Landrätin: Woran Abschiebungen in den Kommunen scheitern
Interview
Landrätin von Bad Kreuznach:Woran Abschiebungen in den Kommunen scheitern
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Der mutmaßliche Täter von Solingen war ausreisepflichtig. Die Landrätin von Bad Kreuznach schildert ZDFheute die Schwierigkeiten der Kommunen und des Dublin-Systems.
Die Flüchtlinge wüssten, wann die akuten Wochen sind, in denen sie ausgewiesen werden könnten und seien dann oft nicht in den Unterkünften, so die Landrätin Bettina Dickes.26.08.2024 | 12:23 min
Nach dem Anschlag in Solingen mit drei Toten und mehreren Verletzten sitzt ein syrischer Asylbewerber in Untersuchungshaft. Nun wird wieder einmal darüber diskutiert, wie man dafür Sorge tragen kann, dass ausreisepflichtige Asylbewerber Deutschland auch wirklich verlassen.
Bettina Dickes, Landrätin in Bad Kreuznach (CDU), schildert bei ZDFheute live, wie sie die Betreuung von Geflüchteten in den vergangenen Jahren in ihrem Landkreis erlebt hat und womit die Behörden bei Abschiebungen zu kämpfen haben.
Sehen Sie das gesamte Gespräch oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen.
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Grund dafür seien unter anderem die Zeitabläufe, "weil wir tatsächlich ja nur diese besagten sechs Monate haben, innerhalb derer Dublin noch greift", sagt die Landrätin. "Wenn diese sechs Monate vorbei sind, dann wird der Fall komplett in Deutschland nochmal neu behandelt." Die Menschen kämen dann zunächst einmal in eine Erstaufnahmeeinrichtung - für einige Wochen bis Monate. "Dann kommen sie zu uns in die Kommune. Dann können wir das Verfahren starten", erklärt Dickes.
... ist ein zentraler Bestandteil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Hat ein Dublin-Staat die Einreise einer Person durch die Ausstellung eines Visums oder anderen Aufenthaltstitels ermöglicht und beantragt diese Person im späteren Verlauf internationalen Schutz, ist der ausstellende Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Quelle: UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR)
... woran Abschiebungen ihrer Erfahrung nach scheitern
In einem aktuellen Fall habe es beispielsweise über drei Monate gedauert, bis man für die Person einen Platz in einer Maschine nach Bulgarien kriegen konnte. "Aber bis der junge Mann bei uns war und wir anfangen konnten, einen Flug zu buchen, waren die sechs Monate schon wieder vorbei", beschreibt Landrätin Dickes die Situation.
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Das mache es sehr schwierig. "Und viele Länder nehmen Dublin-Flüchtlinge gar nicht mehr zurück: Italien und Griechenland sind da sehr strikt im Moment." Oftmals scheitere es dann auch an nicht vorhandenen Papieren.
Hinzu kämen teils auch Härtefall-Verfahren, bei denen "sich irgendjemand auch an die Landesregierung wendet und sagt: 'Das ist aber eine ungewöhnliche Härte, der Mensch muss doch unbedingt in Deutschland bleiben.' Mitglieder der Härtefall-Kommission haben hier schon angerufen und gesagt, sie würden niemals eine Abschiebung nach Griechenland, Italien, Bulgarien zustimmen, weil das für sie menschenunwürdige Verhältnisse sind." Neben der Gesetzeslage führt das laut Dickes vor Ort zu praktischen Problemen.
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, fordert eine Verschärfung des Waffengesetzes, insbesondere bei Messern. Messer hätten in der Öffentlichkeit nichts zu suchen.
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... wieso geplante Abschiebungen in der Praxis oft scheitern
Die Menschen, bei denen die Möglichkeit bestehe, sie wieder als Dublin-Flüchtlinge zu überstellen, wüssten auch um diesen Umstand, sagt Dickes. "Die wissen genau: Jetzt sind die zwei oder drei akuten Wochen."
Wenn es sich um einzelne Wohnungen handele, könne es sein, dass sie sich dann in einer ganz anderen Wohneinrichtung aufhielten. "Aber wir sind ja sogar in der Problematik, wenn wir eine Flüchtlingsunterkunft haben, in der 50 Menschen leben, dürfen wir nicht einfach an anderen Türen klopfen und in die Zimmer gehen. Das heißt: Im Prinzip bräuchte er nur ins Nachbarzimmer zu gehen und wir kommen schon nicht dran", betont die Landrätin.
Der mutmaßliche Täter von Solingen war ausreisepflichtig. Die Landrätin von Bad Kreuznach schildert ZDFheute die Schwierigkeiten der Kommunen und des Dublin-Systems.