Nato-Gipfel: Warum hat Erdogan nun doch zugestimmt?
FAQ
Schweden vor Nato-Beitritt:Warum hat Erdogan nun doch zugestimmt?
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Die Türkei gibt ihre Blockade gegen den Nato-Beitritt Schwedens auf. Wer profitiert, wie es nun weitergeht - und was Erdogan vom Westen im Gegenzug für die Zustimmung erhält.
Ein neuer Deal und viele Fragen: Wird Schweden jetzt Nato-Mitglied?11.07.2023 | 1:54 min
Kurz vor Beginn des Gipfeltreffens in Litauen hat der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montagabend ein Ende der türkischen Blockade der Bündniserweiterung angekündigt. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat demnach bei einem Treffen mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zugestimmt, das für den Beitritt Schwedens nötige Beitrittsprotokoll so bald wie möglich dem türkischen Parlament zur Zustimmung vorzulegen.
Zuvor hatte Kristersson einer umfangreichen Erklärung zugestimmt, in der sich Schweden unter anderem verpflichtet, einen Plan für die Terrorismusbekämpfung vorzulegen. Damit reagiert das Land - zusätzlich zu bereits erfolgten Schritten - auf den Vorwurf der Türkei, nicht ausreichend gegen "Terrororganisationen" wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorzugehen.
Wie schnell wird Schweden nun Nato-Mitglied? Und warum hat der türkische Präsident Erdogan nun doch zugestimmt? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Deal:
Wie Schweden und die Türkei in Vilnius mit ihrer Einigung überraschen:
Wann könnte Schweden nun der Nato beitreten?
Im Idealfall für Schweden übermittelt Erdogan das Beitrittsprotokoll nun wirklich in Kürze an das türkische Parlament und die Abgeordneten stimmen noch vor der parlamentarischen Sommerpause zu. Dann könnte Schweden im Herbst 32. Bündnismitglied sein.
Aufgrund früherer Erfahrungen mit Erdogan gibt es aber auch Befürchtungen, dass er irgendwann eine andere Interpretation der Abmachung reklamieren könnte - und dann zum Beispiel fordert, dass sich Schweden noch vor der Zustimmung des türkischen Parlaments aktiv für eine EU-Mitgliedschaft seines Landes einsetzen muss.
Die Nato ringt in Vilnius um Geschlossenheit:
Wie steht es um die ungarische Blockade-Haltung?
Nach der Zustimmung der Türkei hatte auch Ungarn ein positives Signal gegeben. Die Position des Landes sei klar: "Die Regierung unterstützt den Beitritt Stockholms zum Atlantischen Bündnis", erklärte Außenminister Peter Szijjarto.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban blockierte zuletzt die Nato-Beitritte Finnlands und Schwedens im Fahrwasser der Türkei, zu deren Präsident Recep Tayyip Erdogan er gute Beziehungen pflegt. Den jüngsten Beitritt Finnlands ließ Orban ebenfalls erst ratifizieren, nachdem die Türkei die Blockade ihrerseits beendet hatte. Ungarn hatte zuletzt erneut beteuert, sich der Aufnahme Schwedens nicht in den Weg stellen zu wollen, sollte die Türkei grünes Licht geben.
Was würde ein Nato-Beitritt für Schweden bedeuten?
Solange das skandinavische EU-Land nicht Nato-Mitglied ist, kann es im Fall eines Angriffs von außen nicht militärischen Beistand nach Artikel 5 des Nato-Vertrags einfordern. Zugleich dürften allzu große Zugeständnisse an die Türkei innenpolitische Risiken bergen und Gegnern der Nato-Mitgliedschaft in die Hände spielen.
Schweden hatte wie Finnland erst im Frühjahr 2022 unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Mitgliedschaft in der Nato beantragt. Zuvor hatten beide Länder jahrzehntelang um einen breiten Konsens in der Frage gerungen und wegen gespaltener Meinungen im Volk und in der Politik stets auf einen Aufnahmeantrag verzichtet.
Tweet von Jens Stoltenberg
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Für das Bündnis ist die Erklärung vom Montagabend eine große Erleichterung. Das Gipfeltreffen in Vilnius drohte vom Streit über die Blockade des schwedischen Beitritts überschattet zu werden. Nun können sich die Staats- und Regierungschefs auf die eigentlichen Themen des Gipfels konzentrieren. Dazu gehören vor allem die Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine und die Stärkung der eigenen Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten.
Eine Bündnis-Erweiterung würde nach Ansicht von Militärexperten der Verteidigung in Nordeuropa zugutekommen. Der Beitritt wäre demnach insbesondere aus strategischen Gründen attraktiv, weil dann die gesamte Ostseeküste - mit Ausnahme der Küste Russlands und seiner Exklave Kaliningrad - Nato-Gebiet wäre.
Ist Erdogans Angebot ein "Versuch der Erpressung"? Die ZDF-Korrespondenten Neuhann und Brase berichten:
Sind beim möglichen EU-Beitritt der Türkei schnelle Fortschritte denkbar?
Nein. Die Europäische Union wirft der politischen Führung in Ankara seit Jahren vor, demokratische und rechtsstaatliche Standards zu missachten. Eine Aufnahme der Türkei in die EU gilt deswegen auf Jahre hinaus als illusorisch - auch wenn EU-Ratspräsident Charles Michel am Montag per Twitter Entgegenkommen signalisierte und ankündigte, es sollten Möglichkeiten ausgelotet werden, wieder enger zu kooperieren und den Beziehungen neue Energie zu geben.
Tweet von Charles Michel
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Sicherlich spielen die Zugeständnisse der schwedienschen Regierung eine Rolle. Außenpolitiker Michael Roth (SPD) sieht auch einen Zusammenhang mit dem Versprechen der USA, F-16-Kampfjets an die Türkei zu liefern. Erdogan habe für seine Zustimmung ja auch was erhalten, sagte Außenpolitiker Michael Roth (SPD). "Erstens hat er der eigenen Landsmannschaft in der Türkei deutlich gemacht: 'Dem Westen habe ich es mal wieder so richtig gezeigt und auf den Tisch gehauen'", so Roth im ZDF Morgenmagazin.
Klugerweise hätte Biden mit der Zusage der F-16-Jets gewartet, um damit die wichtige Unterstützung der Türkei für den Nato-Beitritt Schwedens zu verhandeln, so der SPD-Politiker.
Nach Informationen des ZDF-Washington-Korrespondenten Elmar Theveßen wolle Biden nun ein entsprechendes Paket für die Lieferung von 40 Jets im Volumen von 20 Milliarden Dollar in den US-Kongress bringen.