Bröcker bei "Lanz": "Klingbeil hat kein Interesse an Pistorius"

Es dauerte dann doch mehr als eine halbe Stunde, bis es zwischen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und dem Journalisten Michael Bröcker einen echten Moment der Einigkeit gab.

An der Stelle wollte der SPD-Politiker am Mittwochabend bei "Markus Lanz" ein positives Beispiel für gelungene Ampel-Politik nennen: Nach einem Spitzentreffen mit Pharmafirmen, an dem neben Lauterbach selbst auch Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck teilnahmen, habe man nämlich "kein Spiegelstrich-Papier" aufgesetzt, so Lauterbach - vielmehr habe der Gesundheitsminister auf Grundlage einer Strategie-Sitzung "im Auftrag aller direkt ein Gesetz gemacht".

Mit dem Vorhaben sollte Deutschland wieder attraktiver gemacht werden als Forschungs- und Produktionsstandort der Arzneimittelindustrie. Und der Erfolg spricht Lauterbach zufolge für sich: "Seitdem ist die Pharmaindustrie gewachsen - gegen den Trend." Sein persönliches Ampel-Fazit daher:

Es fällt nicht schwer, da eine Kritik am Ex-Koalitionspartner FDP herauszulesen.

Mit Blick auf das Pharmagesetz kam auch "Table.Media"-Chefredakteur Bröcker nicht um Anerkennung herum: "Das ist tatsächlich ein gutes Beispiel für gute Politik." Doch bis dahin kamen Bröcker und Lauterbach auf keinen gemeinsamen Nenner - und das lag primär an der Personalie Olaf Scholz.

Für Lauterbach schien die Botschaft klar: Die Ampel-Koalition mag gescheitert sein, für Scholz gelte das jedoch nicht, seine Bilanz könne sich sehen lassen. Doch das sah Bröcker grundlegend anders.

Den wiederholten Versuchen Lauterbachs, Scholz gegen Kritik in Schutz zu nehmen, zollte der Journalist sogar Respekt, wenngleich mit ironischem Anstrich: Er schätze Lauterbach dafür, dass er "loyal, fast bis in den Untergang hinein an der Seite von Olaf Scholz" stehe.

Danach setzte Bröcker aber zur Kritik-Kaskade an. Die kommende Bundestagswahl bezeichnete der 47-Jährige als "Leistungstest für einen Kanzler, der drei Jahre regiert hat".

Bröcker warf Scholz vor, "ein Kanzler der Widersprüche und nicht erfüllten Versprechen" zu sein. So habe etwa der Kanzler "ein grünes Wirtschaftswunder versprochen", stattdessen habe man zwei Jahre Rezession.

Streit-Beispiel: bezahlbares Wohnen. Lauterbach argumentierte hier, der Versuch, die Mietpreisbremse zu verlängern, sei am kategorischen Widerstand der FDP gescheitert. Für den Sozialdemokraten offenbar auch der eigentliche Konstruktionsfehler der Ampel:

Widerspruch von Bröcker, er entgegnete: "Bezahlbares Wohnen nur mit der Mietpreisbremse zu beantworten, ist sehr einseitig." Der Kanzler habe 400.000 neue Wohnungen versprochen - und dieses Ziel verfehlt.

Auch in seiner eigenen Partei sind "Zeichen des Autoritätsverlusts des Kanzlers" erkennbar, so Hauptstadtjournalist Bröcker. Abzulesen sei das daran, dass "parallel zu seinem wichtigen G20-Gipfel eine Schalte stattfindet." Thema der Runde: die Zukunft von Scholz - doch der war nicht zugeschaltet.

An ein Umschwenken in der SPD von Scholz auf Boris Pistorius, den Verteidigungsminister und den laut Umfragen beliebtesten deutschen Politiker, glaubte Bröcker indes nicht - aus gleich mehreren Gründen.

Bröcker nannte zuvorderst Pistorius selbst, dem er einen "natürlichen Ehrgeiz" attestierte - aber der trotz hoher Zustimmung "loyal und kein Putschist" sei.

Entscheidender sind nach Ansicht Bröckers hingegen zwei andere Sozialdemokraten: zum einen der SPD-Co-Chef.

Klingbeil habe, ergänzte der Journalist, in einer möglichen Koalition unter Friedrich Merz die Option, Vizekanzler und Minister zu werden. Kurzum: Lars Klingbeil verfolgt eigene Karriereziele.

Zum anderen stehe SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich einer Pistorius-Kandidatur entgegen, ging Bröckers Analyse weiter:

Sein Fazit: "Rolf Mützenich will keinen Kanzlerkandidaten Boris Pistorius aus inhaltlichen Gründen."