Debatte um Haushalt: Christian Lindners Suche nach Geld
Debatte um Haushalt:Christian Lindners Suche nach Geld
von Kristina Hofmann
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Was kann der Staat noch zahlen? Was will er noch zahlen? Der Ampel-Haushalt ist auf Kante genäht. Gesucht: neue Geldquellen. Ein höherer Spitzensteuersatz ist es nicht. Vorerst.
Die Steilvorlage kommt für Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gerade noch rechtzeitig. Kurz vor Beginn seiner Rede im Bundestag zum nächsten Haushalt verbreitet die Union, sie wolle eine Steuerentlastung nicht durch Sparen finanzieren.
"FDP und SPD gehen von einer vollen Gegenfinanzierung der Entlastung aus – das will die Union aber gar nicht", hatte Thorsten Frei (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, am Morgen gesagt. Zuvor hatten CDU-Chef Friedrich Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann einen höheren Spitzensteuersatz ins Gespräch gebracht, was die Junge Union wiederum ablehnt. Das sei alles "hochinteressant", findet Lindner.
"Für gewisse Geräusche der Meinungsbildung", so Lindner, brauche die Koalition drei Parteien. Die Union schaffe das dagegen "allein".
Lindner "neugierig" auf Finanzkonzept der Union
Dabei findet Lindner die Pläne der Union "prinzipiell gut". Die Abschaffung des Solidaritätszuschlages, die Senkung der Stromsteuer, die steuerliche Entlastung des Mittelstandes zum Beispiel. Das alles aber, rechnet der FDP-Politiker vor, koste 30 bis 40 Milliarden Euro.
"Ich bin absolut neugierig auf das Finanzierungskonzept", so Lindner Richtung Unions-Fraktion. Und: "Ich will gern von Ihnen lernen", wo man konkret streichen könnte.
Anteile der einzelnen Posten am Bundeshaushalt 2024
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Ein höherer Spitzensteuersatz? Den wollen auch SPD und Grüne, die FDP aber nicht. Laut Lindner sei das keine Steuer für "Reiche und Fußballprofis", sondern belaste vor allem den Mittelstand, das produzierende Gewerbe und Freiberufler, die man in der schwächelnden Konjunktur nicht weiter belasten dürfe.
Mehr Einnahmen durch Wirtschaftswachstum? Das brauche Zeit. "Man sollte Selbstfinanzierungseffekte nicht überschätzen." Und: Eine Steuersenkung auf Pump verbiete die Schuldenbremse.
Bei Markus Lanz erklärte CDU-Politiker Linnemann die von der Union vorgeschlagene Steuerreform.23.05.2023 | 75:15 min
Kürzungen irgendwie "fair"
Bei allem Spott: Bei der Vorstellung des Haushalts für das kommende Jahr im Bundestag kann Lindner kaum verhehlen, dass die Rückkehr zur Schuldenbremse nicht einfach war. Mehrmals betont er den langen Diskussionsprozess innerhalb der Ampel-Fraktionen, der vor allem an der Kindergrundsicherung deutlich wurde. Gern verweist er auf die Kürzungen.
Bis auf das Verteidigungsministerium mussten alle Ressorts Sparvorschläge vorlegen. 3,5 Milliarden Euro werden 2024 und 2025 weniger ausgegeben. Die Auswirkungen sind spürbar. Es fallen zum Beispiel weg:
Elterngeld ab einem gemeinsamen Jahreseinkommen ab 150.000 Euro der Eltern.
Tausende Stellen bei freiwilligen Dienste wie das soziale Jahr und den Bundesfreiwilligendienst
Bildungsberatung für Geflüchtete
Weniger humanitäre Krisenhilfe wie die Seenotrettung
Zuschüsse für Mehr-Generationenhäuser
Weniger für die Bundeszentrale für politische Bildung
Die Kritik daran versteht Lindner. Aber da gleichmäßig von allen Seiten kritisiert werde, seien die Kürzungen offenbar ausgewogen, glaubt er. Und irgendwie auch "fair".
Die Kritik, dass die Ampel-Koalition ihre Vorhaben durch Sondervermögen finanziere und so über Umwege eben doch Schulden mache, findet Lindner "nicht per se falsch". Die meisten Sondervermögen habe man jedoch von den Vorgänger-Regierungen geerbt.
Und: Sowohl das Sondervermögen für die Bundeswehr als auch der Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds zur Finanzierung der Energiewende seien zweckgebunden und zeitlich befristet. Doch genau darin stecken die nächsten Probleme.
"Wenn im Haushalt was geändert werden soll, muss an anderer Stelle gekürzt werden", so Florian Toncar (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium.05.09.2023 | 5:46 min
Spätestens ab 2028 alles noch schlimmer
Bis 2027, so weit geht die mittelfristige Finanzplanung der Ampel. Das heißt, in dem jetzt diskutierten Haushalt, über den der Bundestag im November endgültig abstimmt, sind mittelfristige Ausgaben bereits berücksichtigt. Erst so richtig schlimm wird es laut Lindner danach, ab 2028:
Denn ab 2028 müssen die Schulden getilgt werden, die in der Corona-Zeit aufgenommen wurden, um die "Bazooka", wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) es formuliert hatte, zu finanzieren. Pro Jahr werden dies zwölf Milliarden Euro sein, so Lindner.
Ab 2028 werde zudem vermutlich das Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht sein. Will man zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts für Verteidigung ausgeben, wie man es in der Nato versprochen hat, müssen die Kosten aus dem Kernhaushalt finanziert werden. Vermutlich in zweistelliger Milliardenhöhe. Ab 2031 sollen dann auch noch die Schulden für die Energiewende getilgt werden.
Der Haushalt sei "von der Höhe her eine Täuschung". "Genauso schlimm“ sei die "Aufteilung der Geldausgaben", so der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD Bernd Baumann zur Generaldebatte.06.09.2023 | 6:36 min
Grüne und SPD kündigen Änderungen an
Keine neuen Schulden, keine Steuererhöhungen: Lindners Mantra bleibt "keine strukturellen Mehrausgaben ohne Gegenfinanzierung". Ob er die Ampel-Fraktionen hinter sich hat? Die Union glaubt ihm das nicht. "Christian allein zu Haus", nennt ihn Vizefraktionschef Mathias Middelberg. Bei SPD und Grünen habe sich kaum eine Hand zum Applaus geregt. Das dürfte übertrieben sein.
Allerdings: Sowohl SPD als auch Grüne kündigen im Bundestag an, Änderungen am Haushalt in den nun folgenden Beratungen durchsetzen zu wollen. Das, sagt Sven Kindler (Grüne), sei schließlich immer so gewesen: "Wir entscheiden am Ende, wie der Haushalt 2024 aussieht."