Terrorismus-Experte: IS hat es wieder zurück geschafft
Interview
Bedrohung für Westeuropa:Terrorismus-Experte: IS ist wieder zurück
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Die islamistische Bedrohung sei in den vergangenen Monaten sehr stark angestiegen, so Terrorismus-Experte Neumann. Doch Abschiebungen von Gefährdern seien in der Praxis schwierig.
Sehen Sie hier das Interview mit Peter Neumann in voller Länge.06.06.2024 | 4:47 min
Nächste Woche beginnt in Deutschland die Fußball-EM. Wie gefährlich das werden kann, von welcher terroristischen Gruppe aktuell die größte Gefahr ausgeht, und was in Sachen Abschiebungen getan werden muss - dazu hat Terrorismus-Experte Peter Neumann Antworten.
Der Politikwissenschaftler forscht am King's College in London und ist Experte für internationalen Terrorismus.
Sehen Sie das Gespräch oben im Video in voller Länge oder lesen Sie es unten in Auszügen.
Im Gespräch mit dem ZDF heute journal stellt Neumann fest, dass ...
... die islamistische Bedrohung gestiegen ist
Auf der einen Seite hat der Experte Vertrauen in die Behörden, dass ausreichend Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. "Man bereitet sich schon seit Monaten auf diesen Fall vor", sagt Neumann. Auf der anderen Seite sei insbesondere die islamistische Bedrohung in den letzten sieben, acht Monaten wieder sehr stark angestiegen.
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... der IS-Ableger in Afghanistan aktuell die aggressivste IS-Gruppe ist
Es brodele "ganz schön in der Szene. Die Gefahr ist natürlich, dass man sich die Olympiade oder die EM als Ziel aussucht". Die Drohungen seien vom ISPK - dem IS-Ableger in Afghanistan - auch schon ausgesprochen worden.
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"Das ist momentan die ambitionierteste und aggressivste Gruppe des IS", so Neumann. Sie seien für den Anschlag in Moskau verantwortlich und hätten auch bereits fünf Anschläge in Westeuropa versucht. "Die sind hochprofessionell, die sind sehr ambitioniert und sind netzwerk-mäßig aufgestellt. Die wären dazu in der Lage."
Lange Zeit habe es nur die sogenannten Einzeltäter gegeben, so Neumann. Jetzt hätten wir wieder "eine strukturierte, eine netzwerk-mäßig aufgestellte Gefahr in Form des ISPK". Das sei eine Situation, "die hatten wir zuletzt vor zehn Jahren, als IS auf dem Höhepunkt war und ich befürchte, dass uns da noch einiges bevorsteht".
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... die größte Bedrohung in Deutschland islamistischer Terrorismus ist
Der sogenannte Islamische Staat sei nie ganz weg gewesen, so Neumann. "Der IS war stark reduziert 2018/19. Es war ganz wenig von ihm übrig in Syrien und im Irak - also dort, wo das sogenannte Kalifat existiert hatte.
Die Probleme, die den IS motiviert hätten, wurden niemals gelöst. Einzig die Strukturen seien zerstört worden, und jetzt wieder am Entstehen. "Deswegen würde ich sogar so weit gehen und sagen: Aktuell ist die größte terroristische Bedrohung in Deutschland, in Westeuropa, wieder der islamistische, der dschihadistische Terrorismus."
In Mannheim endete der Messerangriff eines Afghanen tödlich. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte daraufhin an, Schwerstkriminelle künftig auch wieder nach Afghanistan und Syrien abzuschieben. Neumann wünscht sich von der Politik mehr Engagement statt leerer Phrasen.
Quelle: ZDF
... istProfessor für Sicherheitsstudien am King's College London und Gründer des International Centre for the Study of Radicalisation, das zu den weltweit führenden Forschungsinstituten im Bereich der Terrorismusforschung zählt.
Das koste viel politisches Kapital, denn in der Praxis seien Abschiebungen schwierig, auch weil es einen Stau bei den Gerichtsverfahren gebe. "Das bedeutet, dass man das absolut zu einer Priorität machen muss. Einfach ankündigen, reicht nicht", so Neumann.
Das Interview führte ZDF-Moderatorin Marietta Slomka. Zusammengefasst hat es ZDF-Redakteurin Katharina Schuster.