Experte zu EU-Einigung:Ein Schuldenkompromiss, der nicht trägt?
von B. Mühling und G. Krüger, Brüssel
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Die EU-Finanzminister haben sich auf neue Schuldenregeln geeinigt. Ein Wirtschaftswissenschaftler kritisiert, der Kompromiss erschwere zusätzliche Investitionen.
"Da wird durchgepeitscht, was man über Monate verschleppt hat", sagt ZDF-Korrespondent Gunnar Krüger zur Einigung bei den EU-Schuldenregeln.20.12.2023 | 2:48 min
Zum Schluss richteten sich alle Blicke nach Madrid - zumindest virtuell. Kurz vor Ende des Jahres und damit der spanischen Ratspräsidentschaft verkündete die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño nach dem Migrationspakt die zweite EU-Einigung des Tages. Die EU-Finanzminister hatten sich am Nachmittag in einer Video-Konferenz auf neue Schuldenregeln geeinigt, "glaubwürdigere und einfacher umsetzbare Regeln", meint Calviño.
Monatelang haben die EU-Finanzminister über neue Schuldenregeln diskutiert. Grundlage der Beratungen war ein Vorschlag der Europäischen Kommission vom April zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Der Streitpunkt liegt schon im Namen, in der Betonung. Mehr auf Stabilität oder auf Wachstum? Wie lässt sich eine seriöse Haushaltsführung mit Zukunftsinvestitionen verbinden?
EU-Schuldenregel: Schuldentragfähigkeitsanalyse als Kompromiss
Lange waren die Positionen weit auseinander - vor allem von Frankreich und Deutschland. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire wollte weitere Investitionen möglich machen, sein deutscher Kollege Christian Lindner, dass weiter Schulden abgebaut werden. Am Dienstagabend einigten sie sich in Paris und überzeugten einen Tag später ihre Amtskollegen. Die Pläne müssen von den Ländern noch angenommen und mit dem Parlament verhandelt werden.
Ein Teil der Lösung: die sogenannte Schuldentragfähigkeitsanalyse, ein Wort, wie es nur im Deutschen zusammengeschustert werden kann. "Man stellt sich dabei vor: Wenn die Wirtschaft sich so weiterentwickelt, wie wir das denken, wie würden sich Schulden entwickeln?", erklärt Jeromin Zettelmeyer. Er ist Wirtschaftswissenschaftler am Brüsseler Thinktank Bruegel und war früher im deutschen Wirtschaftsministerium tätig. "Die Idee ist, dass die Länder ausreichend sparen müssen, um die Schuldenstände mit hoher Wahrscheinlichkeit herunter zu bekommen."
Mit ihrem Vorschlag gab sich die EU-Kommission hier viel Ermessensspielraum. Zu viel Spielraum - aus Sicht von Christian Lindner. Nach der Videokonferenz sagte der Finanzminister: "Die gute Nachricht ist: Die Stabilitätskultur in Europa ist gestärkt." Was er damit meint? "Die Deutschen wollten hier gerne Regeln haben, wo sie sagen, die Schulden und das Defizit müssen mindestens x Prozent im Jahr runter", erklärt Zettelmeyer. Nach langen Verhandlungen wurden deshalb Sicherheitslinien eingearbeitet.
Lindner: "Schulden sind Schulden"
Die deutsche Seite hatte darauf gedrängt, dass die Referenzwerte von 60 Prozent beim Schuldenstand und drei Prozent beim Haushaltsdefizit unberührt bleiben. Länder mit besonders hohem Schuldenstand sollten sich das Ziel setzen, dass ihr Defizit nicht 1,5 Prozent überschreitet. Lindner betonte nach der Konferenz: "Am Ende sind Schulden Schulden - egal, aus welchen Gründen man sie aufnimmt."
Was bedeutet die Einigung für europäische Volkswirtschaften?
"Die Folgen sind, dass Investitionen in einem normalen Maße möglich sind, aber dass es extrem schwierig sein wird, zusätzliche Investitionen zu unternehmen", erklärt Jeromin Zettelmeyer.
Mit Blick auf die Klimaziele seien aber zusätzliche Investitionen notwendig. An diesem Punkt hätten die Regeln "freundlicher" sein können, ohne vom Prinzip der Schuldentragfähigkeit abzuweichen. Das sei allerdings "politisch nicht wichtig genug" gewesen, meint Zettelmeyer.
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