Bauernprotest-Debatte bei Lanz: Biolandwirt sieht Gängelei

    Bauernprotest-Debatte bei Lanz:Biolandwirt sieht Gängelei der Agrarbranche

    von Felix Rappsilber
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    Biolandwirt Henrik Wendorff kritisiert bei Markus Lanz die "Gängelei" der Agrarbranche vonseiten der Bundesregierung. Grünen-Politiker Hofreiter hält dagegen.

    Markus Lanz vom 9. Januar 2024: Markus Lanz, Anton Hofreiter, Henrik Wendorff, Ursula Weidenfeld, Sebastian Lakner
    Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 9. Januar 2024. 09.01.2024 | 73:50 min
    "Jetzt kommt (…) immer wieder permanent: 'Das reicht noch nicht. Das reicht noch nicht. Das reicht noch nicht. Ihr müsst euch wieder verändern.' Und da entsteht eine gewisse Gängelei" - Henrik Wendorff, Brandenburgs Bauernpräsident, kritisierte am Dienstagabend bei Markus Lanz die Erwartungshaltung der Bundesregierung an die Agrarbranche.
    Am Montag hatten bundesweite Proteste der Landwirte begonnen. Sie richten sich gegen Sparmaßnahmen der Bundesregierung, die auch die Agrarbranche treffen sollen, in Teilen jedoch wieder zurückgenommen worden waren.

    Wendorff: Überforderung der Agrarbranche

    Den Landwirten werde nicht das Gefühl vermittelt, etwas erreicht zu haben. Wendorff verwies auf Reformbemühungen:

    Wir brechen kein Grünland mehr um, machen vielfältige Fruchtfolgen. Das zeigen auch die Zahlen. Wir haben unsere Produktion umgestellt.

    Henrik Wendorff, Brandenburgs Bauernpräsident

    Gerade beim "ökologischen Umbau" sei die Agrarbranche aber "teilweise überfordert". Man wisse, dass man sich an Klimaveränderungen und damit Bewirtschaftungsmethoden anpassen müsse, brauche aber gewisse Zeit, "die man uns geben muss".
    Özdemir spricht zu protestierenden Landwirten.
    Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir sprach auf einer Kundgebung in Baden-Württemberg zu protestierenden Landwirten. Er forderte mehr Fairness und gegenseitiges Verständnis.10.01.2024 | 1:31 min
    Wendorff forderte mit Blick auf bereits eingeleitete Maßnahmen im Bereich der Transformation von der Bundesregierung das Bekenntnis: "'Leute, ihr habt im Jahr 2023 eine neue Förderperiode angefangen, mit einschneidenden Veränderungen. Jetzt lassen wir euch mal ein bisschen in Ruhe.'"
    Doch ebendiese Verschnaufpause fehle momentan. "Ich kann nicht erkennen, dass diese Bundesregierung wirklich diese Stabilität vermitteln will."

    Hofreiter: Wirklichkeit übt Veränderungsdruck aus

    Grünen-Politiker Anton Hofreiter entgegnete, dass man sich natürlich wünschen könne, dass der "Veränderungsdruck" erst mal ein paar Jahre weggehe. "Der Punkt ist nur: Der Veränderungsdruck geht dadurch nicht weg. Er kommt bloß in ein paar Jahren noch brutaler und noch härter."
    Nicht die Grünen, sondern die Wirklichkeit übe den Veränderungsdruck aus:

    Wir Grünen sind diejenigen, die die wissenschaftliche Erkenntnis, die die Wissenschaft fast einhellig vorträgt, versuchen, (...) in politische Veränderungen umzusetzen.

    Grünen-Politiker Anton Hofreiter

    Dieses Übersetzen führe dazu, "dass man den Übersetzer erst mal massiv angreift", so Hofreiter weiter. Er sei aber überzeugt, dass ein frühzeitiges Einleiten von Veränderungsprozessen dazu führe, dass die Auswirkungen "uns weniger hart treffen, als wenn man es eine Zeit lang schleifen lässt".
    Konfliktforscher Felix Anderl bei ZDFheute live zur den anhaltenden Bauernprotesten und Blockaden
    Bei der Blockade durch Landwirte handele sich nicht um eine neue Protestform, so Konfliktforscher Anderl. Dass es in Deutschland so einen Aufruhr gibt, sei jedoch "ungewöhnlich".05.01.2024 | 11:35 min

    Wendorff: Mittel, Maß und Tempo neu justieren

    Der brandenburgische Bauernpräsident entgegnete: "Wir dürfen als Landwirte nicht auf der Strecke bleiben. Mittel, Maß und Tempo müssen neu justiert werden und dazu sind wir gerne bereit."
    Kämen die Landwirte zur Gewissheit, "Stabilität wieder zu erhalten", so der Verbandschef weiter, "kommen wir zu der Überzeugung: Wir wissen, wo es hingeht". Der Bauernverband sei immer bereit gewesen, als verlässlicher Partner für Veränderungen zur Verfügung zu stehen und werde dies auch in Zukunft tun.
    Journalistin Ursula Weidenfeld stellte mit Blick auf die Rolle Grünen fest, dass es grundsätzlich möglich sei, ‟sich selber zum Propheten zu machen" und gleichzeitig "Agent eines unbestrittenen Wandels" zu sein, "aber man braucht in einer Demokratie Mehrheiten dafür. Man braucht verhandelbare Positionen und man muss sie am Ende auch politisch umsetzen können".
    Schaltgespräch Zimmermann
    Die Ampel-Koalition habe mit ihrer Kehrtwende bei der Kürzung der Agrarsubventionen auf "die Macht der Bauern reagiert", so die Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios Diana Zimmermann.04.01.2024 | 2:32 min
    Dass die letzten zwei Jahre der Ampel-Regierung "keine Glanzstücke in guter Politik" gewesen seien, müsse auch Hofreiter indes zugeben, so Weidenfeld weiter.

    Hofreiter sieht Verantwortung beim Bundeskanzler

    Auf ein Spiegel-Interview angesprochen, in dem Hofreiter forderte, dass der Kanzler sich für das Chaos hin zur Haushaltskrise entschuldigen müsse, stellte der Grünen-Politiker abermals fest:

    Ja, er (Bundeskanzler Scholz) hat sich verzockt.

    Grünen-Politiker Anton Hofreiter

    Hofreiter fügte in Richtung des Regierungschefs hinzu: "Ich wünsche mir mehr Klarheit, mehr Führungsstärke und mehr Kommunikation. Doch das leistet er halt nicht und deshalb kommt diese Koalition - obwohl sie am Ende immer ganz vernünftige Sachen macht - immer wieder auf dem Weg dorthin in große Schwierigkeiten."
    Quelle: ZDF

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