Putin äußert sich zu Prigoschins Tod - was wir wissen
Putin kondoliert Angehörigen:Wagner-Chef tot? Was bislang bekannt ist
von Julia Klaus
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Der Chef der Söldner-Truppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, ist offenbar tot. Seine Privatmaschine stürzte ab. Wurde sie abgeschossen? Präsident Putin bleibt vage - das wissen wir.
Bergungsarbeiten nach Flugzeugabsturz in der Region Twer in Russland.
Quelle: Reuters
Genau zwei Monate nach seinem Aufstand gegen Wladimir Putin ist der Chef der russischen Söldner-Truppe "Wagner" - Jewgeni Prigoschin - am Mittwoch, 23. August, abends mit einer Privatmaschine abgestürzt und offenbar ums Leben gekommen.
Wie hat Präsident Putin auf den Absturz reagiert?
Kremlchef Putin äußerte sich am Donnerstag erstmals zum Tod des Söldnerführers - bestätigte ihn allerdings nicht direkt. Er nannte Prigoschin einen "talentierten Menschen" mit einem schwierigen Schicksal. Und formulierte vorsichtig, dass "ersten Erkenntnissen zufolge" am Vorabend ein Flugzeug mit Angehörigen der Privatarmee Wagner abgestürzt sei.
Prigoschin im Porträt - Putins gefährlicher Koch
Putin sprach den Angehörigen sein Beileid aus. Er kündigte eine umfassende Aufklärung des Absturzes an. Diese habe begonnen, werde aber eine Zeit lang dauern, sagte er bei einem Treffen mit dem russischen Verwaltungschef von Donezk, Denis Puschilin.
Was ist über den Tod von Prigoschin bekannt?
Die russische Luftfahrtbehörde hatte am Mittwochabend mitgeteilt, dass der Wagner-Chef laut der Fluglinie gemeinsam mit neun anderen Insassen in der Maschine gesessen habe. Alle zehn Insassen sind laut dem Katastrophenschutzministerium tot. Auch der Telegram-Kanal "Grey Zone", den Prigoschin oft als Sprachrohr nutzte, bestätigte am Mittwochabend seinen Tod.
Putin hatte zum Zeitpunkt des Absturzes live im Fernsehen Veteranen geehrt, die gegen Deutschland im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatten.
Was wissen wir üben den Verlauf des Flugs?
Das abgestürzte Flugzeug vom Typ "Legacy 600" war am Mittwochabend in Moskau gestartet und auf dem Weg nach Sankt Petersburg, wo Prigoschins Firmen sitzen. Es stürzte nahe dem Dorf Kuschenkino in der ländlichen Region Twer ab. Die Maschine hatte ungefähr die Hälfte ihrer Strecke zurückgelegt.
Eine halbe Stunde nach ihrem Start verlor das Flugzeug an Höhe. Laut einer Analyse von "Flightradar 24" sank die Maschine in kurzer Zeit mehr als zwei Kilometer, hielt sich dort noch einige Sekunden und stürzte dann ab.
Eine weitere Privatmaschine der Wagner-Armee soll ebenfalls auf dem Weg von Moskau nach Sankt Petersburg gewesen sein. Laut "Grey Zone" sei sie abgedreht und im Flughafen Ostafjewo bei Moskau gelandet.
Wer war an Bord des Flugzeuges?
Neben dem Söldnerchef waren laut der veröffentlichten Passagierliste auch andere wichtige Führungsfiguren der Wagner-Gruppe an Bord der verunglückten Maschine. Wer sie sind:
Dmitri Utkin: Utkin war früher Offizier in einer Spezialeinheit, diente im Militärgeheimdienst GRU und kämpfte in Russlands Kriegen in Tschetschenien. Er gilt als Mitgründer von Wagner - die Truppe trägt auch seinen Kampfnamen - und war bis zuletzt militärischer Kommandeur und Ausbildungsleiter der Truppe, wie aus Recherchen von Dossier Center und Bellingcat hervorgeht.
Waleri Tschekalow: Tschekalow war der Logistik-Chef der Wagner-Gruppe. Der langjährige Angestellte des Prigoschin-Unternehmens Concord war verantwortlich für die Verwaltung des Söldnerapparats, den Kauf von Waffen und für Öl-, Gas- und Rohstoff-Geschäfte von Wagner in Syrien und Afrika, wie Lou Osborn sagte, Autor eines noch nicht erschienenen Buches über Söldner und ein Forscher bei dem Projekt All Eyes on Wagner, das sich mit den Aktivitäten der Söldnergruppe beschäftigt.
