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Analyse
Abbruch der Migrationsgespräche:Nur eine große Show?
von Mathis Feldhoff
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Hat die Union ihr Angebot zur Zusammenarbeit in der Migrationspolitik ernst gemeint? Oder waren die Forderungen bewusst zu hart für die Ampel? Der Versuch einer Annäherung.
In der Generaldebatte im Bundestag hat Olaf Scholz Oppositionsführer Merz Taschenspielertricks in der Asyldebatte vorgeworfen. Merz wehrte sich gegen die „infame Behauptung".11.09.2024 | 2:50 min
Es ist sicher keine Übertreibung, wenn man die migrationspolitischen Vorschläge der Union zu den Zurückweisungen an der Grenze als weitreichend bezeichnen würde. "Umfassend" sollten sie sein, hatte die Unionsfraktion in ihrem Vorstandsbeschluss von letzter Woche formuliert und diese zur Vorbedingung für ernsthafte Verhandlungen mit der Ampel gemacht.
Umfassend hätte in der praktischen Umsetzung bedeutet: Alle Personen, die kein Visum, keine Aufenthaltsberechtigung oder einen EU-Pass haben, werden künftig an den deutschen Grenzen abgewiesen. Eine Bedingung, die für die Ampel ganz objektiv ein schwer zu verdauender Brocken ist. Schon im Vorfeld hatten vor allem Vertreter der Grünen mit Skepsis reagiert, während SPD und FDP mit vorsichtigen Signalen Richtung Union blinkten.
Aber gab es realistischerweise überhaupt die Chance einer Einigung?
Ähnliches Szenario bereits 2015 geplant
Eigentlich ist die Idee der Union keine Neue. Schon im September 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, hatte die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel ein ähnliches Szenario vorbereitet, das erst in letzter Minute aus Furcht vor den unpopulären Bildern abgeblasen wurde. Aber das war die Zeit der großen Koalition. Insbesondere die Grünen, zu deren Kern-DNA eine liberale Migrationspolitik gehört, waren damals nicht dabei.
Und so scheint es nicht verwunderlich, wenn man aus der Äußerung von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die schon vor dem Scheitern der Gespräche von einem außenpolitischen Schaden sprach, eine Ablehnung der CDU-Pläne lesen würde. Man müsse "die Kraft haben, für gesamteuropäische Lösungen und nicht in Alleingänge zu verfallen - die Kraft haben, Europa, unsere Freizügigkeit, unsere Lebensversicherung auch mit Schengen zu verteidigen, anstatt sie zu gefährden", so Baerbock.
Die Union habe das Spitzentreffen zur Migration "nicht besonders ernst gemeint", sagt der Co-Vorsitzende der Grünen, Omid Nouripour. Die Tür bleibe aber offen für Gespräche.11.09.2024 | 4:37 min
Schuldfrage wird in der Öffentlichkeit geführt
Als die Gespräche am Nachmittag eingestellt wurden, begann das Schwarze-Peter-Spiel um die Schuldfrage. Denn anders als 2015, als die Grenzschließungsidee einer großen Öffentlichkeit zunächst verborgen blieb, wird sie in diesen Tagen vor der versammelten Öffentlichkeit geführt.
Nancy Faeser (l.), Marco Buschmann, Annalena Baerbock (r.) bei der Pressekonferenz nach den Gesprächen mit der Union.
Quelle: dpa
Bei der eilig einberufenen Pressekonferenz sah man dann auch eine sichtlich zufriedene Baerbock: "Offensichtlich waren jetzt einige Herren, muss man sagen, überrascht, dass wir im Team hier spielen", sagte sie auf dem Podium, auf dem die Ampel ihre Einigkeit demonstrierte.
FDP-Justizminister Marco Buschmann, der zwar anerkannte, dass es zu Änderungen kommen müsse, verwies auf die geltende Rechtslage, die das CDU-Modell nicht berücksichtige.
Die Union dagegen, hält der Regierung eine Art Entscheidungsunwillen vor, als hätte man schon zuvor geahnt, dass die Koalition sich unmöglich darauf einlassen könnte.
So ist jedenfalls Friedrich Merz (CDU) zu verstehen, als er zwar den Abbruch bedauerte, aber auch sagte, das sei "die Realität dieser Ampel" und von Koalitionspartnern, die "immer weniger zusammenfinden". Aber wer hat jetzt Recht? Hat die Union bewusst überzogen oder wollte oder konnte die Ampel einfach nicht?
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Eigenes Zurückweisungsmodell der Ampel
Dass die Union mit ihren Forderungen einen Nerv auch in der Ampel getroffen hat, zeigt die offenbar hektische Arbeit im Innen-, Justiz- und Außenministerium über das vergangene Wochenende. So wenig wie man öffentlich die Bedingungen der Union kommentiert, um so eifriger arbeitet man einem eigenen Vorschlag zur Zurückweisung von Asylbewerbern.
Auch in der Ampel ist längst klar, dass die bisherige Praxis, Migranten erstmal aufzunehmen und nach der Verteilung im Land deren Aufenthaltsstatus zu klären, nicht mehr zeitgemäß ist. Zu viele Kommunen ächzen unter der Last der Unterbringung und der nicht zu gewährleistenden Integration. Es fehlt an Betten, Ärzten, Kita- und Schulplätzen.
Im dann verbreiteten Zurückweisungsplan setzt die Ampel auf Prüfungen an der Grenze, Verfahren im Eiltempo, Haftzentren in Grenznähe und auf Kooperationen mit den Anrainerstaaten. Ein Modell, dass der Union deutlich zu wenig war.
„Wir brauchen in dieser Situation klare Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration, wir brauchen ein wirkliches Stoppschild an den deutschen Grenzen“, so Boris Rhein.
10.09.2024 | 4:45 min
Alle sind gescheitert
Ob das Ampel-Modell überhaupt funktioniert, muss sich erst mal erweisen. Jedenfalls wäre eine 24/7-entscheidungsfähige Verwaltung ein echtes Novum. Ob es allerdings den Migrationsdruck in den Kommunen senkt, ist offen. Jedenfalls verwahrte sich der CDU-Vorsitzende am Mittwoch gegen den Vorwurf, der Unionsvorstoß sei eine Inszenierung.
Das sei "infam", sagte er in Richtung Bundeskanzler Olaf Scholz, der Merz zuvor vorgeworfen hatte, er sei der Typ Politiker, der glaube mit einem Bild-am-Sonntag-Interview die Migrationsfrage lösen zu können.
Und so bleibt der Eindruck, dass mit dem Abbruch der Gespräche wohl alle verloren haben: Die Opposition, deren Antreiben der Ampel gescheitert ist und die Ampel, die zwar zusammengehalten hat, aber deren eigener Plan eher wirr als praxistauglich scheint.
Quelle: ZDF
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