Meinungsfreiheit: Kritik an Faeser Demokratieverständnis

    Kritik an Demokratieverständnis:Faeser-Pläne: Meinungsfreiheit in Gefahr?

    von H. Slansky, D. Rzepka
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    Wer den Staat verhöhnt, muss es mit einem starken Staat zu tun bekommen, so Ministerin Faeser. Werden unliebsame Ansichten bekämpft? Kritiker sehen die Meinungsfreiheit in Gefahr.

    Nancy Faeser gibt am 13.02.2024 eine Pressekonferenz zu Maßnahmen gegen Rechtsextremismus in Berlin.
    Innenministerin Faeser will Rechtsextremismus früher erkennen und effektiver bekämpfen. Soll dafür die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden? Verfassungsrechtler sind alarmiert.10.03.2024 | 4:25 min
    Um gegen Rechtsextremismus vorzugehen, weitet Innenministerin Nancy Faeser (SPD) die Kompetenzen der ihr untergeordneten Behörde, dem Verfassungsschutz, aus. Im Jahr 2021 erhielt der Verfassungsschutzbericht mit Rückendeckung der Politik eine neue Rubrik: Delegitimierung des Staates. Darin heißt es:

    Die Akteure dieses Phänomenbereichs zielen dabei darauf ab, wesentliche Verfassungsgrundsätze außer Geltung zu setzen oder die Funktionsfähigkeit des Staates oder seiner Einrichtungen erheblich zu beeinträchtigen.

    Verfassungsschutzbericht

    Als Beispiele werden Proteste gegen Corona-Maßnahmen genannt. Oder die "politischen Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels". Heißt das, Kritik an der Klimapolitik ist nicht mehr erwünscht? Dabei wird die Meinungsfreiheit vom Grundgesetz geschützt.

    Will Faeser kritische Meinungen unterdrücken?

    Faeser sagt:

    Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.

    Nancy Faeser, SPD

    Der Präsident des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang (CDU), ergänzt: "Wir dürfen nicht den Fehler machen, im Rechtsextremismus nur auf Gewaltbereitschaft zu achten, denn es geht auch um verbale und mentale Grenzverschiebungen. Wir müssen aufpassen, dass sich Denk- und Sprachmuster nicht in unsere Sprache einnisten."
    Verfassungsrechtler sind alarmiert. Faeser negiere die Meinungsfreiheit, ihm werde um die Demokratie Angst und Bange, kritisiert Volker Bohme-Neßler im ZDFheute-Interview. "Man hat so richtig das Gefühl, Frau Faeser ist auf einer Mission, sie kämpft gegen den Rechtsextremismus. Und alles, was im Weg steht, wird beiseite geräumt."
    Volker Boehme-Neßler
    Die Freiheit der Ideen ist die Essenz von Demokratie, sagt Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler. Er kritisiert Innenministerin Nancy Faeser (SPD).10.03.2024 | 1:02 min

    Warum sich Kritiker an die DDR erinnert fühlen

    Kritik gibt es insbesondere an dem Begriff der Delegitimierung des Staates. Er sei vom Verfassungsschutz eingeführt worden und schwammig, sagt Verfassungsrechtler Josef Franz Lindner.
    Es bestehe die Gefahr, dass pointierte und überspitzte Kritik an Politik, Staat und Regierung künftig als Delegitimierung eingestuft - und so zum Fall für den Verfassungsschutz würde. Dem Staat komme aber keine Deutungshoheit über den Begriff zu.
    Der ehemalige Kultus- und Finanzminister von Mecklenburg-Vorpommern, Mathias Brodkorb (SPD), fühlt sich gar an die DDR erinnert. Dort habe es den Begriff der staatsfeindlichen Hetze gegeben. Im Jahr 2024 solle die Bundesrepublik auf repressive Elemente verzichten:

    Es geht darum, die Probleme zu lösen, die es in diesem Land gibt und mit Kritikern vernünftig zu reden und von einer anderen Meinung zu überzeugen.

    Mathias Brodkorb, SPD

    21.02.24, Berlin: Nancy Faeser spricht mit Christian Lindner.
    Organisationen, die sich für die Stärkung der Demokratie einsetzen, sollen regelmäßig Geld bekommen – doch die Ampel ist uneins, wer eigentlich gefördert werden soll.25.02.2024 | 2:38 min

    Zoff in der Koalition droht

    Faeser will auch zusammen mit Familienministerin Lisa Paus (Grüne) für die wehrhafte Demokratie eintreten. Beide propagieren das ebenfalls umstrittene Demokratiefördergesetz. Organisationen, die sich für die Stärkung der Demokratie einsetzen, sollen regelmäßig Geld bekommen - doch die Ampel ist uneins, wer eigentlich gefördert werden soll.
    Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg kritisiert, politische Bildung, Prävention gegen Radikalisierung oder Beratung von Opfern sei Aufgabe der Länder und nicht des Bundes. "Insofern ist dieses Demokratiefördergesetz die falsche Antwort auf die Herausforderung für die liberale Demokratie", sagt Teuteberg - und kritisiert die Haltung, die hinter der Idee des Gesetzes steht:

    Wer die Demokratie schützen will, sollte sich selbst in den Grenzen des Grundgesetzes bewegen und sich an dessen Prinzipien halten.

    Linda Teuteberg, FDP

    Setzt sich die Regierung über die Verfassung hinweg? Unterwegs auf schmalem Grat - im Dienst der vermeintlich guten Sache.

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