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Analyse
Einigung nach Verhandlungen:Was die EU-Asylreform bewirken soll
von Isabelle Schaefers, Brüssel
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Das Asylsystem in der EU wird mit dem Ziel, die irreguläre Migration einzudämmen, grundlegend reformiert. Nach Jahren der Diskussion gibt es nun eine Einigung: Ist damit alles gut?
EU-Staaten, Parlament und Kommission haben sich auf eine Reform des europäischen Asylsystems verständigt. Im Kern geht es um schärfere Regeln und Asylverfahren an den Außengrenzen.20.12.2023 | 3:01 min
Das Asylsystem in der EU wird grundlegend reformiert. Nach jahrelangen Diskussionen verständigten sich Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments final auf entsprechende Gesetzestexte. Das teilen die spanische Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission am Mittwochmorgen mit.
Vorgesehen sind zahlreiche Verschärfungen der bisherigen Regeln. Ziel ist es, die irreguläre Migration einzudämmen. Die Einigung muss noch vom Plenum des Europaparlaments und den EU-Staaten bestätigt werden. Das ist normalerweise eine Formalität.
Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was sieht die Reform vor?
Die Reform des gemeinsamen Europäischen Asylsystems sieht unter anderem vor:
- Dass beschleunigte Asylverfahren an den EU-Außengrenzen stattfinden - für diejenigen, die sowieso nur geringe Chancen auf Asyl haben. Die sogenannten Grenzverfahren.
- Außerdem sollen Flüchtlinge innerhalb der EU solidarischer verteilt werden.
- Die Länder, die ihren Anteil an Flüchtlingen nicht aufnehmen wollen, müssen stattdessen Geld zahlen.
- Zudem soll das Konzept des sicheren Drittstaates ausgeweitet werden. Das heißt: Asylbewerber können ohne Asylprüfung in diese Drittstaaten zurückgewiesen werden.
Großbritannien will seine Flüchtlinge nach Ruanda abschieben, in Frankreich wird über Macrons Einwanderungsreform diskutiert und Italiens Ministerpräsidentin Meloni will die illegale Migration eindämmen.18.12.2023 | 3:30 min
Wie ist die Reform zustande gekommen?
Im Juni gelang das, was lange als der schwierigste Teil einer Asylreform betrachtet wurde: eine Einigung unter den EU-Mitgliedsstaaten. Die Positionen zwischen schärferen Asylregeln und mehr humanitären Standards lagen weit auseinander. Alle musste Zugeständnisse machen, um die nötige qualifizierte Mehrheit zu erreichen.
Deutschland konnte sich dabei nicht durchsetzen, etwa Familien mit Kindern von den neuen lagerartigen Grenzverfahren auszunehmen. Und setzte darauf, dass das Europaparlament in den Trilogverhandlungen hier nachbessern würde. Ungarn und Polen waren letztlich die Einzigen, die dagegen stimmten - vor allem, weil sie die verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen nicht mittragen wollten.
Warum ist der Druck gestiegen?
In den Trilogverhandlungen zwischen Mitgliedsstaaten und Europaparlament zeigte sich schnell: die Reform war mit der Ratseinigung noch lange nicht durch. Das Europaparlament versuchte in vielen Punkte mehr humanitäre Standards zu verhandeln - etwa bessere Bedingungen für die Unterbringung in den Lagern an den Außengrenzen.
Doch es zeigte sich genauso schnell: der Spielraum in Richtung Parlament war klein. Zu groß war das Risiko, dass einige Mitgliedsstaaten wieder abspringen könnten. Zuletzt wurde der Druck immer größer. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beschwor die Abgeordneten, einzulenken:
Was soll die Reform bringen?
Die Details des Deals werden erst nach und nach finalisiert und öffentlich gemacht. Ob die Reform tatsächlich zu dem Ziel beiträgt, die irreguläre Migration zu begrenzen - und somit die Anzahl der nach Europa kommenden Flüchtlinge - bezweifeln aber jetzt schon viele. Migrationsforscher Gerald Knaus meint:
Der Migrationsexperte Gerald Knaus sieht in der EU-Reform für irreguläre Migranten "keinen Grund, nicht in die Boote zu steigen." Die EU stoße an ihre Grenzen, so Knaus. 20.12.2023 | 4:56 min
Was sich in Brüssel aber alle erhoffen, ist eine positive Wirkung der Einigung vor den Europawahlen. "Es ist keine perfekte Lösung. Aber was wir auf dem Tisch liegen haben, ist besser als alles, was wir in der Vergangenheit hatten. Wir zeigen, dass Europa liefern kann," so Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Eine Nicht-Einigung hätte den Rechtspopulisten in die Hände gespielt, so die Sorge vieler. Deshalb nun eine Einigung um fast jeden Preis.
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