Oskar Lafontaine: "Immer in der gleichen Partei geblieben"
Interview
Ex-Linken-Chef Oskar Lafontaine:"Bin immer in der gleichen Partei geblieben"
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Oskar Lafontaine über das Ende der Linksfraktion, die Chancen einer neuen Partei und seinen eigenen politischen Kompass, das "sozialdemokratische Programm von Willy Brandt".
Oskar Lafontaine war sowohl Parteichef der SPD als auch der Linken. Kein Widerspruch, sagt er im ZDF. Sehen Sie hier das komplette Interview.19.11.2023 | 4:14 min
ZDFheute: Die Linksfraktion, mit der Sie vor 18 Jahren in den Bundestag eingezogen sind, hat jetzt ihre Auflösung beschlossen. Ist dieses Ende der Linksfraktion auch das Ende Ihres Lebenswerks?
Oskar Lafontaine: Ich habe nicht nur in der Linken gearbeitet, ich habe in der SPD gearbeitet, ich habe in der Gemeinde gearbeitet, im Land und im Bund. Also, es war schon umfassender, aber ich bedauere das natürlich.
ZDFheute: Wie konnte die Linke so nah an den Abgrund rücken?
Lafontaine: Da zitiere ich die "Neue Zürcher Zeitung", die nicht befangen ist: Eine weltfremde Politik wurde gemacht, und die hat dann dazu geführt, dass Wählerinnen und Wähler immer weiter zurückgegangen sind, die Anzahl der Wählerinnen und Wähler.
ZDFheute: Wieviel Verantwortung sehen Sie bei der Parteispitze?
Lafontaine: Sie ist für den jetzigen Kurs verantwortlich, und da ergibt sich ein Problem, was in vielen Parteien zu beobachten ist, dass man die Beschlüsse des Parteitages für die eigentliche Demokratie hält und nicht die Wählerinnen und Wähler. Ich war aber immer dafür, die Wählerinnen und Wähler in den Vordergrund zu rücken, und die sagen eben "Nein" zu dieser Politik.
Lafontaine: Na gut, ich habe versucht, eine bestimmte Politik zu vertreten und diese Politik hat ja zu großen Erfolgen geführt bei der Linken. Dann ging es immer weiter bergab, aber die Politik wurde nicht geändert, und ich habe eine andere Auffassung von einer Partei, als die Mehrheit.
ZDFheute: Sie haben in Ihrem Leben zwei Parteien hinter sich gelassen, einmal die SPD und einmal die Linke. Von welcher Partei sind Sie im Nachhinein mehr enttäuscht?
Lafontaine: Nach meinem Parteienverständnis bin ich immer in der gleichen Partei geblieben, im Gegensatz zu anderen, nämlich in der Partei, die das sozialdemokratische Programm von Willy Brandt vertreten hat. In der bin ich immer noch, und dass die Anderen dieses Programm verlassen haben, ist nicht in erster Linie meine Schuld.
ZDFheute: Sie haben immer den Traum von einem linken Großprojekt geträumt. Woran ist dieser Traum gescheitert?
Lafontaine: An der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, die ja in Gesamt-Europa und darüber hinaus zu beobachten ist, nehmen Sie nur mal in den Staaten die Entwicklung der Demokraten, die mal eine fast sozialdemokratische Partei waren. Da ist Bernie Sanders noch zu nennen, der heute noch Positionen vertritt, wie ich sie vertrete. Aber insgesamt ist das auch eine Kriegspartei geworden, die dem Finanzkapital dient, und das ist nicht eine Partei, der ich angehören kann.
ZDFheute: Verwirklicht sich dieser Traum nun im "Bündnis Sahra Wagenknecht"?
Lafontaine: Das wird man sehen. Das ist der Versuch, noch einmal eine politische Kraft im Bundestag zu verankern, die eben genau die Ziele vertritt, also für Arbeitnehmer, für Rentner, für kleine und mittlere Betriebe, und vor allen Dingen für eine Friedenspolitik, die ja heute bei allen anderen Parteien fehlt.
ZDFheute: Wie könnte die Zukunft einer neuen Linken aussehen?
Lafontaine: Immer konsequent für die kleinen Leute, immer konsequent für die Schwächeren und immer konsequent für den Frieden und natürlich auch für den Erhalt der Umwelt. Und zur Migration: Man soll ja für die Schwächsten der Gesellschaft eintreten und die Schwächsten der Gesellschaft können keine Schlepper bezahlen, die kommen gar nicht erst hier hin.
Heute ist das Gegenteil der Fall. Die Politik ist reaktionär. Man lässt also die Menschen kommen, die Schlepper bezahlen können und wirbt noch die Ärzte und Krankenschwestern ab.
Das Interview führte Susanne Freitag-Carteron, Leiterin des ZDF-Landesstudios im Saarland.
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