ZDF-Sommerinterview: Lindner-Aussagen unter der Lupe

    ZDF-Sommerinterview :Lindner-Aussagen unter der Lupe

    Stephanie Barrett
    von Stephanie Barrett
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    Kindergrundsicherung, Steuerentlastungen, Strompreis - im Sommerinterview erläutert der Finanzminister seine Positionen. ZDFheute nimmt Lindners Aussagen unter die Lupe.

    FDP-Chef Christian Lindner im ZDF-Sommerinterview
    FDP-Parteichef und Finanzminister: Christian Lindner stellte sich im Sommerinterview den Fragen von Shakuntala Banerjee.
    Quelle: ZDF

    Kindergrundsicherung, Steuerentlastungen, Industriestrompreis - das sind die wichtigsten Streitpunkte vor der Klausurtagung in Meseberg am Dienstag. Und alle drei fallen ins Ressort von Bundesfinanzminister Christian Lindner.
    Im ZDF-Sommerinterview nahm er zu diesen und anderen Punkten Stellung. ZDFheute hat einige seiner Aussagen unter die Lupe genommen:

    Wann kann die Kindergrundsicherung wirklich kommen?

    Das sagt Christian Lindner: Noch heute – also vor Beginn der Kabinettsklausur in Meseberg am Dienstag - soll das Thema im Kanzleramt "abgeräumt werden". Der Finanzminister bleibt im ZDF-Sommerinterview bei seiner Position: 

    Man wird sich sehr kurzfristig und rasch auf Eckpunkte einigen, was getan werden soll. Aber danach gibt es noch sehr viel, was technisch geklärt werden muss, dann werden Verbände und Länder beteiligt, und erst danach wird es einen fertigen Gesetzentwurf geben, der dann an den Bundestag geht - das gesamte Verfahren jedoch wird noch etwas dauern. 

    Christian Lindner, Bundesfinanzminister

    Fazit: Zwar konnte noch am Sonntagabend nach dem Sommerinterview eine grundlegende Einigung bei der Kindergrundsicherung erzielt werden. Die Einigung im Detail dürfte sich aber noch länger hinziehen. 

    Gibt es einen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kinderarmut?

    Das sagt Christian Lindner: Er wolle nicht, "den Anreiz reduzieren, sich um Arbeit zu bemühen". 38.000 Euro seien "keine Notfallversorgung, damit ist das Existenzminimum gesichert". Und Lindner sagt weiter:

    Ich habe auf den Zusammenhang Kinderarmut und Einwanderung nach Deutschland hingewiesen - und manche wollten die Zahlen nicht glauben. Das hat zu einer Reaktion geführt - und ich verweise auf den Koalitionsvertrag und bitte um Vertragstreue, dort ist nichts von Leistungsausweitung im Sinne finanzieller Transfers gesagt.

    Christian Lindner, Bundesfinanzminister

    Fazit: Tatsächlich belegen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, dass es in den vergangenen Jahren eine Verschiebung gab. Im Dezember 2015, bevor sich die Ankunft zahlreicher Geflüchteter in der Statistik niederschlug, lebten in Deutschland knapp 1,8 Millionen Minderjährige dauerhaft von Transferleistungen. Knapp 380.000, also rund jeder Fünfte, hatte eine ausländische Nationalität.
    Im Dezember 2022 sah das Bild anders aus: Wiederum lebten knapp 1,8 Millionen Minderjährige von Transferleistungen, doch nun hatte die Hälfte eine ausländische Nationalität. Von diesen gut 880.000 Minderjährigen stammten rund 630.000 aus der Ukraine und klassischen Asylherkunftsländern wie Syrien und Afghanistan.
    Im Umkehrschluss heißt das: Viele Familien mit deutschem Pass schafften es aus dem Transferbezug heraus. 

    Kann Kinderarmut wirklich durch Bekämpfung der Ursachen gelöst werden?

    Das sagt Christian Lindner:

    Der Grund für die Armut der Kinder liegt in der fehlenden Arbeit der Eltern und vielleicht auch den fehlenden Sprachkenntnissen begründet. Um die Situation der Kinder und Jugendlichen zu verbessern, geht es nicht um höhere Sozialtransfers, sondern darum, dass Eltern in den Arbeitsmarkt integriert werden und Kitas und Schulen verbessert werden.

