Strafrechtler Ambos wirft Faeser Verbotskultur vor
"Lanz"-Talk über Grundgesetz:Strafrechtler wirft Faeser Verbotskultur vor
von Michael C. Starke
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Wo sind die Grenzen der Meinungsfreiheit? Was muss man aushalten? Viel, meinen die Juristen Zeh und Ambos bei "Lanz". Große Zweifel bestehen am Verbot des Magazins "Compact".
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 24. Juli 2024 in voller Länge.24.07.2024 | 74:54 min
Gedacht war es anfangs als Provisorium und das deutete bereits der Name an: Von "Verfassung" war 1949 eben nicht die Rede - auch aus Sorge, die deutsche Teilung in Ost und West rechtlich zu zementieren.
In diesem Jahr ist das Grundgesetz 75 Jahre alt geworden. Und spätestens mit der deutschen Wiedervereinigung hat es sich auch erledigt mit dem Übergangscharakter: Am 3. Oktober 1990 ist das Grundgesetz zur gesamtdeutschen Verfassung geworden.
Seit 1949 sind im Grundgesetz der Bundesrepublik Menschenwürde und Meinungsfreiheit als hohes Gut verankert.23.05.2024 | 1:44 min
Grundgesetz: Grundrechte und wehrhafte Demokratie
Das Grundgesetz regelt zum einen die Grundrechte der Bürger, zum anderen die Organisation des Staates. Viele Artikel sind eine bewusste Reaktion auf die nationalsozialistische Diktatur - das gilt auch für Artikel 5, der die Meinungsfreiheit regelt.
Doch Staat und Justiz stehen immer wieder vor der Frage: Wie weit hört man zu - und wann schreitet man ein? Was ist von der Meinungsfreiheit gedeckt und fängt Hetze an? Denn eine Lehre aus der NS-Zeit war auch, wehrhaft zu sein gegen Feinde der Demokratie. Ein unmöglicher Spagat?
Besonders geschützt vor politischer Einflussnahme war das Bundesverfassungsgericht bisher nicht. Ampel und Union wollen das ändern und das Gericht stärker im Grundgesetz verankern.24.07.2024 | 2:27 min
Zeh: "Gefahr, aussortiert zu werden"
Dem "Freiheitsindex 2022" des Allensbach-Instituts zufolge, ist nicht mal jeder zweite Deutsche der Ansicht, dass man seine Meinung frei äußern könne. Mit Blick auf eine Erhebung beklagte die Juristin Juli Zeh am Mittwochabend bei "Markus Lanz" ein:
Ihr Eindruck sei, dass man in eine Situation komme, "wo man es nicht nur unerträglich findet, wenn jemand wirklich Grenzen überschreitet, beleidigend wird oder so, sondern schon dann, wenn Meinung zu stark abweicht."
Zeh, die auch Schriftstellerin und ehrenamtliche Richterin am Brandenburger Verfassungsgericht ist, äußerte in dem Zusammenhang ihre Sorge für den demokratischen Prozess, "weil das ganze System ja eins ist, was auf dem Aushandeln von verschiedenen Meinungen fußt."
Kernfrage: Was müssen wir aushalten?
Wie weit darf Meinungsfreiheit gehen? Die Haltung von Kai Ambos, Strafrechtler an der Uni Göttingen, dazu:
Wo die Grenzen überschritten werden könne, führte Ambos in der Folge aus und benannte etwa Fälle von Volksverhetzungen, Beleidigungen und Verstöße gegen die Menschenwürde zu sprechen. "Das Strafrecht ist nicht zahnlos", bilanzierte Ambos.
Der Strafrechtler kam in diesem Kontext auf die sogenannte "Wunsiedel-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichtes von 2009 zu sprechen. Darin heißt es, so der Jurist weiter, dass wir "auch Meinungen, die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen" tolerieren müssten.
Quintessenz für Ambos: "Es geht um freien Diskurs." Eine "autoritäre Verbotsposition" machte der 59-Jährige dagegen auf der Ebene der Exekutive aus - und nannte explizit das Bundesinnenministerium.
Das Land lobt das Grundgesetz, hadert aber mit dem Zustand der Gesellschaft. Unsicherheit wird beklagt, die Solidität des Grundgesetzes gelobt.23.05.2024 | 3:04 min
Zeh: "Aushalten nichts Passives"
Zeh warnte im Anschluss davor, dieses "Aushalten" nur als etwas Erduldendes oder Passives zu verstehen. Sie erwiderteauf Ambos Ausführungen, sie sehe in der Rechtsprechung"eine pragmatische Aufforderung an uns, solchen Gedanken Inhalten mit Gegenrede zu begegnen". Für Zeh hieß das auch:
"Compact"-Verbot: "Problematische Konstruktion"
Und wie weit darf der Staat nun gehen? Zumindest bezogen auf einen aktuellen Fall wurden Zweifel laut: am Verbot des rechtsextremen Magazins "Compact", das Innenministerin Nancy Faeser verkündet hatte.
Das Bundesinnenministerium hat das rechtsextremistische Magazin des Publizisten Elsässer verboten. Der Verfassungsschutz beobachtet seit Jahren die Veröffentlichungen des Magazins.16.07.2024 | 3:06 min
Die Juristin Nora Markard gab zu bedenken:
Sie sah einen Eingriff in die Pressefreiheit, das genutzte Vereinsverbot bezeichnete sie als "Umgehungskonstruktion". Denn, so führte die Juraprofessorin aus Münster aus: Das Presserecht lässt kein generelles Verbot von Presseorganen zu - allenfalls die Verbreitung bestimmter Ausgaben kann gestoppt werden.
Das Verbot der Zeitschrift "Compact" wirft juristische Fragen auf. Sarah Tacke zu der Entscheidung der Bundesinnenministerin und den Konsequenzen.
16.07.2024 | 2:32 min
Rechtlich heikel findet auch Ambos das Verbot, er glaubte nicht, dass ein Vereinsverbot trägt, "denn es ist ja nicht mal ein Verein, es ist eine GmbH, es ist eine wirtschaftliche Vereinigung."
Vermutlich werden Gerichte darüber zu entscheiden haben. Allerdings: "Compact" ist nicht der erste Fall, in dem ein Presseorgan über ein Vereinsverbot verboten wurde. Alle drei vorherigen Verbote haben rechtlich Bestand, teils bestätigt vom Bundesverwaltungsgericht.
Quelle: ZDF
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