Israel-Experte: Es sollte Kritik hageln an Justizreform

    Berlins Umgang mit Justizreform:Israel-Experte: Es sollte Kritik hageln

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    Der israelische Historiker Zimmermann fordert wegen der Justizreform Druck auf die Regierung Netanjahu.

    Prof. Moshe Zimmermann | Israelischer Historiker
    "Diese israelische Regierung ist eine Gefahr für die israelische Demokratie", so Prof. Moshe Zimmermann, israelischer Historiker, zum Widerstand gegen die Justizreform.26.07.2023 | 5:18 min
    Politiker von CDU, SPD und FDP haben mit Blick auf die Justizreform in Israel scharfe Kritik an der dortigen Regierung geäußert und die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert. "Aus Deutschland sollten mehr als klare Worte erfolgen", sagte CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter dem "Tagesspiegel".
    Es könne "beispielsweise das Gespräch mit dem israelischen Botschafter gesucht" werden, schlug Kiesewetter vor. Die Verabschiedung der sogenannten Angemessenheitsklausel durch die Knesset am Montag nannte er "bitter".

    Experte: Druck auf Israels Regierung möglich

    So sieht es auch der israelische Historiker Moshe Zimmermann. "Kritik soll es jetzt meines Erachtens sogar hageln", forderte er im ZDF-Morgenmagazin. "Man muss selbstverständlich auf die israelische Regierung Druck ausüben."
    Schwarze Titelseiten in Israel
    In Israel reißen nach dem "Ja" des Parlaments zur Justizreform die Proteste nicht ab. Die Gesellschaft ist tiefer gespalten als je zuvor. Immer mehr Kritik kommt auch aus dem Ausland.26.07.2023 | 1:47 min
    Justizminister Marco Buschmann hatte sich zuvor ebenfalls kritisch geäußert. Israel sei "immer ein Leuchtfeuer für Demokratie und Rechtsstaat im Nahen Osten" gewesen, sagte Buschmann dem "Spiegel". "Viele Freunde Israels haben die Sorge, dass dieses Licht nun nicht unbedingt heller scheint." Zimmermann befürwortet Buschmanns Äußerung und fordert weiteren Druck.

    Das was Israel jetzt unternimmt, ist antidemokratisch. Diese Regierung ist eine Gefahr für die israelische Demokratie.

    Moshe Zimmermann, israelischer Historiker

    Zimmermann betont, es müsse unterschieden werden zwischen Israel und der israelischen Regierung. Im Grunde sei die deutsche Haltung proisraelisch. Kritik an dem Verhalten der Regierung jetzt bedeute nicht, dass Deutschland sich prinzipiell von Israel distanziere, so der Professor, der mehrere Jahre in Deutschland lehrte.
    Auslöser der Kritik: Das israelische Parlament hatte ungeachtet anhaltender Proteste im Land am Montag einen entscheidenden Teil der Justizreform der Regierung von Benjamin Netanjahu gebilligt.

    SPD-Politiker Robbe: "Netanjahu ist jedes Mittel recht"

    Auch der FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte sagte, "unter Freunden müsse man darauf hinweisen, dass Israel mit der Justizreform einen falschen Weg einschlägt". Zur Demokratie gehöre "die Gewaltenteilung und die Beschränkung der Macht der Regierung". Israel werde durch die Reformen "leider etwas weniger demokratisch", sagte Lechte dem "Tagesspiegel".
    Shimon Stein zur Justizreform in Israel
    Der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland, Shimon Stein, über die Justizreform in Israel.25.07.2023 | 6:27 min
    Der frühere Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe (SPD), äußerte sich über die Entwicklungen in Israel enttäuscht. Die Entmachtung des Obersten Gerichtes habe Robbe zufolge zwei Ziele: Für die Ultraorthodoxen und Rechtsradikalen sei es der Einstieg in einen totalitären "Gottesstaat", der in eine Diktatur zu münden drohe.

    Und Netanjahu ist jedes Mittel recht, um eine Anklage wegen Korruption und Machtmissbrauch abzuwenden.

    Reinhold Robbe, Ex-Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft

    Die über 75 Jahre in Israel entwickelte "vorbildliche Demokratie" werde "von Netanjahu jetzt mit Füßen getreten", sagte Robbe. Notwendig sei jetzt eine massive Unterstützung der Demokratie-Aktivisten in Israel, forderte er.

    Oberster Gerichtshof befasst sich mit sich selbst

    In Israel haben Bürgerrechtsgruppen beim Obersten Gerichtshof Petitionen eingereicht. Darin fordern sie, dass das neue Gesetz gekippt wird. Das Gericht, gegen das sich die Reform richtet, soll sich nun also selbst damit befassen. Der israelische Historiker Zimmermann sieht aber wenig Hoffnung auf Erfolg:

    Diese Regierung ist rechtsextrem, die ist sehr hartnäckig, die wird die Entscheidung des Obergerichts überrumpeln - oder das mindestens versuchen.

    Moshe Zimmermann, israelischer Historiker

    Es werde davon ausgegangen, wenn man die Mehrheit im Parlament hat, hat man das Recht, alles zu tun, so Zimmermann. "Und die Parteien, die in der Regierung vertreten sind, werden eben das tun."
    Quelle: AFP, ZDF

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