Femizide: "Sie werden getötet, weil sie Frauen sind"

    Interview

    Expertin zu Femiziden:"Sie werden getötet, weil sie Frauen sind"

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    Ein Mann übergießt in Gera eine Frau mit brennbarer Flüssigkeit und zündet sie an. Wie es zur Gewalt gegen Frauen kommt, erklärt Sozialwissenschaftlerin Julia Habermann.

    Julia Habermann bei ZDFheute live.
    Das Gespräch mit Sozialwissenschaftlerin Julia Habermann hier in voller Länge.17.03.2025 | 8:41 min
    Es ist eine unvorstellbare Tat: In Gera wurde am Sonntag eine Frau in einer Straßenbahn mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und angezündet. Tatverdächtig ist der Ehemann. Die Frau wurde bei der Attacke lebensgefährlich verletzt, der Mann stellte sich schließlich der Polizei. Eine Tat, die Fragen aufwirft.
    Julia Habermann forscht an der Ruhr Universität Bochum zum Thema Gewalt an Frauen. Dabei beschäftigt sie sich auch mit Femiziden, also der Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Im Interview mit ZDFheute live erklärt sie, wie Gewalt an Frauen entsteht und wie sie bekämpft werden kann.
    Sehen Sie das Interview in voller Länge oben im Video und lesen Sie hier Auszüge. Das sagt Sozialwissenschaftlerin Julia Habermann zur Frage …

    ... was ein Femizid ist

    Das Wort Femizid beschreibe den Mord an Frauen, in Zusammenhang mit deren Geschlecht, sagt Julia Habermann. Darunter fielen zum Beispiel auch Tötungsdelikte aus sexualisierten Motiven, aber auch wenn Frauen infolge nicht sachgerecht durchgeführter Abtreibungen sterben.

    Sie werden getötet, weil sie Frauen sind.

    Julia Habermann, Sozialwissenschaftlerin

    16.03.2025, Thüringen, Gera: Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr sind nach einem Brandanschlag in einer Straßenbahn im Einsatz.
    In einer Straßenbahn in Gera wurde eine Frau mit brennbarer Flüssigkeit übergossen und angezündet.17.03.2025 | 1:38 min
    Immer wieder würden Frauen aber auch zum Opfer ihrer Partner. Dies geschehe insbesondere, "wenn eine Trennung vorausgegangen ist oder im Raum steht", so Habermann.

    ... wie groß das Ausmaß von Gewalt an Frauen ist

    Im Bundeslagebericht zu Gewalt an Frauen findet sich laut Habermann unter dem Stichwort Femizid für das Jahr 2023 die Zahl 360. Das sei aber nur die Zahl der Frauen, die tatsächlich Opfer eines Tötungsdelikts geworden seien.

    Nimmt man die versuchten Taten hinzu, steigt die Zahl an.

    Julia Habermann, Sozialwissenschaftlerin

    Auch Todesfälle als Folge misogyner, also frauenfeindlicher, Praktiken seien dadurch nicht abgebildet. Dazu gehöre beispielsweise auch die gezielte Abtreibung weiblicher Föten.

    ... wer die Täter sind

    Typisch für Femizid-Täter sei, dass sie schon im Vorfeld der Taten ein kontrollierendes Verhalten gegenüber den Frauen zeigten. Begleitet würde dies häufig durch "herabsetzendes oder herabwürdigendes Verhalten, bis hin zu körperlicher Gewalt", sagt Habermann.
    Auf dieser Stufe könne eine Beziehung sehr lange verweilen. Erst wenn die Frau einen Ausweg aus dieser Situation hin zu einem selbstbestimmten Leben suche, verliere der Partner die Kontrolle. Die Täter hätten dabei zwar unterschiedliche Hintergründe, sie alle zeigten aber dieses Verhalten gegenüber ihrer Partnerin.
    shadow of a man with a clenched fist as a woman cowers in the corner
    Weltweit steigt die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt. Die Bundesregierung will Frauen mit dem "Gewalthilfegesetz" in Deutschland besser schützen.27.11.2024 | 1:33 min

    ... wie Gewalt an Frauen bekämpft werden kann

    Wichtig sei ein breiteres Unterstützungs- und Beratungsangebot, sagt die Expertin. Dabei sei das erst kürzlich beschlossene Gewalthilfegesetz zwar ein guter Schritt gewesen, der aber noch weiterer Verbesserungen bedürfe. Auch Polizei und Justiz müssten noch weiter für das Thema sensibilisiert werden.
    Präventiv könne geschlechtsspezifische Gewalt nur im Ursprung verhindert werden. Etwa, wenn gesellschaftliche Strukturen verändert werden würden. Dabei ginge es sowohl um Machtstrukturen wie auch um Rollenbilder, sagt Habermann. Den Grundstein dieses Wandels müssten Bildung und Medien legen. Letztendlich müsse aber jede Person selbst die eigenen Positionen und Rollenbilder hinterfragen.

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