Nach Anschlag in Solingen: Merz erwartet Zusage von Scholz

    Nach Anschlag in Solingen:Merz erwartet von Scholz Bruch mit Ampel

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Atmosphärisch war es ein "sehr gutes Gespräch", sagt CDU-Chef Merz. In der Sache scheint er mit Kanzler Scholz noch nicht einig zu sein. Was sich nach Solingen ändert, ist offen.

    Friedrich Merz
    Am Vormittag sprachen Kanzler Scholz und Oppositionsführer Merz über Konsequenzen nach dem Anschlag. Scholz hatte bereits eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt.27.08.2024 | 1:32 min
    Konkretes gibt es nach dem Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz und Unions-Fraktionschef Friedrich Merz noch nicht. Gut eine Stunde haben Kanzlerpartei und größte Oppositionspartei über mögliche Konsequenzen nach dem Messeranschlag von Solingen beraten. Scholz habe laut Merz zugesagt, dass er die Vorschläge bedenken will. "Er wird das nicht ausschlagen", war Merz am Nachmittag in der Bundespressekonferenz sicher.
    Scholz reagierte im ZDF auf Merz' Angebot: Es sei "eine gute Sache", wenn die Opposition mit der Regierung zusammenarbeiten wolle. Die Ampel habe schon viele Gesetze geändert, um mehr Menschen abzuschieben. "Da sind Erfolge, aber sie reichen nicht", sagte Scholz. An die internationalen Verträge und das Grundgesetz will er nicht: "Das Individualrecht auf Asyl bleibt erhalten."
    Scholz: "Individualrecht auf Asyl bleibt."
    Bundeskanzler Scholz will nicht pauschal Afghanen und Syrer an der Grenze zurückweisen, aber Grenzkontrollen sollen weiter solange wie möglich durchgeführt werden. 27.08.2024 | 10:12 min

    Merz will mehrere Gesetze ändern

    Merz hatte am Vormittag Scholz angeboten, in der kommenden Sitzungswoche des Bundestages konkrete Schritte einzuleiten, um die Zuwanderung zu verringern. Beide Seiten, SPD und Union, sollten jeweils eine Person benennen, um diese vorzubereiten. So sollten laut Merz mehrere Gesetze geändert werden, wie etwa das Asylbewerberleistungsgesetz, das Aufenthaltsgesetz oder der Vorratsdatenspeicherung.
    Außerdem sollten Menschen an den Außengrenzen, die bereits über ein anderes Land nach Europa eingereist sind, nicht ins Land gelassen werden. Möglich wäre, die nationale Notlage auszurufen und damit Europäische Regelungen auszusetzen. Nach den Dublin-Regeln ist derjenige EU-Staat für ein Asylverfahren zuständig, in dem ein Flüchtling ankommt. 

    Es gibt kein Tabu. Wir können über alle Gesetze reden.

    Friedrich Merz (CDU)

    ZDF-Rechtsexperte Jan Henrich bei ZDFheute live.
    Interessant sei vor allem, was Friedrich Merz nicht gesagt habe, so ZDF-Rechtsexperte Jan Henrich. Die konkreten Vorschläge blieben weit hinter den zuletzt geäußerten Forderungen. 27.08.2024 | 10:13 min

    Keine "Bitte zur Aufnahme in die Regierung"

    Merz versteht sein Angebot an Scholz nicht als "Bitte, in die Regierung aufgenommen zu werden". Man wende sich an alle Parteien in der Regierung, die guten Willens seien - FDP und Grüne, die mit der SPD die Regierung von Scholz bilden, sind es offensichtlich nicht. Union und SPD haben, so Merz, eine Mehrheit im Bundestag und könnten so Änderungen der Rechtslage durchsetzen. Seine Partei sei "nicht unschuldig" an der illegalen Migration, sagte Merz. Sie sei aber seit 2021 wieder größer geworden. Aber "so, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben."
    So viele Flüchtlinge leben in Deutschland
    ZDFheute Infografik
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    Mit Parteitaktik auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am Sonntag habe sein Angebot nichts zu tun, sagte Merz. Aber man erlebe einen Kontrollverlust, dem er nicht mehr zuschauen könne. "Wir müssen das Problem gemeinsam lösen", so Merz.
    Es dürfe nicht mehr Thema im Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr sein. Er habe nicht mühsam die CDU wieder aufgebaut, um dann in einen Abwärtsstrudel mit hinein gezogen zu werden. Denn, so Merz:

    Dem Bundeskanzler entgleitet das eigene Land.

    Friedrich Merz (CDU)

    SPD-Vorsitzende Saskia Esken im Gespräch mit ZDF-Mima-Moderatorin Mirjam Meinhardt
    Bei der Umsetzung der verschärften Abschieberegelungen sieht SPD-Chefin Esken die Länder in der Pflicht: Die "müssen die Verbesserungen jetzt auch umsetzen."27.08.2024 | 5:39 min

    Treffen lange geplant

    Scholz und Merz hatten sich am Vormittag eine gute Stunde lang getroffen. Das Treffen war seit langem geplant gewesen. Ursprünglich sollte es um die Stationierung der US-Mittelstreckenraketen gehen.
    Bei dem Stadtfest in Solingen waren am Freitag drei Menschen mit einem Messer getötet und acht Menschen verletzt worden, vier von ihnen schwer. Der mutmaßliche Täter Issa Al H., ein 26-jähriger Syrer, sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Mordes. Er soll Mitglied in der Terrormiliz IS gewesen sein.
    Bundesfinanzminister Marco Buschmann im ARD-Morgenmagazin.
    Nach dem Anschlag in Solingen gibt es eine Debatte über konsequentere Abschiebungen. Bundesjustizminister Buschmann spricht über mögliche Konsequenzen für die Migrationspolitik.27.08.2024 | 0:37 min
    Merz hatte seit dem Anschlag einen Forderungskatalog aufgestellt und Kanzler Scholz zum Handeln aufgefordert. "Es reicht", hatte er am Montagabend bei einer Wahlkampfveranstaltung in Dresden gesagt. Viele Vorschläge jetzt seien "dumme Redensarten bis hin zu rein symbolischen politischen Entscheidungen." Scholz forderte er auf, seinem Amtseid nachzukommen und Schaden vom Volk abzuwenden.
    Wenn Scholz keine eigene Mehrheit in seiner Regierung für Änderungen habe, so Merz, könne die Union einspringen.
    Asylanträge pro Jahr
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    Weidel: Opfer könnten noch leben

    AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel hatte das Treffen der beiden als "völlig bedeutungslosen Gipfel" bezeichnet. Es "simuliere" Aktivität kurz vor den Landtagswahlen. Weidel beschuldigte das von der CDU geführte Land Nordrhein-Westfalen den Tod der drei Menschen nicht verhindert zu haben. Der Täter war bereits ausreisepflichtig, eine Abschiebung nach Bulgarien scheiterte jedoch. Wenn die Union regiere, werde es nicht besser, so Weidel:

    Alle Opfer könnten noch leben, würde die CDU ihre großspurigen Ankündigungen tatsächlich umsetzen.

    AfD-Vorsitzende Alice Weidel

    Schuldzuweisungen nach Terrortat
    :Nach Solingen: Blame Game in der Politik

    Wer trägt die politische Verantwortung für den Messerangriff in Solingen? Kurz vor den Landtagswahlen schieben sich die Parteien in dieser Frage gegenseitig die Schuld zu.
    von Nicole Diekmann und Adrian Lächele
    Konsequenzen nach Messerattacke Solingen
    mit Video

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