Landtagswahl: Wer wird Ministerpräsident in Hessen?

Boris Rhein (CDU) ist seit anderthalb Jahren im Amt, als Nachfolger des zurückgetretenen Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden Volker Bouffier. Seine Rolle hat Rhein mittlerweile gefunden, am Profil arbeitet er noch. Sein Wahlkampf ordnete sich zwei großen Zielen unter: erstmals gewählt zu werden und auf dem Weg dorthin, keine Fehler zu machen.

Also wird der CDU-Spitzenkandidat nervös auf die Prognosen um 18 Uhr warten, darauf hoffen, dass seine Partei mit klarem Vorsprung durchs Ziel geht. Und wenn Boris Rhein nebenbei noch verkünden kann, den Abwärtstrend der Christdemokraten in Hessen gestoppt zu haben - 2018 kamen sie auf 27 Prozent - dann wird seine Rechnung aufgegangen und seine Position innerhalb der Partei fundamental gefestigt sein.

Nancy Faeser (SPD) kennt eigentlich jeder als optimistische, stets gut gelaunte und herzliche Person - die gute Laune könnte ihr am Wahlabend abhanden kommen. Ihr Anspruch war und ist es, die erste Ministerpräsidentin Hessens zu werden - oder aber in Berlin zu bleiben, in ihrem derzeit besonders schwierigen Amt der Innenministerin.

Die gebürtige Hessin und familiär geprägte Sozialdemokratin mit langjähriger Erfahrung muss bangen. Was die Krönung ihrer politischen Laufbahn hätte werden sollen, könnte zum Stolperstein werden: Eine Hessen-Ampel scheint außerhalb jeder Reichweite - und nur ein solches Bündnis könnte ihr zum Amt in der Staatskanzlei verhelfen.

Also wird der Hessen-Wahlkampf für Faeser eine Episode bleiben, es droht das historisch schlechteste Ergebnis im einst "roten Hessen". Wie es weitergeht in der hessischen SPD, deren Vorsitzende sie ist, wie es weitergeht in Berlin - Fragen, die sich unweigerlich nach dem Wahlabend stellen werden.

Tarek Al-Wazir ist, nach mehreren Doppel-Spitzenkandidaturen, endlich angetreten "als Ministerpräsident" - so die Wahlplakate der Grünen. Al-Wazir ist beliebt und nach zehn Jahren im Amt des Wirtschaftsministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten den Hessen gut bekannt.

Es hätte gut laufen können für den Realo und grünen Vordenker, doch dann kam mit dem Heizungsgesetz und dem Ampel-Gezänk heftiger Gegenwind aus Berlin. Und sein langjähriger Koalitionspartner, der sonst stets die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit lobt, schlug im Wahlkampf auch noch ständig in die Ampel-Kerbe.

Zuletzt positionierte sich Al-Wazir vor der Wahl in Hessen verstärkt als Stimme der Vernunft und Kompetenz und warb auch für eine Fortsetzung von Schwarz-Grün in Hessen, denn eine SPD ohne Faeser könnte den Grünen den Platz in einer künftigen Regierung unter Führung der CDU streitig machen.

Obwohl sie programmatisch weit auseinanderliegen, plagen FDP und Linke derzeit ähnliche Sorgen: Schaffen sie überhaupt den Einzug in den Landtag? Da ist FDP-Spitzenkandidat Stefan Naas: Er hat versucht, die FDP im Wahlkampf als besonders fortschrittlich zu präsentieren. Mit Rocker-Outfit und markigen Sprüchen warb er um mehr Bürokratieabbau, individuelle Mobilität, Digitalisierung und die Einhaltung der Schuldenbremse.

Geholfen hat es bisher wenig. Seit Beginn der Ampel-Koalition im Bund muss die FDP eine Niederlage nach der anderen hinnehmen. In Hessen droht die nächste Pleite, dabei würde Naas am liebsten mitregieren.

Als einzige Partei ging die Linke mit einem Spitzenduo in den Wahlkampf: mit den Fraktionsvorsitzenden Elisabeth Kula und Jan Schalauske. Die Partei hat viel zu verlieren: Viermal hintereinander war sie in den Landtag gewählt worden - das gab es bisher in keinem westdeutschen Flächenland.

Mitverantwortlich für den Erfolg: Janine Wissler. Innerhalb kurzer Zeit war sie zur bekanntesten Linken-Politikerin in Hessen avanciert. Wissler ist mittlerweile in Berlin, doch ihre Nachfolger Kula und Schalauske tun sich schwer. Mit ihren klassischen linken Themen - "Politik- und Systemwechsel für ein soziales, gerechtes, ökologisches, friedliches und vielfältiges Land" - können sie bisher kaum punkten, wie das ZDF-Politbarometer zeigt.

Für die AfD ist Hessen ein besonderer Ort: Vor zehn Jahren hatte sich die Partei in Oberursel gegründet. Der Spitzenkandidat Robert Lambrou war schon damals dabei.

Die AfD hat ihre klassischen Themen in den Wahlkampf gebracht: Innere Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Migration. Lambrou, Sohn eines griechischen Vaters und einer deutschen Mutter, gibt sich gemäßigt, ist das bürgerliche Aushängeschild der Partei. Gleichwohl: Seine Wortwahl ist häufig AfD-typisch, wenn er etwa von "kultureller Überfremdung in Deutschland" spricht.

Lambrou hofft auf das bisher stärkste AfD-Ergebnis in einem westdeutschen Bundesland. Keine Frage: Er würde gerne mitregieren, am liebsten mit den Konservativen. Doch die anderen Parteien haben eine Zusammenarbeit kategorisch ausgeschlossen. Die Fraktion dürfte auch im neuen Landtag isoliert bleiben.