Deutschland als Steuerparadies: Was kosten uns die Reichen?
Faktencheck
Deutschland als Steuerparadies:Backgroundcheck: Was kosten uns die Reichen?
von Oliver Klein
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Deutschland ist ein Steuerparadies - aber nur für Superreiche, deren Vermögen ständig wächst, genau wie die Kluft zwischen Arm und Reich. Der Staat lässt sich Milliarden entgehen.
Zahlen Multimillionäre in Deutschland wirklich nur halb so viele Steuern wie Durchschnittsverdiener? Ein ZDFheute-Backgroundcheck über die Steuertricks der Superreichen.23.11.2024 | 18:08 min
Deutschland - ein Land, das sich gern als soziale Marktwirtschaft präsentiert. Doch hinter den Kulissen zeigt sich eine andere Realität: Während Arbeitseinkommen vergleichsweise hoch besteuert werden, genießen Einkommen durch Kapitalerträge, Schenkungen oder große Erbschaften Privilegien, die kaum zu rechtfertigen sind.
Die Folge: Eine zunehmende Kluft zwischen Wohlstand und Armut in Deutschland, während dem Staat jährlich Milliarden durch die Finger gleiten - Geld, das beispielsweise für Bildung, Infrastruktur und soziale Sicherheit fehlt. Wie konnte es soweit kommen? Und was bedeutet das für unsere Gesellschaft? Der ZDF-Backgroundcheck wirft einen Blick auf unser Steuersystem und die Rolle der Reichen.
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Dramatische Vermögensungleichheit in Deutschland
Die Vermögensungleichheit in Deutschland gehört zu den extremsten in Europa: Während die untere Hälfte der Bevölkerung kaum Vermögen besitzt, kontrollieren die obersten zehn Prozent über 60 Prozent des gesamten Vermögens. In Deutschland leben etwa 3.300 Superreiche mit mehr als 100 Millionen Dollar Finanzvermögen - damit liegt Deutschland weltweit auf Platz 3.
Und deren Vermögen wächst ständig, die Ungleichheit nimmt also weiter zu: Neues Vermögen landet zu über 80 Prozent bei dem reichsten einen Prozent der Gesellschaft.
Nettovermögen in Deutschland
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Generell bevorzugt unser Steuersystem Reiche: Deutschland erhebt auf Arbeitseinkommen eine der weltweit höchsten Steuerlasten - die Abgaben reichen von 14 bis zu 45 Prozent. Wer viel verdient, muss also auch viel Steuern zahlen - zumindest in der Theorie. In der Realität zahlen Multimillionäre aber oft nur rund 21 Prozent, knapp die Hälfte des Höchststeuersatzes.
Denn: Reiche beziehen einen Großteil ihres Einkommens nicht aus Arbeit - sondern aus ihrem Vermögen, das vergleichsweise gering besteuert wird. Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bringt es auf den Punkt: Mittlere Arbeitseinkommen würden in Deutschland "so hoch besteuert wie in kaum einem anderen Land und Vermögen so niedrig wie kaum woanders". Wenn Menschen arbeiten, müssen sie mehr Steuern zahlen, als wenn ihr Geld arbeitet.
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Gerade bei Erbschaften und Schenkungen zeigt sich eine grundsätzliche Ungerechtigkeit des Systems: Durch steuerliche Hintertüren und Ausnahmen können superreiche Familiendynastien insbesondere Firmenanteile weitgehend steuerfrei von einer Generation an die nächste weitergeben.
Ein Beispiel für eine geradezu absurd anmutende steuerliche Regelung ist die sogenannte "Verschonungsbedarfsprüfung" - mit ihr kann die Steuerlast bei einer Erbschaft oder Schenkung unter bestimmten Voraussetzungen auf Null sinken.
Einfach erklärt: Das Finanzamt prüft, ob jemand genug eigenes Vermögen flüssig hat, um Erbschafts- oder Schenkungssteuer zu zahlen. Ist das nicht der Fall, kann die Steuer teilweise oder ganz erlassen werden - selbst, wenn Milliardenwerte vererbt oder verschenkt wurden. Allein durch diese Regelung entgingen dem Staat im vergangenen Jahr über zwei Milliarden Euro.
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Zusätzlich wurden in den vergangenen Jahren zum Beispiel die Körperschaftssteuer oder Unternehmenssteuern gesenkt. Dazu kommen weitere, ganz legale Tricks, beispielsweise bei der Kapitalertragssteuer: "Bei Milliardären und bei Superreichen entfällt die, weil die sich ihre Gewinne auf eine sogenannte Beteiligungsgesellschaft auszahlen, also auf eine Spardose der Superreichen würde ich's nennen", erklärt Julia Jirmann.
Die Entscheidung mit der wohl größten Tragweite war jedoch die Aussetzung der Vermögensteuer, unter Kanzler Helmut Kohl im Jahr 1997. Damit sind Deutschland seitdem schätzungsweise rund 400 Milliarden Euro verloren gegangen. Doch bislang scheiterte eine Reform an politischem Willen und mächtigen Lobbygruppen.
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Selbst manche Superreiche fordern höhere Steuern
Verbände wie "Die Familienunternehmer" - in denen eine Reihe von Großunternehmen wie die Oetker-Gruppe, Bahlsen oder BMW Mitglied sind - investieren Millionen in Lobbyarbeit, um Reformen wie die Vermögensteuer zu blockieren. "Wer viel Geld hat, kann sich Gehör verschaffen", sagt der Ökonom Marice Höfgen, der für einen Linken-Abgeordneten im Bundestag arbeitet.
Aber es gibt einen Lichtblick: Die Finanzminister der G20-Staaten wollen bei der Besteuerung von Superreichen zusammenarbeiten. In den USA forderte Joe Biden vor Kurzem eine Mindeststeuer auf das Einkommen von Milliardären und Milliardärinnen und sogar Bill Gates will inzwischen höhere Steuern für Superreiche.
SPD: Vermögenssteuer für sehr hohe Vermögen, höhere Besteuerung sehr großer Erbschaften
CDU/CSU: keine Vermögensteuer, keine höhere Erbschaftssteuer, Entlastung bei Eigenheimen
FDP: keine Vermögensteuer, Anhebung der Freibeträge bei der Erbschaftssteuer, Entlastung bei Eigenheimen
AfD: keine Vermögenssteuer, Abschaffung der Erbschaftssteuer
Grüne: hohe Erbschaftsbeträge stärker besteuern
Linke: Vermögensarten steuerlich gleich behandeln, Spitzensteuersatz von 60 Prozent auf Erbschaften
BSW: hohe Vermögen und Erbschaften stärker besteuern
Steuern mit höheren Abgaben für Hochvermögende hätten nicht nur einen finanziellen Effekt, sondern würden auch das Vertrauen in die Gerechtigkeit des Steuersystems stärken. Ein System, das Superreiche immer reicher macht, während Millionen Menschen in Armut leben, ist langfristig kaum tragfähig.