungsurlaub - beim zweiten Mal kann der Arbeitgeber nicht schon wieder ablehnen.
Was ist beim Antrag auf Bildungsurlaub zu beachten?
Achten Sie unbedingt darauf, alle Formalitäten einzuhalten. Der Antrag könnte sonst abgelehnt werden. Hinzu kommt: "Wenn dienstliche und betriebliche Belange dagegensprechen, beispielsweise wenn gerade ein hoher Krankenstand im Betrieb vorherrschend ist, dann kann es passieren, dass ein Arbeitgeber den Antrag ablehnt," so die Gewerkschafterin Böschen.
Aber auch für die Ablehnung sind Fristen einzuhalten: Hat der Arbeitgeber etwa drei oder vier Wochen nach Antragstellung nicht reagiert, gilt der Bildungsurlaub in den meisten Bundesländern als genehmigt. Dann steht dem Extra-Urlaub - wo auch immer - nichts mehr im Weg.
Relevant beim Bildungsurlaub ist der Standort des Jobs, das Bundesland des Wohnorts spielt keine Rolle. Wer beispielsweise in Bayern wohnt, aber in Hessen arbeitet, hat Anspruch auf Bildungsurlaub und kann unter allen Kursen auswählen, die vom Bundesland Hessen anerkannt sind.
Bildungsurlaub, Bildungszeit, Bildungsfreistellung gibt es in 14 von 16 Bundesländern. Wie die Zuständigkeiten geregelt sind: