Nato-Gipfel in Litauen: Auf diese vier Köpfe kommt es an

    Wichtiges Treffen in Litauen:Nato-Gipfel: Auf diese vier Köpfe kommt es an

    Florian Neuhann
    von Florian Neuhann
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    In dieser Woche trifft sich die Nato zum vielleicht wichtigsten Gipfel des Jahres. Auf vier Akteure kommt es dabei besonders an - einer von ihnen könnte alles blockieren.

    Es ist der zweite Nato-Gipfel in Kriegszeiten - und er ist vielleicht noch wichtiger als der vor einem Jahr in Madrid. Im litauischen Vilnius sortiert sich die Nato in dieser Woche neu. Und sie empfängt wohl, erstmals zu einem Gipfel, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
    Bekommt der Gast vom Nato-Gipfel, was er will - eine klare Zusage, dass sein Land bald der Verteidigungsallianz beitreten darf? ZDFheute zeigt, auf wen es dabei ankommt.

    US-Präsident Joe Biden: Der Mann mit den Streubomben

    Dass bei Nato-Treffen die USA im Mittelpunkt stehen, liegt in der Natur der Sache: Die Verteidigungsallianz beruht auf der militärischen Stärke dieses Landes - genauso wie die westliche Unterstützung mit Waffen für die Ukraine. Doch pünktlich zum Gipfel bringt US-Präsident Joe Biden eine Entscheidung mit, die ihn erst recht ins Zentrum der Debatte rückt.
    US-Präsident Joe Biden
    Will der Ukraine Streumunition liefern: US-Präsident Joe Biden
    Quelle: IMAGO/MediaPunch

    Als erstes westliches Land wollen die USA der Ukraine auch Streumunition liefern - die von über 120 Staaten aufgrund ihrer verheerenden Wirkung für die Zivilbevölkerung geächtet wird.
    Und während die einen zumindest vor den Kulissen Verständnis signalisieren (die Bundesregierung "kann in der gegenwärtigen Situation den USA nicht in den Arm fallen" - so Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im ZDF-Sommerinterview) - regt sich anderswo im Bündnis, von Spanien bis Großbritannien, erstaunlich offene Kritik.
    Die Frage ist, ob der militärische Nutzen so hoch ist, dass er den moralischen Schaden an der Glaubwürdigkeit des Westens aufwiegt. Die Autorität der USA hat jedenfalls Risse bekommen.

    Estlands Premierministerin Kaja Kallas: Heimliche Anführerin des Ostens

    Wenn sich die Ukraine auf jemanden verlassen kann in den Reihen der Nato, dann auf die Staaten aus dem Baltikum. Seit Jahren drängen sie: auf mehr Truppen an der Ostflanke, höhere Verteidigungsausgaben insgesamt - und eine konkrete Beitrittsperspektive für die Ukraine.
    Als Anführerin dieser Staaten hat sich Kaja Kallas profiliert, die Ministerpräsidentin Estlands. In fließendem Englisch und mit markigen Worten prägt sie die Debatte.

    Die beste Sicherheitsgarantie für die Ukraine ist die Aufnahme in die Nato.

    Estlands Premierministerin Kaja Kallas

    Das sei kein Geschenk für die Ukraine - sondern "ein Gewinn für den ganzen Westen". Ob sie sich durchsetzt mit ihrer Forderung? Noch bis kurz vor den Gipfel, so berichten Diplomaten, wird um die Formulierung im Abschluss-Kommuniqué gerungen.
    Premierministerin von Estland, Kaja Kallas
    Setzt sich innerhalb der Nato sehr für die Ukraine ein: Estlands Premierministerin Kallas
    Quelle: Reuters

    Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz: Vorreiter und Bremser zugleich

    Als Russland seinen Krieg gegen die Ukraine begann, hatte Deutschland seine Rolle weg: die des Bremsers, der bloß 5.000 Helme liefern wollte. Über Monate wiederholte sich die Debatte dann in ermüdender Regelmäßigkeit: andere forderten die Lieferung neuer Waffensysteme - und nach zäher Debatte folgte Deutschland. Mittlerweile aber erkennen viele an, dass sich die Lage geändert hat.
    Ohne die deutschen Luftabwehrsysteme hätte die Ukraine ihren Kampf längst aufgeben müssen. Aus dem einstigen Bremser ist - beinahe - ein Vorreiter geworden. Nur in einer Frage bleibt die deutsche Position hart: Jetzt über eine Beitrittsperspektive für die Ukraine zu sprechen, das sei der falsche Zeitpunkt. Aktuell stehe die Unterstützung der Ukraine im Vordergrund, nicht eine Zusage für irgendwann.
    Bundeskanzler Olaf Scholz
    Will aktuell nicht über einen möglichen Nato-Beitritt der Ukraine sprechen: Bundeskanzler Olaf Scholz
    Quelle: Reuters

    Eine Position, bei der man sich mit der wichtigsten Stimme aus den Reihen der Nato einig ist: den USA. Auch Joe Biden will sich nicht zu sehr verpflichten. Statt einer Aufnahme in die Nato plädieren sowohl die USA als auch Deutschland für bilaterale Sicherheitszusagen an die Ukraine. Offen bleibt, wie hart diese Sicherheitszusagen sein können.

    Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan: Der Mann, der alles blockieren könnte

    Gut möglich, dass diesen Nato-Gipfel aber ein anderer Protagonist beherrscht - zumindest, wenn er nicht einlenkt: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Schon am Montag, dem Vortag des Gipfels, wird sich Erdogan in Vilnius mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson treffen.
    Gibt er hier seine Blockade gegen den schwedischen Nato-Beitritt auf, könnte die Nato aufatmen. Bleibt Erdogan jedoch hart, wäre es eine Blamage für die Allianz - und eine Genugtuung für Wladimir Putin.
    Türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan
    Könnte zum Zünglein an der Waage werden: der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan
    Quelle: imago/APAimages

    Viele in den Reihen der Nato wollen ihren Unmut nicht länger verbergen. Zumal Erdogan derzeit auch noch einen zweiten Meilenstein dieses Gipfels blockiert: die neuen Verteidigungspläne der Nato, die in Vilnius verabschiedet werden sollen. Sie legen detailliert fest, wie die Nato-Armeen im Fall eines Angriffs aus egal welcher Richtung reagieren würden.
    Erdogan aber stört sich, so ist zu hören, nicht an den Plänen als solchen. Sondern an den darin genutzten geografischen Bezeichnungen, wo ihm an mancher Stelle die türkischen Namen fehlen. Es ist eine absurd anmutende Petitesse. Doch auch hier ist unklar, wie der Streit ausgeht. Klar ist nur: Erdogan könnte diesen Gipfel zum Scheitern bringen.
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