Kühnert zu Asylpolitik: "Haben ein Durchsetzungsproblem"

    Lanz-Debatte über Asylpolitik:Kühnert: "Haben ein Durchsetzungsproblem"

    von Michael C. Starke
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    Wie umgehen mit dem Angriff von Solingen? Für Kevin Kühnert ist der deutsche Rechtsstaat nicht hilflos – gleichwohl sieht er bei "Lanz" Defizite, geltende Regeln auch anzuwenden.

    SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in der Sendung "Markus Lanz".
    Kevin Kühnert spricht bei Markus Lanz über Asylpolitik.

    Sie läuft auf Hochtouren: die innenpolitische Debatte darüber, welche Konsequenzen in der Asyl- und Migrationspolitik aus dem tödlichen Messerangriff von Solingen gezogen werden sollen.
    Nach einem Treffen mit CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, bald Gespräche mit der Union über mögliche Reformen führen zu wollen. Daran teilnehmen sollen auch Vertreter der Länder.

    Scholz kündigt baldige Gespräche an

    Außerdem mit am Tisch: die betroffenen Ministerien der Bundesregierung. Somit sind alle Ampel-Parteien personell vertreten. Merz hatte der SPD sogar angeboten, bei Gesetzesänderung gemeinsam mit der Union zusammenzuarbeiten - auch ohne die Ampel-Partner Grüne und FDP.
    Derzeit säßen die Koalitionäre zusammen, "um gemeinsame Vorschläge zu entwickeln, mit denen sie dann auch zusammen vor die CDU/CSU treten", sagte der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dazu am Mittwochabend bei "Markus Lanz".
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    "Deutschlandpakt" 2023 gescheitert

    Laut Kühnert sei unklar, ob und wann mit konkreten Ergebnissen zu rechnen sei. Der 35-Jährige verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass im vergangenen Jahr der "Deutschlandpakt" - eine Zusammenarbeit zwischen Ampel-Fraktionen und der Union beim Thema Asyl - gescheitert war.
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    Dem CDU-Chef Merz warf Kühnert vor, 2023 "nicht mehr Teil des Prozesses sein" zu wollen.
    Trotzdem, betonte Kühnert, hätte die Ampel-Regierung danach viele Gesetzesverschärfungen auf den Weg gebracht, die seit Ende Februar in Kraft sind. Konkret nannte er das Beispiel, dass der Abschiebegewahrsam von zehn auf 28 Tage ausgeweitet worden - "das Maximum, was europäisches Recht Deutschland erlaubt", so der SPD-General.
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    Kühnert: Ampel hat Rechtslücken geschlossen

    Außerdem verwies Kühnert darauf, dass die Koalition dafür gesorgt habe, dass Beamte, die eine Abschiebung durchführen, in Gemeinschaftsunterkünften nicht nur das Zimmer des Gesuchten, sondern auch Nachbarräume durchsuchen dürfen.
    Kühnert ergänzte:

    Löst das alle Probleme? Nein, keine politische Maßnahme löst alle Probleme. Aber ich bestreite deutlich und mit Nachdruck, dass nichts passiert sei und alle die Hände im Schoß gehabt hätten.

    Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär

    Und Kühnert sparte auch danach nicht mit Kritik am Diskurs: "Wenn wir nicht anerkennen in der politischen Diskussion, dass Fortschritte zwischendurch passieren, dann werden unsere Diskussionen nur unbefriedigte, wütende und zukunftsverdrossene Menschen zurücklassen."
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    "Deutscher Rechtsstaat nicht hilflos"

    Mit Blick auf den aktuellen Fall von Solingen beklagte der SPD-Politiker, dass "vielfach jetzt auch Forderungen aufgestellt werden, die eigentlich mit der geltenden Rechtslage bereits möglich sind umzusetzen."
    Der Position, der deutsche Rechtsstaat sei hilflos, widersprach Kühnert daher vehement - auch im Fall des Solingen-Täters hätte es keine Regelungslücke gegeben, "Mittel zu finden, ihn nach Bulgarien entsprechend der Regeln zu überführen".
    Woran es laut Kühnert stattdessen fehle: Konsequenz. Er sagte: "Wir reden über eine Anwendungs- und Durchsetzungsfrage."
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    Kritik an NRW-Abschiebepraxis

    Im Anschluss ging der SPD-General hart mit der Abschiebepraxis in Nordrhein-Westfalen ins Gericht: "Es wurde einmal geklopft, es wurde danach den zentralen Ausländerbehörden nicht mitgeteilt, dass die Person nicht angetroffen wurde. (…) Dann hätte man nämlich Leistungen kürzen können. Man hätte den als untergetaucht klassifizieren können. Man hätte mit Bulgarien die Frist, um ihn zurück zu überstellen, von sechs auf 18 Monate ausweiten können. Ist alles nicht passiert."
    Für Kühnert ebenfalls nicht nachvollziehbar: NRW sei das einzige Bundesland, in dem das Familienministerium für Abschiebungen zuständig sei.
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    Islam-Experte: Islamismus deutsche Realität

    Auch der Journalist Eren Güvercin kritisierte die aktuelle politische Diskussion - allerdings aus anderer Richtung als Kühnert. Der Islam-Experte warf Bundesregierung und Union vor, nicht auf den ideologischen Hintergrund von islamistischen Tätern zu schauen.
    Seit dem 7. Oktober beobachte er "eine massive Enthemmung in der islamistischen Szene", die insbesondere junge Menschen zu radikalisieren versuche. In Anspielung auf ein Zitat von Bundespräsident Wulff sagte er:

    Auch der Islamismus gehört zu Deutschland.

    Eren Güvercin, Journalist

    Güvercin deutete an, dass es lohnen könnte, über mehr Kompetenzen für den deutschen Sicherheitsapparat nachzudenken: Zwar habe man wiederholt Anschlagspläne in frühen Phasen verhindern können - doch der Journalist ergänzte: "dank Hinweisen meistens von ausländischen Geheimdiensten, was auch sehr viel aussagt".

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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