Wie Russlands Wagner-Söldner Chaos in Afrika befeuern
FAQ
Nach dem Putsch in Niger:Wie Wagner-Söldner Chaos in Afrika befeuern
von Nils Metzger
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Russlands Söldnergruppe Wagner wendet sich wieder Konflikten in Afrika zu - dem großen Geschäft mit Waffen und Rohstoffen. Wie und mit welchen Zielen die Gruppe in Afrika vorgeht.
Drei russische Söldner im Norden Malis. In immer mehr afrikanischen Staaten ist die Gruppe Wagner aktiv. (Archivbild)
Quelle: dpa
Nach dem gescheiterten Aufstand gegen Russlands Militärführung schien Jewgeni Prigoschins Söldnertruppe Wagner am Ende. Doch mit einer Rückbesinnung auf ihre ursprünglichen Aufgaben in Konfliktgebieten in Afrika und Nahost könnte das Unternehmen fortbestehen.
"Die Prigoschin-Rebellion hat für die private Militärfirma 'Gruppe Wagner' in Afrika nichts geändert. Sie ist wieder zu ihrer Kernkompetenz zurückgekehrt: Truppen ausbilden und wirtschaftliche Gewinne erzielen", sagt Severin Pleyer, Militär-Experte am German Institute for Defence and Strategic Studies in Hamburg.
Wo sind Wagner-Söldner in Afrika aktiv?
In bis zu zwölf Ländern Afrikas ist die Gruppe Wagner derzeit aktiv. Oft aber nur mit kleinen Gruppen an Ausbildern. Größere Kontingente mit mehreren Hundert Truppen sind es vor allem in der Zentralafrikanischen Republik, Mosambik, Mali und Libyen - und künftig wohl auch in Niger.
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Pleyer geht jedoch nicht davon aus, dass Wagner-Kämpfer bei einer möglichen militärischen Konfrontation zwischen Niger-Putschisten und Ecowas ein entscheidender Faktor wären: "Die Gruppe Wagner kann in Niger nicht kriegsentscheidend sein. So viele Söldner gibt es dort nicht. Sie hat jenseits der Ukraine keinen Mehrwert in einer normalen konventionellen Konfrontation. Bei einer möglichen Ecowas-Intervention reden wir von Tausenden Soldaten. Die Gruppe Wagner ist vor Ort nicht mal 120 Mann stark."
... wurde 1975 gegründet und hat 15 Mitgliedsstaaten in Westafrika. Diese sind Benin, Kap Verde, die Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea-Bissau, Liberia, Nigeria, Senegal, Sierra Leone und Togo. Niger, Burkina Faso, Guinea und Mali sind derzeit suspendiert.
Hauptziel des Staatenbundes war zunächst die Förderung wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Anschließend kamen Programme in den Bereichen Politik, Soziales, Kultur und Gesundheit hin. Ecowas ist die älteste und die aktivste afrikanische Regionalorganisation. Als zentral gilt das Protokoll zur Personenfreizügigkeit von 1979. Darin ist geregelt, dass sich Ecowas-Angehörige bis zu 90 Tage ohne Visum in den Mitgliedstaaten aufhalten und ihren Wohnsitz in der Region frei wählen können.
Den Vorsitz, der auf ein Jahr beschränkt ist, hat seit Juli Nigerias Präsident Bola Tinubu. Es gibt einen Ministerrat und ein Parlament mit 115 Sitzen. Die Abgeordneten werden jedoch nicht direkt gewählt.
1990 wurde die Beobachtergruppe Ecomog als militärischer Arm gegründet, um bei Konflikten in der Region einzugreifen. Das geschah erstmals im Bürgerkrieg in Liberia ab 1990 und zuletzt 2017 in Gambia unter dem Namen "Operation Wiederherstellung der Demokratie". Damals akzeptierte Langzeitherrscher Yahya Jammeh seine Wahlniederlage nicht.
Ecowas kommt in der Region aber vor allem eine Vermittlerfunktion in Krisen zu. Allerdings steht sie zunehmend in der Kritik. Als Malis Übergangsregierung unter Assimi Goita 2022 ankündigte, nicht wie geplant Präsidenten- und Parlamentswahlen zu organisieren, sanktionierte Ecowas das Land etwa durch Grenzschließungen. Monate später musste sie diese wieder aufheben. Quelle: KNA
Wie geht Wagner in Afrika vor?
