Finanzminister Lindner: "Nicht auf Dauer Politik auf Pump"

    Interview

    Finanzminister zum Haushalt 2024:Lindner: "Nicht auf Dauer Politik auf Pump"

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    Der Etat für 2024 ist Debattenthema im Bundestag. Viele Ressorts sollen "den Gürtel enger schnallen", weil für den Finanzminister feststeht "die Schuldenbremse gilt".

    Die Schuldenbremse sei nicht gleichbedeutend mit Einsparungen, so Finanzminister Lindner. Man müsse allerdings priorisieren: "Wir entscheiden also: Was ist wirklich erforderlich?"
    Das Interview mit Finanzminister Lindner in voller Länge.05.09.2023 | 5:41 min
    Diese Woche laufen die Beratungen zum Haushalt für 2024 im Bundestag, an vielen Stellen muss gespart werden. Grund ist das strikte Festhalten an der Schuldenbremse, worauf vor allem der Finanzminister pocht. Im ZDF heute journal begründet Finanzminister Christian Lindner (FDP) sein striktes Festhalten an der Schuldenbremse und betont erneut "die Schuldenbremse gilt", auf Steuererhöhungen wolle er aber weitgehend verzichten.

    Lindner: "Leitplanken sind klar"

    Die Aufgaben für den Herbst seien gesetzt, so Lindner: "Es ist jetzt Sache des Parlaments, den Haushalt 2024 zu beschließen, aber die Leitplanken sind klar. Die eine Leitplanke heißt,
    • die Schuldenbremse gilt und die andere Leitplanke ist, dass wir ja
    • auf Steuererhöhungen verzichten wollen.
    Also keine Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger und die Betriebe. Denn das wäre in der jetzigen Wirtschaftslage falsch."
    Die Haushaltsaufstellung für 2024 sei schwierig gewesen, "da gibt es gar nichts zu beschönigen", so Lindner. Auf "manches Wünschbare" habe verzichtet werden müssen, weil die haushaltspolitischen Realitäten anerkannt werden mussten.

    Wir können nicht auf Dauer Politik auf Pump machen.

    Christian Lindner, Finanzminister

    "Und wir dürfen auch die Inflation nicht mit immer neuen Staatsausgaben, die schuldenfinanziert sind, befeuern." Das sei laut Finanzminister ein schwieriger Prozess gewesen, aber man habe ihn bewältigt.

    Lindner: "Schuldenbremse und Zukunftsgestaltung verbinden"

    Dass die Schuldenbremse unter Ökonomen umstritten sei und selbst Bundesbank oder nationaler Währungsfonds sagen, man könne das etwas lockerer sehen, erwidert Lindner: "Diese internationalen Empfehlungen muss man sehr differenziert betrachten, wir nehmen sie in Deutschland manchmal auch sehr selektiv wahr." In der Sache gehe es um zwei Dinge: auf der einen Seite müsse man investieren:
    • "Investitionen in die Infrastruktur, in die Digitalisierung, in die Modernisierung unserer Volkswirtschaft - und das tun wir: Wir haben auf Rekordniveau Investitionen eingeplant, in den nächsten Jahren." Gelingen könne das aber nur, wenn man
    • "Prioritäten setze: Wir entscheiden also, was ist wirklich erforderlich und was ist entbehrlich, was ist vielleicht auch veraltet. "

    Und deshalb verbinden wir in den nächsten Jahren beides - auf der einen Seite die Schuldenbremse, die wir brauchen, damit wir auch in nächsten Krisen Reserven haben, mit Zukunftsgestaltung.

    Christian Lindner, Finanzminister

    Investitionen steigen laut Lindner, wenn man 2019 und 2024 vergleicht

    Wenn es um öffentliche Investitionen geht, will der Finanzminister nicht die Jahre der Corona-Pandemie und des Energiepreisschocks vergleichen, sondern das Vorkrisenniveau 2019 mit 2024:
    "Da ist die Situation so, dass wir von etwa 37 Milliarden auf 54 Milliarden Euro die Investition steigern." In relativen Zahlen stiegen die Investitionen damit von zehn auf zwölf Prozent. "Das zeigt, die Schuldenbremse ist keine Investitionsbremse, sie ist nur eine Erinnerung daran, dass wir nur das ausgeben können, was wir erwirtschaftet haben - und deshalb entscheiden müssen."

    Lindner: Schuldenquote des Gesamtstaats bald unter Vorkrisenniveau

    "Ich nutze wie alle meine Vorgänger in den vergangenen Jahrzehnten, Nebenhaushalte, Sondervermögen für Aufgaben, die über mehrere Jahre verteilt sind. Also nehmen sie zum Beispiel die Hilfe für die Flutopfer. Da hat mein Vorgänger ein Sondervermögen eingerichtet, damit es dort verlässlich die zugesagte Unterstützung gibt", so Lindner.
    Auch die Strom- und Gaspreisbremse werde über ein sogenanntes Sondervermögen finanziert. "Obwohl es Schulden sind - das ist ein Euphemismus - aber so heißt es eben in der Rechtstechnik", erläutert Lindner. Er nenne es ein Sonderprogramm, das außerhalb des Haushalts laufe, weil man nicht wusste, wie die Preisentwicklung bei Strom und Gas sei, wie viel Geld benötigt werde, zu welchem Zeitpunkt.
    "Was aber entscheidend ist, ist die Schuldensituation des Staates insgesamt. Kernhaushalt und Nebenhaushalt. Und hier gibt es eine ganz klare Zahl. Die Schuldenquote des Gesamtstaats. Und die wird in den nächsten Jahren sinken, anders als der Eindruck erweckt wird. Sie sinkt und schon in wenigen Jahren werden wir auf das Vorkrisenniveau, das Niveau vor der Corona-Pandemie, zurückgekommen sein."

    Lindner: "Wenn Geld fehlt, das werden wir notfalls finden"

    Lindner gesteht zu, dass es eine ganze Reihe von Defiziten und Investitionsbereichen gibt, unsere Straßen, unsere digitale Struktur, die Deutsche Bahn, ihr Schienennetz und viele mehr.
    Er fordert aber, "das Gros der Investitionen, die wir übrigens brauchen, sind private Investitionen. Um die Wirtschaftskraft zu erhalten, müssen Betriebe investieren und nicht alleine nur der Staat." Man müsse aber priorisieren und mehr als zuvor investieren.
    "Unser Problem heute ist nicht das fehlende Kapital im Haushalt, das ist da. Ich habe die Sorge, dass das, was wir eingeplant haben an Geld, gar nicht genutzt werden kann, weil unsere Planungs- und Genehmigungsverfahren immer noch zu langsam sind. Die müssen schneller werden. Und wenn dann noch Geld fehlt, da ist die klare Zusage, das werden wir dann notfalls finden".  
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    Quelle: ZDF

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