Die Sorgen der Bauern: Ist die Landwirtschaft in der Krise?
Die Sorgen der Bauern:Ist die Landwirtschaft in der Krise?
von Peter Kunz
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Die Bauern treibt bei ihren Protesten auch die Zukunftsangst. Klimawandel, Auflagen, Weltmarkt - im Treckerkonvoi fährt alles mit.
Es gab eine Zeit, da war der Deutsche Bauernverband eine Macht im Staat. Die meisten Bauern wählten verlässlich CDU/CSU und konnten sich auf ihre Lobby in der Hauptstadt verlassen. Öko war ein Pflänzchen am Rand des Feldes - und niemand stellte Produktionsmethoden oder Einsatz von Dünger in Frage.
Agrarwirtschaft galt als wichtiger Teil des politischen Streitgeschäftes auf dem Weg zu mehr europäischer Einheit, mit riesigen Milchseen und hohen Butterbergen. Bauern produzierten eher zu viel, klagten aber schon damals gern und kassierten. Subventionen sind spätestens seitdem Teil der normalen Hofernte geworden. Aber ansonsten haben sich die Zeiten geändert.
Was wollen die Landwirte?
Bei den Bauernprotesten vor vier Jahren spielte der Deutsche Bauernverband keine große Rolle mehr. Die Landwirte organisierten und empörten sich in Eigendynamik mit regionalen Zusammenschlüssen. Sie kritisierten einen globalen Markt, der sie zu immer größeren Höfen mit immer kleineren Verdienstmargen zwingen würde. Viele fühlten sich gegängelt durch Auflagen zu Tierwohl und umweltgerechtem Anbau und Produktion sowie einer zunehmenden überbordenden Bürokratie.
Diese Klagen reisen auch in dieser Woche auf den Sternfahrten quer durch Deutschland weiter mit. Eins aber ist ganz anders als früher auf den Bauernhöfen der Republik: Während laut der Forschungsgruppe Wahlen im Jahr 2013 noch 75 Prozent der Landwirte ihr Kreuz bei CDU/CSU machten, waren es bei der Bundestagswahl 2021 nur noch 45 Prozent.
Seit Montag protestieren die Bauern im Rahmen ihrer Aktionswoche gegen die geplanten Kürzungen der Ampelregierung. Deutschlandweit ziehen sich Traktorenkonvois durch Städte.08.01.2024 | 14:03 min
Bauern ohne Lobby?
Den Bauern ist die Lobby in Berlin abhanden gekommen, und sie sind auf der Suche nach neuen Partnern in der Politik. Ganz grundsätzlich haben Hauptstadt und Land wohl die enge Verbindung verloren. Auch deswegen werben die Trecker auf deutschen Straßen in diesen Wochen bei den Bürgern um Verständnis für ihre Blockaden. Landwirte vertrauen nicht mehr darauf, dass die Regierung ihre Interessen noch kennt und deshalb auch vertreten kann. Und siehe da: Handwerker und Spediteure, viele schließen sich dem Aufstand aus allgemeinem Unmut an.
Die AfD und andere, klar rechtsradikale politische Strömungen haben das Vakuum erkannt und versuchen, Kapital aus der Stimmung zu schlagen. Sie wollen auch anknüpfen an völkische Bewegungen der Bauernproteste in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Vereinzelt sind Symbole und Fahnen aus dieser Zeit bei den Protestierenden zu finden. Aber der durchschnittliche deutsche Bauer ist wohl an Gewissheit und Gestaltbarkeit für die Zukunft interessiert, weniger an einem Blut-und-Boden Blick zurück.
Experte: Keine große Vereinnahmung durch AfD
Der Sozialwissenschaftler Rolf Heinze von der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt sich in seiner Forschung seit Jahr und Tag mit Bauernaufständen quer durch die deutsche Geschichte. Er sieht nicht, dass die unzufriedenen Landwirte nun sozusagen ein gefundenes Fressen für die AfD wären:
Ein großer Teil geht eher Richtung Freie Wähler, die dadurch zugewinnen könnten - überall da, wo sie landaffine Integrationsfiguren aufbieten. Wie einen Hubert Aiwanger in Bayern.
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Rolf Heinze, Sozialwissenschaftler von der Ruhr-Universität Bochum
Heinze sieht bei den früher meist konservativen Bauern allerdings generell eine Tendenz zur politischen Aufsplitterung, ähnlich der Entwicklung in der Gesellschaft und der aktuellen Parteiendlandschaft. Und so, wie es den einst so berechenbaren ländlichen Wähler heute nicht mehr gibt, gibt es auch keinen typischen deutschen Durchschnittsbauern mehr. Nur viele unterschiedliche Lebenswelten von Hof zu Hof.
Bauern-Demos 2019 ohne große Wirkungen
Der kleine Ökolandwirt mit schmalem Reingewinn, dem ein Wegfall der Steuererleichterung bei Kfz-Steuer und Diesel sofort ins Kontor schlägt. Der Großbauer, der die Mehrkosten wohl verschmerzen könnte, sich als konventioneller Landwirt aber in seiner Berufsehre getroffen und missachtet fühlt, wenn er seine Ställe für eine tierwohlgerechtere Haltung umbauen soll. Den Massenproduzenten, der doch nur den volatilen Bedingungen des Weltmarktes gefolgt war, als er immer mehr Fläche gekauft und den Familienbetrieb mit immer höheren Krediten belastet hat.
Heute starten bundesweite Protestaktionen von Bauern gegen die von der Ampel geplanten Subventionskürzungen beim Agrardiesel.07.01.2024
All diese Bauern verschiedenster Farben eint jetzt der Protest. Und sie wollen sich offenbar nicht wieder so schnell aus dem Feld schlagen lassen wie bei den Demonstrationen 2019. Damals blieb durch die unterschiedlichen Anliegen und Interessenlagen nur ein diffuser Eindruck zurück, wenig Wirkung. Immerhin wurde eine Zukunftskommission Landwirtschaft ins Leben gerufen. Eine Idee von der Zukunft der Höfe muss sie noch liefern. Damit der Bauernprotest nicht wieder versickert wie frische Gülle auf einem unbesäten Acker.
Zum Abschluss ihrer Aktionswoche haben die Landwirte heute zu einer Großdemonstration in Berlin aufgerufen. Aktuelle News zu den Bauernprotesten im Liveblog.
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