Jewgeni Makarjan: Er kämpfte für Wagner in Syrien, als die Truppe zur Unterstützung von Präsident Baschar al-Assad im Land war. Bei US-Luftangriffen während der Schlacht von Chasam im Jahr 2018 wurde er verwundet. Dutzende Wagner-Kämpfer kamen damals ums Leben, wie das Dossier Center recherchierte.
Über die anderen drei Wagner-Leute auf der Passagierliste ist noch wenig bekannt. Es handelte sich um Alexander Totmin, Sergej Propustin und Nikolaj Matussejew. Mindestens einer von ihnen kämpfte laut dem Dossier Center in einer Einheit, aus der Prigoschin seine persönlichen Leibwächter rekrutierte.
Neben Prigoschin und den sechs anderen Wagner-Leuten waren laut der Passagierliste auch drei Besatzungsmitglieder an Bord.
Das sagt Militärexperte Nico Lange bei ZDFheute live:
Wurde das Flugzeug abgeschossen?
Es ist unklar, wieso die "Legacy 600" abgestürzt ist. Als Ursache wird vor allem ein Abschuss durch eine Rakete oder die Explosion einer Bombe an Bord der Maschine vermutet:
Der Wagner-Kanal "Grey Zone" behauptet, der Flieger sei durch die Luftverteidigung abgeschossen worden. Darauf deuteten Kondensstreifen am Himmel hin.
Der Wetter-Experte Jörg Kachelmann schreibt ebenfalls, er halte es nicht für eine "natürliche Wolke", sondern "für die Kondensationsspur einer abgeschossenen Rakete".
Post von Jörg Kachelmann
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Mehrere russische Telegram-Kanäle vermuten, dass eine Bombe im Bereich des Fahrgestells der Maschine explodiert sein könnte - darunter der Kanal "Shot", der sich auf Ermittlerkreise beruft.
Die "New York Times" und andere US-Medien berichteten unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, vermutlich habe eine Explosion an Bord des Flugzeuges den Absturz ausgelöst. Eine endgültige Schlussfolgerung sei noch nicht gezogen.
Dem US-Militär liegen nach eigener Aussage keine Hinweise auf einen Abschuss vor. Es gebe "keine Informationen, die nahelegen, dass es eine Boden-Luft-Rakete gab", sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder. Berichte über eine Rakete seien "falsch". Zur Absturzursache könne er keine Angaben machen.
Erste Anzeichen deuten nicht auf Flugzeugunglück hin. Es ist womöglich der Sieg des Kreml über die Wagner-Gruppe - ein Signal an die Putschisten.
von Christian Mölling und András Rácz
Könnte Prigoschin untertauchen wollen?
Prigoschin stand auf der Passagierliste, doch ob er tatsächlich an Bord war, ist damit nicht bewiesen. Erst vor wenigen Tagen war ein Video aufgetaucht, das ihn in Afrika zeigen soll. Allerdings könnte das Video schon früher aufgenommen worden oder Prigoschin auch seitdem aus Afrika zurückgekehrt sein.
Fraglich ist, ob offiziellen russischen Untersuchungsergebnissen zu trauen ist, so ZDF-Korrespondent Armin Coerper in Moskau:
Prigoschins Tod war auch schon zweimal voreilig verkündet worden, erst im vergangenen Jahr in der Ukraine.
Offiziell sei "die Leiche bereits identifiziert, Prigoschin sei unter den Toten - Das ging viel zu schnell, als dass es da schon genetische Untersuchungen hätte gegeben haben können", so ZDF-Korrespondent Armin Coerper in Moskau. "Es wird keine Reaktion aus dem Kreml dazu geben".
24.08.2023 | 2:41 min
Prigoschin, der auch als Putins Koch bekannt wurde, stand zuletzt mächtig unter Druck. Er hatte im Juni den Aufstand gegen Putin gewagt und dabei Schwachstellen im russischen Machtapparat offengelegt. Damals war eine Wagner-Kolonne beim sogenannten "Marsch der Gerechtigkeit" auf Moskau zugerollt. Während des versuchten Putschs hatte Putin damit gedroht, doch es hatten kaum Konsequenzen gefolgt.
Prigoschin und seine Söldner wurden lediglich ins Exil nach Belarus geschickt. Ob dies also Putins späte Rache war? Einer autoritären Logik zufolge wäre es nachvollziehbar.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.