Juso-Chef: "Probleme mit Motivation" bei Wahlkampfmit Scholz

    Interview

    Wahlkampf mit Scholz:Juso-Chef Türmer: "Probleme mit Motivation"

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    Von Freitag an treffen sich die Jusos zum Bundeskongress in Halle. Der Vorsitzende Philipp Türmer über die Forderungen des SPD-Parteinachwuchses und die K-Frage.

    Juso-Chef Philipp Türmer
    Ein Investitionsprogramm von einer Billion Euro, das Aus der Schuldenbremse, eine schnelle Entscheidung in der K-Frage - das fordert Juso-Chef Philipp Türmer
    Quelle: Imago


    ZDFheute: Zu Beginn eine ganz kurze Frage - Olaf Scholz oder Boris Pistorius?
    Philipp Türmer: Ja, das ist eine Frage, die gerade sehr viele umtreibt. Wir als Jusos sagen, wir brauchen eine Entscheidung, die diese ewig lange Kanzlerkandidatur-Diskussion beendet. Und wir bemühen uns sehr, im Moment über Inhalte zu reden. Deswegen muss diese Diskussion auch beendet werden.
    Es kann nicht sein, dass wir uns nur mit uns selbst beschäftigen. Wir müssen die Abgrenzung gerade mit der CDU suchen. Diese Wahl wird eine Richtungsentscheidung. Und dafür ist diese Diskussion aktuell Gift.
    ZDFheute: Wann wollen Sie denn eine Entscheidung haben?
    Philipp Türmer: Am besten in den nächsten zwei Tagen. Also je früher, desto besser.
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    ZDFheute: Sie haben eingeräumt: Bei den Jusos gäbe es gerade ein Motivationsproblem, für die SPD Wahlkampf zu machen. Ist das die Scholz-Müdigkeit?
    Philipp Türmer:

    Ich bekomme Signale, dass es bei vielen Jusos Probleme mit der Motivation gibt, wenn Olaf Scholz antritt.

    Philipp Türmer

    Dieses Problem existiert.
    ZDFheute: Für wen würden Sie denn lieber in den Wahlkampf ziehen? Welcher Kandidat ist den Jusos näher?
    Philipp Türmer: Entscheidend für uns ist, dass wir mit dem Gesicht in den Wahlkampf ziehen, das am Ende am vielversprechendsten ist, um sozialdemokratische Politik umzusetzen. Bei uns geht es darum, dass wir jetzt die beste Ausgangslage haben, um diesen Wahlkampf zu gewinnen.
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    ZDFheute: Morgen beginnt der Bundeskongress der Jusos. Welche Forderungen werden Sie da an die Partei stellen und welche Themen muss die SPD im Wahlkampf in den Mittelpunkt stellen?
    Philipp Türmer: Für uns ist es entscheidend, dass wir im Wahlkampf beim Thema Verteilungsgerechtigkeit klar zuspitzen. Es kann nicht sein, dass in Deutschland Wohlstand nur noch vererbt wird. Wir wollen, dass hier wieder Wohlstand erarbeitet werden kann.
    Und das heißt, wir wollen Politik für 95 Prozent der Bevölkerung machen. Die müssen entlastet werden. Dafür müssen die ein Prozent der Reichsten und Vermögenden endlich gerecht besteuert werden. Als Jugendvertreter sage ich auch: Ganz entscheidend ist, dass wir dieses Land modernisieren von oben nach unten.

    Wir wollen deswegen die Schuldenbremse kippen.

    Juso-Chef Philipp Türmer

    Wir sagen, es muss Koalitionsbedingung sein für die SPD - sollte sie in irgendeine Koalition eintreten - dass die Schuldenbremse gestrichen wird. Denn wir müssen in großem Ausmaß investieren. Und deshalb wollen wir ein Investitionsprogramm von insgesamt einer Billion Euro, um den Sanierungsstau dieses Landes endlich aufzuholen.
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    ZDFheute: Sehen Sie für diese Forderung Zustimmung in der SPD? Das ist ja eine enorme Zahl.
    Philipp Türmer: Es klingt nach einer enormen Zahl, aber diese Zahl würde nichts anderes machen, als uns endlich in eine wettbewerbsfähige Position mit den USA und China zu bringen.
    Die USA haben ebenfalls ein Investitionsprogramm aufgelegt, dass sich in diesem Umfang bewegt. China hat gerade 747 Milliarden Euro an den Kapitalmärkten an Krediten aufgenommen, um damit ein gigantisches Konjunkturprogramm zu starten. Es geht also einfach nur darum, dass wir im internationalen Kontext wettbewerbsfähig bleiben und endlich die Handbremse "Schuldenbremse" lösen.
    ZDFheute: Auch der ehemalige SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel fordert, dass die Partei sich inhaltlich neu sortiert. Aber er fordert so ziemlich das Gegenteil von Ihnen. Er sagt im Tagesspiegel-Interview: "Reichensteuer, mehr Schulden machen und die Sozialausgaben erhöhen scheint jedenfalls nicht das zu sein, was Menschen für die SPD begeistert." Haben Ihre Anliegen parteiintern denn überhaupt große Chancen?
    Philipp Türmer: Ich bin absolut nicht begeistert von Sigmar Gabriel. Ich lese seine Interviews aus Prinzip nicht und habe auch nicht den Eindruck, dass er irgendwas zu dieser Debatte beizutragen hat.
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    ZDFheute: Momentan sprechen viele von einer möglichen Neuauflage der sogenannten Großen Koalition, also einem Bündnis zwischen SPD und CDU. Die Jusos hatten damit beim letzten Mal sehr große Probleme. Ist das weiterhin so - würden Sie erneut gegen ein solches Bündnis kämpfen?
    Philipp Türmer: Wir wollen jetzt erst mal Wahlkampf dafür machen, dass wir in eine Ausgangslage kommen, in der Friedrich Merz auf gar keinen Fall Kanzler wird. Aber klar: Wir sind weiterhin nicht begeistert von der Großen Koalition.
    Das Interview führte ZDF-Hauptstadtkorrespondent Bernd Benthin.

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