Neue US-Lieferungen: Was macht Streumunition so gefährlich?
FAQ
US-Waffenlieferung an Ukraine:Was macht Streumunition so gefährlich?
von Jan Schneider
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Die USA wollen Kiew mit Streumunition versorgen, um die Gegenoffensive zu unterstützen. Doch der Waffentyp ist umstritten und wird von vielen Staaten geächtet. Warum ist das so?
Die Ukraine bemüht sich seit langem um Streumunition, um den russischen Angriffskrieg abzuwehren. Nun will die USA den Waffentyp liefern. Es sei eine schwierige Entscheidung gewesen, aber US-Präsident Joe Biden habe sich entschieden, diesen Schritt zu gehen, sagte dessen nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan am Freitagabend.
Es gibt aber erhebliche Bedenken über den Einsatz von Streumunition. Deutschland hat sogar ein internationales Abkommen unterschrieben, das diese Art Munition ächtet. Was macht Streumunition so gefährlich?
Streubomben: Wie funktionieren sie?
Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper - sogenannte Submunition - verstreuen oder freigeben. Der Munitionstyp wird kritisiert, weil ein erheblicher Prozentsatz der Sprengkörper oft nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und so die Bevölkerung gefährdet.
Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz produzieren einige Arten von Streumunition bis zu 40 Prozent Blindgänger. Sie bleiben zurück und stellen eine Gefahr für Zivilisten dar, die in ihre Nähe gelangen. Die US-Vertreter versprachen jedoch, bei der Streumunition, die an die Ukraine geliefert werden solle, liege diese Rate bei weniger als drei Prozent.
So sieht der Einsatz von Streumunition aus
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Deutschland und die meisten anderen europäischen Länder gehörten zu den rund 110 Unterzeichnerstaaten des Oslo-Übereinkommens, das den Einsatz und Transport, die Produktion und Lagerung von Streubomben untersagt. Das Übereinkommen, das umgangssprachlich auch "Streubomben-Konvention" genannt wird, ist bereits im August 2010 in Kraft getreten.
Russland und die Ukraine, aber auch die USA sowie die EU-Staaten Polen, Finnland, Griechenland, Rumänien, Estland und Lettland sowie mehrere Staaten des westlichen Balkan haben das Abkommen bisher nicht ratifiziert.
Trotz des Abkommen signalisierte die Bundesregierung heute Verständnis für die geplanten US-Lieferungen. Die Streumunition würde von der Ukraine in "einer besonderen Konstellation" verwendet:
Wie werden die Lieferungen gerechtfertigt?
"Der Einsatz von Streubomben in diesem Krieg ist legal", da sowohl Russland als auch die Ukraine das Osloer Übereinkommen nicht unterzeichnet haben, schreibt der Militärexperte Marcus Keupp bei Twitter.
Befürworter der Lieferungen geben außerdem an, dass weite Teile des Landes schon mit - größtenteils russischen - Minen und Submunition überzogen wurden und die Gefahr für die Zivilbevölkerung ohnehin besteht.
Außerdem geht man davon aus, dass die Ukraine die Geschosse nur im Kampfgebiet einsetzt und nicht wie Russland auch auf ukrainische Wohngebiete. Die Gefahr durch Blindgänger besteht also eher für vorrückende ukrainische Soldaten als für die Zivilbevölkerung.
Militärexperte Christian Mölling von der DGAP
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Kann Streumunition die ukrainische Gegenoffensive unterstützen?
Die Ukraine hofft darauf, mit Streumunition die russischen Linien durchbrechen und so ihre Gegenoffensive vorantreiben zu können. Nach Ansicht von Militärexperten ist das durchaus realistisch. Die russische Armee hat im Süden der Ukraine vier Verteidigungslinien mit Schützengräben aufgebaut, gegen diese Stellungen wäre Streumunition sehr effektiv.
Auch Pentagon-Sprecher Pat Ryder betonte, dass Streumunition der Ukraine helfen könne. Sie könne so bestückt werden, dass sie Panzerungen durchdringe oder mehrere Ziele gleichzeitig treffen könne. Das sei "eine Fähigkeit, die bei jeder Art von Gegenoffensive hilfreich wäre".
Beispiel für einen Frontverlauf
Wie kann man sich einen Frontverlauf im Ukraine-Krieg vorstellen? Die ukrainische Armee hat es mit einer kilometerweiten Anlage zu tun, die sie bei ihrer Gegenoffensive überwinden muss.
Quelle: ZDF
Der Pentagon-Sprecher unterstrich zudem, dass Russland in dem Konflikt bereits Streumition einsetzt - und zwar solche mit einer sehr hohen Quote an Blindgängern.
Warum liefern die USA genau jetzt Streumunition?
Die Rechtfertigung für die Lieferung ist weniger ein moralische Abwägung als eher eine logistische: Der Ukraine geht die Artilleriemunition aus und weder die USA als auch Europa können für ausreichend Nachschub sorgen.
Die USA haben aber noch 4,7 Millionen Stück Streumunition in ihren Lagern und daher beschlossen, diese an Kiew abzugeben. US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Lieferung in einem am Freitagabend veröffentlichten CNN-Interview als Übergangslösung.
Deshalb habe er schließlich die Empfehlung des Verteidigungsministeriums angenommen, Streumunition "nicht dauerhaft, sondern für eine Übergangszeit" zu liefern, bis die USA wieder in der Lage seien, mehr von der benötigten Artillerie zu produzieren.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.