    Christian Lindner, Bundesfinanzminister

    Fazit: So weit, so gut: Der Umgang mit Steuergeldern gebietet Sparsamkeit und Sorgfalt. Doch nicht immer ist das gerecht und es stellt Sozialempfänger vor Entscheidungen, die Fehlanreize schaffen, und sie fallen nicht immer zugunsten der Kinder aus.  
    Das deutsche Sozialsystem ist ein komplexer Dschungel mit vielen behördlichen Schnittstellen und fein austarierten Grenzwerten, die auf unterschiedlichste Weise ineinandergreifen. Sozialleistungen an der einen Stelle werden auf der anderen Seite angerechnet, entsprechend wird dann unter Umständen weniger ausgezahlt.
    Ein Beispiel: Bezieht die Familie eines Jugendlichen etwa Bürgergeld, dann wird sie vom Jobcenter betreut. Ein 16-Jähriger, der eine Ausbildung sucht, müsste nun aber zu einer Vielzahl von Behörden, denn seinen täglichen Bedarf deckt eine andere Behörde als bei den Eltern. Für die Arbeitsvermittlung des Jugendlichen ist wiederum die Agentur für Arbeit zuständig.
    Im bisherigen Gesetzentwurf ist beispielsweise vorgesehen, einen Teil des bisherigen Bildungs- und Teilhabepakets ganz unbürokratisch direkt an Familien auszuzahlen. Weil es aber beim Bürgergeld angerechnet wird, kann es in bestimmten Fällen Eltern vor ein finanzielles Dilemma stellen. Am Ende müssen sie wählen: Repariere ich die Waschmaschine oder kann mein Kind beim Schulausflug dabei sein?
    Unterstützung erhält Lindner auch vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium: Der empfiehlt, die Reform der Kindergrundsicherung zu nutzen, um ein einheitliches, in sich konsistentes Grundsicherungssystem zu schaffen, das auch Arbeitsanreize erhöht.

    Bringt das Wachstumschancengesetz wirklich etwas?

    Das sagt Christian Lindner: Für ein Wirtschaftswachstum setze er vor allem auf das Steuern reduzieren, deshalb das Wachstumschancengesetz. Es soll nächste Woche in Meseberg verabschiedet werden:

    Damit die Wirtschaft vorankommt: Verzichten auf immer mehr bürokratische Gesetze – bevor die deutsche Wirtschaft wieder Fahrt aufgenommen hat, dürfen wir keine zusätzlichen bürokratischen oder finanziellen Verpflichtungen beschließen. Da gibt es Teile im Koalitionsvertrag, die aus der Zeit gefallen sind, [...] Wir müssen Steuern reduzieren, deshalb das Wachstumschancengesetz.

    Christian Lindner, Bundesfinanzminister

    Fazit: Eines der zentralen Versprechen dieses Gesetzes ist dabei die zügige und unkomplizierte Beantragung von Investitionsprämien, mit denen die Bundesregierung Unternehmen bei Klima-Investitionen unterstützen will.
    Doch vor 2025 wird es nach jetzigem Stand keinen Cent geben. Im Gesetzentwurf, der dem ZDF vorliegt, steht ab Seite 129: "Da das Antragsverfahren neu aufgebaut und entwickelt werden muss, wird hierfür ein Zeitraum von mindestens einem Jahr benötigt. Aus diesem Grund wird eine Antragstellung frühestens erst ab dem 1. Januar 2025 möglich sein." Einfach und schnell geht anders.
    Im Bundesfinanzministerium setzt man darauf, dass die Bundestagsabgeordneten im weiteren Gesetzgebungsverfahren auf einen schnelleren Aufbau der Antragsplattform drängen.

    Ist es sinnvoll, die Stromsteuer abzusenken?

    Das sagt Christian Lindner:

    Ich wäre offen für eine Senkung der Stromsteuer - ich bin entschieden dafür, das wir schnell mehr Energieversorgungskapazität aufbauen, weil das die Preise reduziert. 

    Christian Lindner, Bundesfinanzminister

    Fazit: Die Stromsteuer bringt dem Bund etwa sieben Milliarden Euro pro Jahr ein. Der größte Teil dieses Steueraufkommens kommt dem zusätzlichen Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung zugute.  
    Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium schlägt ebenfalls neben dem schnellen Aufbau erneuerbarer Energien die Abschaffung der Stromsteuer vor. Sie beträgt derzeit 2,05 Cent pro Kilowattstunde.
    Von ihrer Reduzierung auf den europäischen Mindestsatz von 0,05 Cent würden alle Unternehmen, also auch kleine und mittlere Betriebe profitieren. So würde die Abschaffung der Stromsteuer künftig Unternehmen in Deutschland in der Breite helfen, Nachteile im internationalen Wettbewerb spürbar zu mindern. Und hätte auch den Vorteil, dass sie sofort umgesetzt werden könnte.
    Stephanie Barrett ist Redakteurin in der ZDF Hauptredaktion WIRSSUM/Team Wirtschaft und Finanzen.

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