Die Linke: Ziemlich weit unten, aber längst nicht weg

    Die Linke nach Wagenknecht:Ziemlich weit unten, aber längst nicht weg

    Dorthe Ferber
    von Dorthe Ferber
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    Wie weiter ohne Wagenknecht? Die Krise diszipliniert die Linke auf dem Parteitag in Augsburg. Sie will mit neuem Auftritt, neuem Programm und neuen Köpfen zur Europawahl antreten.

    Neustart, Aufbruch, Comeback - Worte, die in den Augsburger Messehallen beim Linken-Parteitag viel zu hören waren. Die Linke verordnet sich Zuversicht nach dem Abgang ihres Stars Sahra Wagenknecht und deren Anhängern.
    Es ist eine dezimierte Partei, die da zusammenkommt, das zeigen die leeren roten Stuhlreihen in der Tagungshalle. Aber eine weniger zerstrittene Partei, auch das zeigt sich.

    Linke einigt sich auf Programm zur Europawahl

    "Lasst uns auch untereinander wieder vertrauen", ruft Parteichefin Janine Wissler in den Saal. Die verbleibenden Reihen geschlossen halten, darum geht es in Augsburg. Und es gelingt leidlich. Die Partei einigt sich auf ein Programm zur Europawahl: Mindestlohn von 15 Euro, höhere Steuern für Vermögende, möglichst wenig Einschränkungen bei der Asylpolitik.
    Sie feiert ihre Europa-Spitzenkandidaten, vor allem die beiden Parteilosen, die Klimaaktivistin Carola Rackete und den Armenarzt Gerhard Trabert. Racketes Kandidatur galt als umstritten. Die frühere Kapitänin eines Seenotrettungsschiffes soll vor allem Junge locken, nur fürchteten manche, die Frau mit den Dreadlocks könne bei Älteren nicht gut ankommen. Am Ende wird Rackete mit fast 80 Prozent der Stimmen gewählt - ein Zeichen.
    Krise-der-Linke
    Ein Signal der Erneuerung soll vom Parteitag ausgehen, mehr Profil, weniger Streit. Doch wie geeint sind die Genossen wirklich?18.11.2023 | 3:25 min
    Die Linke setzt auf ihr Alleinstellungsmerkmal im Parteienspektrum: Wenn alle Parteien bei der Migrationspolitik nach rechts rücken, bleiben wir auf linkem Asylrecht-Kurs. Das klare Profil soll der Partei das Überleben sichern.

    Bizarre Auftritte und Buh-Rufe

    Störungsfrei geht das natürlich nicht bei der Linken. Mit einem bizarren Auftritt nutzt ein Mann aus Hamburg seine Redezeit für Wagenknecht-Lobeshymnen, um dann auf offener Bühne seinen Parteiaustritt zu erklären.
    In der Debatte zur Nahostpolitik spricht ein Anderer von "Genozid" an Palästinensern und erntet dafür Buh-Rufe im Saal. Später wird mit großer Mehrheit ein Antrag beschlossen, der das Existenzrecht Israels anerkennt und die Massaker der Hamas verurteilt. Einigung bei einem unter Linken umstrittenen Thema, die Partei in der Krise diszipliniert.

    An Nikolaus kommt das Fraktions-Aus

    Mit neuem Logo, neuer Kampagne und Neumitgliedern am Rednerpult wird in Augsburg die Losung "Wir sind wieder da" beschworen. Angesichts bescheidener Umfragewerte ist das derzeit eher Wunschdenken. Erstmal kommt an Nikolaus das Fraktions-Aus. Eine Niederlage, so nennt das Noch-Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch in seiner Rede.
    Nachdem Sahra Wagenknecht und neun weitere Abgeordnete eine Konkurrenzpartei gründen wollen, verbleiben 28 Linke im Bundestag. Sie könnten eine sogenannte "parlamentarische Gruppe" bilden. Noch wird gerätselt, ob dann auch wirklich alle 28 dabei oder weitere Abgänge zu erwarten sind.

    Zukunft der Linken im Bundestag ungewiss

    Auch aus einem anderen Grund ist die Zukunft der Linken im Bundestag ungewiss. Am 19. Dezember will das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die Bundestagswahl in Berlin nach den Pannen bei der Bundestagswahl 2021 ganz oder teilweise wiederholt werden muss.
    Eine solche Wahlwiederholung könnte die Linke besonders treffen, war sie doch 2021 in Fraktionsstärke nur wegen ihrer drei Direktmandate in den Bundestag eingezogen. Zwei davon stammten aus Berlin: Gregor Gysi und Gesine Lötzsch müssten bei einer Wahlwiederholung erneut ihre Sitze gewinnen, damit sämtliche der Linken-Abgeordneten im Bundestag bleiben dürfen.
    Ob es eine parlamentarische Linke als politisches Kraftzentrum geben wird, ist weiter ungewiss. Ob die Linke es schafft, mit mehr Geschlossenheit und klarerem Profil Menschen zu überzeugen, ist genauso ungewiss. Die Linke setzt jedenfalls darauf - es könnte ihre letzte Chance sein.

    Parteitag beschließt Kampagne
    :"Lust zu kämpfen": Linke plant Erneuerung

    Es liegen stürmische Wochen hinter der Linken. Doch die Partei gibt sich entschlossen und will sich erneuern. Man habe "Lust zu kämpfen", sagt Parteichef Schirdewan im ZDF.
    Bayern, Augsburg: Martin Schirdewan (l) und Janine Wissler, Vorsitzende der Partei Die Linke, stehen beim Parteitag auf der Bühne.

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