Attacken auf die Grünen: Partei der "falsche Buhmann"
Interview
Politische Attacken:Von Lucke: "Grüne sind der falsche Buhmann"
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Die Proteste nehmen zu, und die Angriffe verschärfen sich. Vor allem die Grünen stehen im Visier vieler Attacken. Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke über die Gründe.
Die Debatten am politischen Aschermittwoch wurden schärfer, Angriffe auf Politiker nehmen zu. Warum?15.02.2024 | 7:28 min
Die Proteste von Bauern in Deutschland halten an und erreichten am politischen Aschermittwoch ein neues Ausmaß: In Baden-Württemberg mussten die Grünen ihre Versammlung absagen. Grünen-Chefin Ricarda Lang wurde aggressiv beschimpft, ein Auto des Landwirtschaftsministeriums wurde beschädigt.
Auch die anderen Parteien hatten es in ihren Reden am Aschermittwoch vor allem auf die Grünen abgesehen. Die politische Debatte droht, sich weiter massiv zu verschärfen.
Quelle: Imago
... ist Jurist und Politikwissenschaftler. Außerdem arbeitet er als Redakteur und Autor für das Monatsmagazin "Blätter für deutsche und internationale Politik". In seinen Publikationen befasst er sich u.a. mit der Ampel-Regierung und der AfD.
ZDFheute: Erleben wir zunehmend eine Verrohung der politischen Debatte?
Albrecht von Lucke: Ja, absolut. Für mein Verständnis ist mittlerweile ein ganz, ganz heikler Moment erreicht. Ich will nicht von einem Kipppunkt sprechen; das ist ja ein Begriff, der eher aus der Naturwissenschaft kommt. Aber ich will schon daran erinnern: Auch eine Demokratie kann in Sphären umkippen, wo es nicht mehr zivil zugeht.
Und der Begriff der Zivilgesellschaft, an den wir uns so gewöhnt haben, entpuppt sich mittlerweile zum Teil als eine Gesellschaft, die hochaggressiv ist.
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Eine Gesellschaft, die Politiker attackiert und damit das untergräbt, was eine Demokratie im Kern ausmacht: dass sich Parteien - demokratisch gewählte Parteien - friedlich argumentativ auseinandersetzen können.
ZDFheute: Wie lässt sich denn die Wut erklären, die sich immer mehr Bahn bricht?
Von Lucke: Diese Wut hat sich sicherlich in den letzten Jahrzehnten aufgestaut. Sie hat viele Gründe. In der Globalisierung sind tatsächlich Probleme aufgekommen, die jetzt aufbrechen.
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Es protestieren ja nicht nur Bauern. Es schließen sich mittlerweile viele an. Und das ist natürlich auch - und das ist der konkrete Anlass - dem schwierigen Agieren in dieser Ampel-Koalition geschuldet:
Die Ampel hat in den letzten zwei Jahren nicht gut regiert. Sie hat vor allem durch Missstimmigkeiten Politik gemacht.
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Sie ist regelrecht als Kakophonie aufgetreten. Aber das Toxische - ich nenne es wirklich toxisch - ist die Tatsache, dass vor allem die Grünen jetzt ausschließlich als der Buhmann erscheinen.
Dabei sind die Grünen vor allem die Partei, die die Zumutungen versucht haben, den Menschen zu erklären - beziehungsweise deutlich zu machen: Eine Transformation der Gesellschaft zu Nachhaltigkeit wird auch mit Einbußen einhergehen. Und deshalb sind sie so ungemein leicht die Angriffsfläche für die Attacken von Populisten jeder Art.
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ZDFheute: Hat es denn vielleicht auch die Partei verpasst, die Menschen wirklich mitzunehmen bei der Transformation?
Von Lucke: Ja, unbedingt. Die Grünen haben große Fehler gemacht. Das gesteht Robert Habeck ja auch ein. Sie haben vor allem einen Fehler gemacht: Sie haben die Nachhaltigkeitsfrage, die Transformationsfrage, nicht hinreichend sozial abgesichert.
Aber sie haben natürlich auch das große Problem, dass mit der FDP eine Partei in der Regierung ist, die von Anfang an Opposition gegen die eigene Regierung gemacht hat.
In dem Augenblick, in dem die Grünen in die Regierung kamen, sind sie regelrecht zu einer fast toxischen Partei geworden. Keiner will die Grünen noch anpacken, weil alle Angst haben, dass sie damit etwas machen, was letztlich viele nicht wollen: Nämlich ein Stück weit für die Nachhaltigkeit, für die Sicherheit zukünftiger Generationen, auch gewisse Einbußen in der Gegenwart durchzusetzen. Das ist das, was vielen nicht gefällt, und deswegen reagiert sich die Aggression so stark an den Grünen ab.
In einem Interview erklärt Luisa Neubauer, dass Hass und Drohungen den Einsatz der Zivilgesellschaft erschweren würden. Auch Politiker würden Klimaaktivisten diffarmieren.
ZDFheute: Aber wie kann dies Transformation gelingen, ohne dass so viele Menschen auf die Barrikaden gehen?
Von Lucke: Sie wird nur gelingen, wenn tatsächlich der soziale Aspekt stärker in den Mittelpunkt gerät.
Ein ganz großer Fehler war die Tatsache, dass das Klimageld - was ja letztlich dafür sorgen sollte, dass die Einnahmen über die CO2-Abgaben den sozial Schwächeren zugutekommen - dass dieses Klimageld nicht durchgesetzt wurde. Dadurch ist eine Schlagseite entstanden.
Diejenigen, die eigentlich weit mehr zur Transformation beitragen könnten, also die Bessersituierten, werden nicht hinreichend solidarisch zur Kasse gebeten, aber die sozial Schwachen.
Die Transformation muss besser sozial eingebettet, besser erklärt werden; dann, meine ich, ist vieles möglich.
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Aber genau das hat diese Koalition nicht von Anfang an geleistet. Als dann der russische Angriffskrieg begann, plötzlich das billige Gas, das billige Öl wegfiel, schlug das plötzlich zu Buche.
Und das haben die Grünen jetzt zu erleiden, weil sie eigentlich die einzigen sind, die überhaupt diese ökologische Transformation betreiben wollen. Die FDP will es nicht, die Opposition CDU/CSU nicht und die AfD sowieso nicht.
Insofern sind die Grünen genau der falsche Buhmann in einer Zeit, in der wir die Transformation dringender brauchen denn je.
Das Interview führte NANO-Moderatorin Yve Fehring.
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