Pistorius in Litauen: "Nato steht zu ihren Alliierten"
Interview
Verteidigungsminister in Litauen:Pistorius: "Nato steht zu ihren Alliierten"
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Bei einem Besuch in Litauen hat Verteidigungsminister Pistorius angekündigt deutsche Soldaten nach Litauen zu verlegen. Über die Lage im Baltikum sprach er mit dem heute journal.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat bei einem Besuch in Litauen überraschend die Verlegung einer Brigade in das Nachbarland von Russland und Belarus angekündigt. Bis spätestens 2026 will die litauische Regierung die Waffen- und Munitionsdepots, Übungsplätze sowie Unterkünfte für die Truppe und ihre Familien bauen. Damit würde Litauen zu dem nach jetzigem Stand größten Truppenstandort der Bundeswehr im Ausland.
"Da liegt einiges im Argen", beurteilt der Bundesverteidigungsminister im heute journal-Interview die Lage in Russland. Man beschäftige sich mit der Sicherheitslage und habe ein wachsames Auge, denn "die Entwicklung ist durchaus beunruhigend".
Man müsse auf die Situation in Russland, die "sehr fragil, sehr volatil" sei, eingehen. Entscheidend sei, was nun in Russland passiere, welche Gerüchte sich bestätigten.
Das sagt Verteidigungsminister Pistorius zu der Frage...
... wo Wagner-Chef Prigoschin sich aufhält und wie es weitergeht:
"Darüber gibt es mindestens drei oder vier verschiedene Gerüchte oder Meldungen. Von daher würde ich mich daran gar nicht beteiligen. Entscheidend ist, dass wir gucken, wie ist die militärische Entwicklung und was passiert in den sensiblen Bereichen.
... ob die Sorge Litauens vor einer neuen Bedrohung aus Belarus gerechtfertigt ist:
"Das hängt eben davon ab, ob die Meldungen stimmen, oder ob es bloß Gerüchte sind, wo Prigoschin tatsächlich ist, mit seinen Truppen", sagt Pistorius.
"Selbst wenn er in Belarus wäre müsste das nicht zwangsläufig eine Bedrohung bedeuten, sondern könnte wiederum auch einen ganz anderen Hintergrund haben. Also auch da gilt, wir bewegen uns im Reich der Spekulation."
Die Situation ist ohnehin angespannt. Und gerade Litauen ist besonders exponiert. Von daher ist es dann auch gut, dass wir zufällig heute hier sind und diese Übung stattfindet, um deutlich zu machen, Deutschland, die Nato stehen zu unseren Alliierten hier an der Ostflanke."
... dass die Zusage der dauerhaften Stationierung einige überrascht haben dürfte:
"Der Bundeskanzler hat eine ähnliche Zusage vor einem Jahr gegenüber Litauen gemacht. Wir haben lange überlegt, wie und wann wir das bewerkstelligen können. Und klar ist, es gibt zwei Voraussetzungen, und dabei muss es leider noch bleiben.
Die erste Voraussetzung ist, dass der SACEUR (der Supreme Allied Commander Europe, Anm. der Redaktion), also der Befehlshaber, der Nato-General Cavoli, die militärische Flexibilität behält, die er braucht, entlang der Ostflanke. Er muss das beurteilen, welchen Wert das hat, und was dagegen spricht.
Und die zweite Voraussetzung ist, dass die Infrastruktur für eine Brigade in Litauen geschaffen wird. Und das ist keine Banalität. Wir reden über Unterkünfte, über Kasernen, über Übungsgelände, dann wenn Familien dazukommen unserer Soldatinnen und Soldaten geht es auch um Kindergärten und Schulen. Das baut man nicht mal eben so nebenbei in einem Jahr auf, und von daher reden wir hier über einen Prozess, und darüber haben wir heute gesprochen."
... ob dem SACEUR Flexibilität wichtiger sein könnte als eine dauerhafte Stationierung:
"Ich habe dafür keine konkreten Anhaltspunkte. Aber es gibt durchaus Gesichtspunkte, die dafür sprechen könnten. Aber das wird sich jetzt zeigen, dem will ich ausdrücklich nicht vorgreifen. Aber selbst wenn das so wäre, würde das ja nicht bedeuten, dass man gar nichts macht.
Also ich würde das jetzt einfach mal offen lassen und warten, wie die Original Plans dann diskutiert werden. Und welche Operational Plans sich daraus dann ergeben, denn die sind am Ende maßgebend."
Vor 30 Jahren zerbrach der Koloss Sowjetunion und entließ 15 Republiken in die Unabhängigkeit. 21.12.2021 | 43:59 min
... ob man Putin Konsequenzen aufzeigen müsste, die ein Angriff auf das AKW Saporischschja hätte:
"Also erstens glaube ich nicht, dass Putin sich abschrecken lässt, in seiner Art Entscheidungen zu treffen von irgendwelchen roten Linien, die im Westen aufgezeigt werden. Alle wissen eine solche Maßnahme, ein solcher Schritt gegen das Atomkraftwerk wäre ein schweres Kriegsverbrechen. Darüber gibt es keine zwei Meinungen.
Ob Putin sich davon abhalten lässt, wenn wir sagen, wir finden das gefährlich und verurteilen ihn dafür, wenn er es tut, das wage ich zu bezweifeln. Deswegen kommt es darauf an, dass wir uns geschlossen aufstellen und versuchen aufzuklären, was dort vor sich geht."
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