Maßnahme gegen Ungleichheit:Ist eine Reform der Erbschaftssteuer möglich?
von Jan Schneider
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Mehrere Parteien sprechen sich für eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer aus. Deutschland könnte damit einige Haushaltslöcher stopfen. Wie könnte das aussehen?
Gut 100 Jahre gab es in Deutschland eine Vermögensteuer, die dem Staat damals Milliarden in die Haushaltskasse spülte. Doch 1997 wurde sie plötzlich "ausgesetzt". Wie kam es dazu? 14.10.2024 | 34:28 min
Es fehlt Geld in Deutschland: Laut Finanzminister Christian Lindner wird das Loch im Haushalt in den nächsten Jahren eher größer als kleiner. Gleichzeitig sind Vermögen sehr ungleich verteilt: Die oberen zehn Prozent der Bevölkerung besitzen fast 60 Prozent des Gesamtvermögens. Die unteren 40 Prozent haben dagegen gar kein Vermögen oder sogar Schulden.
In dieser Debatte wird immer wieder auch eine gerechtere Gestaltung der Erbschafts- und Schenkungssteuer diskutiert. Die SPD forderte nach ihrer Klausurtagung Mitte Oktober "eine gerechte Erbschaftssteuer", CDU-Politiker Mathias Middelberg sprach in einem ZDF-Interview von einer Erbschaftssteuer, "die ordentlich zupackt".
Auch Dr. Andrä Gärber, Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, sieht in einer Reform dieser Steuer einen Schlüssel zur Verringerung der Vermögenskonzentration und zur Stärkung der Staatsfinanzen. Doch wie könnte eine solche Reform aussehen?
Erbschaftssteuer: Das "Betroffenheitsparadoxon" auflösen
Ein Hauptproblem bei der öffentlichen Wahrnehmung der Erbschaftssteuer ist das sogenannte "Betroffenheitsparadoxon". "Viele Leute glauben, wenn man die Erbschaftssteuer reformiert, höhere Sätze einführt, die Ausnahmetatbestände rausnimmt, werden sie auch betroffen", erklärt Gärber im Gespräch mit ZDFheute.
Schätzungen zufolge werden in Deutschland pro Jahr 400 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt. Als Grundsatz gilt dabei: Je enger verwandt, desto höher der Freibetrag. Steuerfrei sind demnach:
Auch das Haus, in dem der oder die Verstorbene gewohnt hat, kann steuerfrei geerbt werden:
Werden diese Freibeträge überschritten sind je nach Höhe des Erbes oder der Schenkung zwischen sieben und 30 Prozent Steuern fällig.
- für Ehe- und eingetragene Lebenspartner und -partnerinnen 500.000 Euro,
- für Kinder 400.000 Euro,
- für Enkel, deren Eltern noch leben 200.000 Euro,
- für Geschwister und andere Erben 20.000 Euro steuerfrei.
Auch das Haus, in dem der oder die Verstorbene gewohnt hat, kann steuerfrei geerbt werden:
- Ehe- und eingetragene Lebenspartner und -partnerinnen können das gesamte Haus erben.
- Kinder können bis zu einer Wohnfläche von 200 Quadratmetern erben.
Werden diese Freibeträge überschritten sind je nach Höhe des Erbes oder der Schenkung zwischen sieben und 30 Prozent Steuern fällig.
Um dieses Paradoxon aufzulösen, schlägt Gärber zwei Maßnahmen vor:
Eine Erhöhung der Freibeträge: Es solle "ein lebenslanger Freibetrag" von mindestens einer Million Euro eingeführt werden, "damit den Leuten auch klar wird: oh, wir sind überhaupt nicht betroffen". Die Zusammenlegung von Erbschafts- und Schenkungssteuer zu einer einzigen lebenslangen Transfersteuer würde das System außerdem transparenter und verständlicher machen.
- Freibeträge beim Erben: Ab wann Erbschaftssteuer gezahlt werden muss
- Nachlass spenden: Mit dem Erbe Gutes tun
Reform der Besteuerung großer Vermögen
Ein zentraler Punkt der Reform wäre die Änderung der Besteuerung sehr großer Vermögen, insbesondere von Betriebsvermögen. Gärber kritisiert dabei die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung, die ab einer Übertragung von 26 Millionen greifen kann:
Um das zu ändern, schlägt Gärber vor, die Ausnahmetatbestände für große Vermögen abzuschaffen oder zu reformieren. Außerdem sollten die Steuersätze mit der Höhe des geerbten Vermögens ansteigen. Um Betriebsvermögen zu schützen, solle es Möglichkeiten zur Steuerstundung oder Ratenzahlung geben, um Liquiditätsprobleme zu vermeiden.
Interessengruppen wie die Stiftung Familienunternehmen und Politik widersprechen diesem Vorschlag deutlich: Die Erbschaftsteuer gehe "in Familienunternehmen an die Substanz". Vermögen müsse in den Betrieben bleiben, um Arbeitsplätze und künftiges Wachstum zu finanzieren.
Ist eine solche Reform politisch umsetzbar?
Eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer ist politisch mit einigen Hürden versehen. Zum einen ist das Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht ein Bundesrecht. Das Steueraufkommen steht aber den Bundesländern und nicht dem Bund zu. Der würde zwar auch profitieren, wenn die Länder weniger finanzielle Unterstützung bräuchten, grundsätzlich müsste sich aber der Bund an ein unpopuläres Thema heranwagen - Stichwort "Betroffenheitsparadox" - um den Ländern mehr Geld in die Kassen zu bringen.
Gleichzeitig gibt es einigen Widerstand von Interessengruppen gegen eine solche Reform: Mit starkem Lobbying vonseiten großer Unternehmen und Vermögensbesitzer ist zu rechnen.
Fazit: Mehr Steuergerechtigkeit wäre möglich
Eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer in Deutschland birgt das Potenzial, zu mehr Steuergerechtigkeit beizutragen und die Staatsfinanzen zu stärken. Konservativ geschätzt könnte Deutschland dadurch jährlich fünf Milliarden Euro mehr einnehmen, schätzt Andrä Gärber. Mögliche negative Folgen - wie der Verlust von Arbeitsplätzen durch die Besteuerung - wurden in Studien des Finanzministeriums und der OECD nicht bestätigt.
Der Schlüssel zum Erfolg könnte in einer klaren Kommunikation liegen, die das "Betroffenheitsparadoxon" auflöst. Eine neue Regelung müsste sowohl die Interessen der Allgemeinheit als auch die berechtigten Anliegen von Unternehmen berücksichtigt. Angesichts des finanziellen Drucks, gerade in den Bundesländern, könnten diese ein Treiber für Reformen sein, so Gärber.
Quelle: ZDF
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