Parteienfinanzierung: Gelder in Millionenhöhe ohne Nachweis

    Mangelnde Transparenz:Parteigelder in Millionenhöhe ohne Nachweis

    von J. Halbe, M. Heßlinger, T. Schober, S. Stahl
    |

    Die Parteien im Bundestag machen den Großteil ihrer Zuwendungen nicht transparent. 2022 blieben rund 100 Millionen Euro ohne öffentlichen Nachweis, zeigen ZDF-frontal-Recherchen.

    Blick in den Plenarsaal im Deutschen Bundestag.
    In den meisten Fällen bleibt unklar, wer den Bundestagsparteien Geld spendet. (Symbolbild)
    Quelle: pa/dpa-Bildfunk

    Wer sind die Unternehmen, Verbände, Politiker und Privatpersonen, die Geld an deutsche Parteien zahlen? Bei rund 77 Prozent aller Zuwendungen kann diese Frage mit den Rechenschaftsberichten nicht beantwortet werden. Das zeigt eine internationale Recherche von ZDF frontal, initiiert von Follow the Money mit 24 weiteren Medien sowie der Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol.
    Allein 2022 blieb der Ursprung von rund 100 Millionen Euro aus Spenden und Mandatsbeiträgen unbekannt - das ist die europaweit höchste Summe an nicht-öffentlich einsehbaren Zuwendungen an Parteien. Damit schneidet Deutschland in Sachen Transparenz im EU-weiten Vergleich bei der Parteienfinanzierung besonders schlecht ab.
    Helmut Kohl vor Flick-Untersuchungsausschuss.
    Geschichte der Parteien- und Spendenaffären13.11.2018 | 1:47 min

    Parteiengesetz: Umstrittene Grenze von 10.000 Euro

    Die Gründe dafür liegen im Parteiengesetz. Nur wer mehr als 10.000 Euro zahlt, muss namentlich in den öffentlichen Rechenschaftsberichten der Parteien aufgeführt werden. Der Großteil der Spenden und Zuwendungen aber liegt unter dieser Schwelle.
    Hinter dem Anteil aus unbekannter Herkunft können sich einerseits kleine Spenden und Beiträge von Parteimitgliedern in politischen Ämtern verbergen, andererseits aber auch taktisch gestückelte Spenden von 9.999 Euro oder weniger, die aus diesem Grund nicht in den Parteiberichten auftauchen.
    AfD-Logo
    Neue Belege für Wahlkampfhilfe in Millionenhöhe15.09.2021 | 8:54 min

    CDU mit meisten Spenden und Zuwendungen

    Nach Auswertung der Daten ergibt sich für die Bundestagsparteien folgendes Bild: Mit 36 Millionen Euro nahm die CDU die höchste Summe an Zuwendungen von Personen, also Spenden und Mandatsbeiträge, entgegen, 87 Prozent davon blieben ohne öffentlichen Nachweis - aufgrund der Veröffentlichungsschwelle. Noch höher war dabei der Anteil der Spenden und Beiträge unbekannter Herkunft bei der CSU mit 89 Prozent. Die SPD kommt auf rund 27 Millionen Euro Privatspenden und Beiträge ohne öffentlichen Beleg - das ergibt einen Anteil von 78 Prozent.  
    Zuwendungen natürlicher Personen 2022

    ZDFheute Infografik

    Ein Klick für den Datenschutz
    Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
    Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Unternehmensspenden für 2022: Auch hier war der Betrag für die CDU - rund sieben Millionen Euro - als auch der Anteil der Unternehmensspenden unbekannter Herkunft mit 78 Prozent am höchsten.
    Unternehmens- und Verbandsspenden 2022

    ZDFheute Infografik

    Ein Klick für den Datenschutz
    Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.

    Geld vom Hauptverdächtigen eines Schleuserrings?

    Ein Großteil der Zuwendungen dürfte sich aus kleinen Spenden von Privatpersonen und Beiträgen von Politikern zusammensetzen. Doch auch eine absichtliche Stückelung, um die Herkunft der Spenden zu verbergen, ist möglich.
    Im Mai erst machte die CDU eine mögliche Stückelung nachträglich öffentlich: Der Hauptverdächtige eines Schleuserrings in NRW hatte in den vergangenen drei Jahren rund 50.000 Euro an unterschiedliche Kreisverbände der CDU gespendet. Der größte Teil der Spenden erschien in den Rechenschaftsberichten nicht, weil der Anwalt wiederholt 9.990 Euro und weniger an Kreisverbände von verschiedenen Unternehmen aus spendete.
    Richter im Bundesverfassungsgericht.
    2018 hatten Union und SPD ein Gesetz beschlossen, dass Parteien mehr Geld vom Staat bekommen. Die Opposition klagte dagegen. Das Bundesverfassungsgericht gab der Klage im Januar 2023 statt.24.01.2023 | 2:00 min
    In einem Fall geht die Staatsanwaltschaft laut Medienberichten einem Anfangsverdacht nach, es könne zu einer Gegenleistung für das Schleuser-Netzwerk gekommen sein. Der betroffene CDU-Kreis betont auf Anfrage, dass keine Verletzungen des Parteiengesetzes durch die Spenden nach gegenwärtigem Kenntnisstand erkennbar seien. Der Beschuldigte reagierte nicht auf Anfrage.
    Auch die SPD Solingen veröffentlichte nachträglich zwei Spenden von jeweils 9.500 Euro aus dem nahen Umfeld eines Verdächtigen in dem Fall. Der Geschäftsführer des Unterbezirks in Solingen weist darauf hin, dass Erwartungsspenden nicht angenommen werden dürften und keine der Beträge zweckgebunden gewesen seien.

    Strengere Regelung scheiterte an der Union

    Nichtregierungsorganisationen wie Transparency International Deutschland fordern daher neben einer Deckelung auch eine Veröffentlichungspflicht schon ab 2.000 Euro.
    Ursprünglich wollte die Ampel-Regierung die Veröffentlichungsschwelle von Spenden nach unten korrigieren; im Koalitionsvertrag hatten sie sich auf 7.500 Euro als neue Grenze geeinigt. Doch in der jüngsten Gesetzesänderung fehlt diese Verschärfung. Das Vorhaben scheiterte nach ZDF-Informationen an der fehlenden Zustimmung von CDU und CSU.
    Zwar hätten die Ampel-Parteien das Gesetz auch ohne sie beschließen können, bei gesetzlichen Neuregelungen, die alle Parteien betreffen, sei parteiübergreifender Konsens aber Brauch, heißt es aus der Koalition.




    Kritik aus dem Europarat

    Für die Überprüfung der Angaben in den Rechenschaftsberichten sind im Referat für Parteienfinanzierung im Bundestag zweieinhalb Stellen für Volljuristen vorgesehen. Diese sind der Bundestagspräsidentin unterstellt, die ebenfalls einer Partei angehört. Schon 2019 hat der Europarat diese Konstellation kritisiert.
    Hinzu komme ein weiteres Problem: Die Arbeit des Referats bleibt oft oberflächlich - Originalbelege begutachten die Mitarbeitenden nicht, ihr Hauptaugenmerk ist die Plausibilität.

    Mehr zu Parteispenden