Mit Wagner verbundene Unternehmen beliefern afrikanische Staaten mit einer Reihe an Militärgerät aus russischer Produktion - Kampfhubschrauber, Drohnen oder Panzerabwehrwaffen, plus die Ausbildung an diesem neuen Gerät. Es gibt auch Verträge über Kleidung und Verpflegung.
Eine ZDF-Dokumentation beleuchtet den Werdegang des russischen Söldner-Chefs Jewgeni Prigoschin.18.07.2023 | 10:01 min
Was Wagner für Regime wie in Niger interessant macht, ist, dass sie ohne Rücksicht auf Menschenrechte und gute Regierungsführung Waffen und Ausbildung bereitstellen. "Ein neugeschaffenes Regime kann sich damit absichern gegen einen neuen Putsch", sagt Pleyer. "Es ist aber nicht so, dass die Gruppe Wagner dieser große strategische Mastermind ist, der den afrikanischen Kontinent gegen uns richtet." Die Umstürze selbst hätten lokale Gründe und seien nicht von Wagner eingefädelt, so Pleyer.
Das zeigt sich auch an der sehr durchwachsenen Bilanz der bisherigen Wagner-Einsätze in Afrika. In Mosambik sei Wagner 2020 einen Vertrag mit der Regierung eingegangen - und nur sechs Monate später wurde die Gruppe wieder abberufen, so Pleyer. Im Kampf gegen Aufständische habe massive Verluste gegeben.
"Auch die 200 bis 250 Wagner-Söldner in Mali haben massive Probleme im Vorgehen gegen Dschihadisten. Bis auf die Zentralafrikanische Republik - dort sind sie sehr erfolgreich - ist es eher eine Geschichte von Rück- und Fehlschlägen."
Welche Interessen verfolgt die Gruppe Wagner?
Wagner geht es vor allem ums Geld. Die eigentlichen Beraterverträge seien dabei aber kaum profitabel, so Pleyer. Dafür aber einhergehende Schürf- oder Verkaufsrechte. "Die Wagner-Söldner lassen sich anwerben, um finanziell vom Handel mit Gold, Drogen oder Waffen zu profitieren. Damit genieren sie 500 Millionen Euro aufwärts - jedes Jahr, für den russischen Staat."
Die Wagner-Netzwerke sind dabei überaus komplex. Oft sind es nicht Wagner direkt, sondern Tarnunternehmen aus der Concord-Firmengruppe von Prigoschin, die Verträge in Afrika eingehen. Etwa die "Vereinigung unabhängiger russischer Soldaten", geführt werden die Gruppen oft vom Prigoschin-Vertrauten Alexander Ivanov. "Wagner ist auch nicht die einzige Firma, die das anbietet. Söldner sind in Afrika leider eine tägliche Realität", betont Pleyer.
Wie sollte die Europäische Union auf den Wagner-Einfluss reagieren?
Für den Militär-Experten Pleyer ist es wichtig, dass die politische Reaktion auf den Putsch in Niger nun nicht allein auf Wagner und einen möglichen russischen Einflussgewinn abzielt. "Die Gruppe Wagner darf man nicht überbewerten, wenn es um Niger oder Mali geht. Beide Länder haben eigene Probleme, die seit Jahrzehnten, seit der Unabhängigkeit existieren." Diese müssten im Fokus der europäischen Staaten stehen.
Wagner nutze anti-französische Narrative geschickt aus und befeuere das Narrativ, dass es noch immer europäische koloniale Strukturen gebe. "Dass Russland jetzt auf den Straßen gefeiert wird, geschieht, weil die Putschisten es so wollen. Sie wissen, dass westliche Staaten gerade stark auf die Gruppe Wagner reagieren", so Pleyer. "Die Gruppe Wagner lebt davon, dieses Chaos zu befeuern und so ihr Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten."
Die Ecowas-Staaten erhöhen den Druck auf die Putschisten im Niger. Der Staatenbund bildet eine Eingreiftruppe - trotzdem wird weiter eine friedliche Lösung angestrebt.