Mutterschutz nach Fehlgeburt: Fehlende Rechte für Betroffene
FAQ
Gestaffelter Mutterschutz:Nach einer Fehlgeburt direkt zur Arbeit?
von Alexandra Hawlin, Julian Schmidt-Farrent
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Jede dritte Frau erlebt eine Fehlgeburt, nicht immer wird sie krankgeschrieben. Heute demonstriert eine Initiative vor dem Bundestag - und fordert mehr Schutz für Betroffene.
Natascha Sagorski fordert vor dem Bundestag einen früherer Mutterschutz, der Frauen nach einer Fehlgeburt entlasten soll. Politik und Medizin diskutieren die Notwendigkeit einer Gesetztesreform.10.10.2024 | 2:54 min
Jede fünfte Schwangerschaft endet ohne Glückstränen und ohne Babygeschrei. Fehlgeburten sind noch immer ein Tabu-Thema, viele Betroffene leiden im Stillen - müssen im Alltag funktionieren, gehen teils direkt wieder zur Arbeit.
Für den Gesetzgeber haben sie ihr Kind zu früh verloren. Besondere Schutzrechte gelten erst ab der 24. Schwangerschaftswoche, also in der letzten Woche des 6. Schwangerschaftsmonats. Wer vorher sein Ungeborenes verliert und Zeit braucht, muss auf eine Krankschreibung hoffen, aber nicht jeder Arzt stellt diese aus. Nun macht eine Initiative Druck auf die Ampel-Regierung.
Was gilt bislang bei einer Fehlgeburt?
Es zählt das Gewicht des Fötus. Wiegt er über 500 Gramm oder wurde die 24. Schwangerschaftswoche erreicht, spricht der Gesetzgeber von einer Totgeburt - und gewährt den Betroffenen Mutterschutz. Sie können sich für acht Wochen erholen.
Deutlich weniger Rechte haben alle, die ihren Fötus oder den Embryo vorher verlieren - selbst dann, wenn sie bereits in der 23. Schwangerschaftswoche waren. Sie haben keinen Anspruch auf Mutterschutz. Sie sind auf eine Krankschreibung angewiesen, die im Ermessen des Arztes liegt. Nur: Nicht immer wird eine solche Krankschreibung ausgestellt, klagen Betroffene.
Natascha Sagorski verlor ihr Kind in der 10. Schwangerschaftswoche. Eine Krankschreibung erhielt sie nicht. Seitdem kämpft sie für mehr Rechte und Schutz für Betroffene. 09.10.2024 | 1:24 min
Wie viele Frauen sind von einer Fehlgeburt betroffen?
Die Dunkelziffer ist hoch. Viele frühe Fehlgeburten bleiben unbemerkt, viele werden nicht erfasst. Klar ist: Es sind viele, Zehntausende pro Jahr, allein in Deutschland. Das Risiko einer Fehlgeburt ist vor allem in den ersten Monaten hoch. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages spricht von rund 20 Prozent der Schwangerschaften, die mit einer Tot- oder Fehlgeburt enden.
Und das hat Folgen. Nach einer Fehlgeburt erkrankt mehr als jede zweite Betroffene psychisch und fällt teils länger aus. Das hat die Krankenkasse IKK Südwest mit Blick auf ihre Versichertendaten ausgerechnet - und spricht sich deswegen für eine Idee aus, die die Betroffenen besser auffangen soll.
Egal zu welchem Zeitpunkt Eltern ihr Kind verlieren - ob vor oder nach der 24. Schwangerschaftswoche, ob mit mehr als 500 Gramm oder weniger Gewicht - der Verlust ist immer unermesslich. Wie können Eltern von Sternenkindern das Geschehene verarbeiten?07.09.2021 | 2:44 min
Gestaffelter Mutterschutz: Was soll das sein?
Eine Initiative rund um die Autorin Natascha Sagorski schlägt einen "gestaffelten Mutterschutz" vor: Schwangere sollen bereits früher als bislang den Mutterschutz bei einer Fehlgeburt in Anspruch nehmen können, wenn sie dies wünschen - und auch früher, als es die Regierung ohnehin plant.
Im Koalitionsvertrag sieht die Bundesregierung einen Mutterschutz ab der 20. Schwangerschaftswoche vor, umgesetzt wurde bislang nichts. Die Initiative kritisiert: "All den Frauen, die bereits in der 19. Woche oder früher eine Fehlgeburt erleiden, steht weiterhin keinerlei Mutterschutz zu."
Die Kosten wären vergleichsweise gering, schätzt die Krankenkasse IKK in einer Modellrechnung: Wenn alle Frauen, die ab der 6. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden, von dem Angebot des erweiterten Mutterschutzes Gebrauch machen würden, beliefen sich die Kosten auf knapp 30 Millionen Euro.
40 Kilometer ist die Front entfernt und trotzdem arbeitet das Geburtskrankenhaus von Pokrovsk im Donbass weiter. Hebamme Olena Yurchenko denkt trotzdem nicht ans Aufhören.28.12.2023 | 2:37 min
Mehr Rechte für Schwangere: Wie reagieren Politik und Wirtschaft?
Grundsätzlich begrüßen viele Akteure eine Neubewertung der aktuellen Regelung - erst bei genauerem Hinsehen zeigen sich Unterschiede. So haben die meisten Länder im Bundesrat der Aufforderung zugestimmt, dass die Ampel die Schutzfristen bei Fehlgeburten erweitern solle.
Das Bundesland Bayern zog hingegen nicht mit. Auf Anfrage von ZDFheute spricht das bayerische Familienministerium unter anderem von "personellen und finanziellen Belastungen" für die Betriebe. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber geht in einem Statement noch weiter: Mutterschutz sei "eine bedeutende gesamtgesellschaftliche Aufgabe, daher sollte dessen Finanzierung generell aus Steuermitteln erfolgen". Bislang finanzieren vor allem die Arbeitgeber über einen Zuschuss das Mutterschaftsgeld.
Im Hintergrund scheinen Ampel-Politiker bereits an einer Lösung zu arbeiten. Eine entsprechende Gesetzesänderung liegt allerdings noch nicht vor. Ab welcher Schwangerschaftswoche ein Mutterschutz vorgesehen sein wird, ist noch unklar. Klar scheint nur: Auch ein gestaffelter Mutterschutz wird eine Grenze ziehen - ob an der Schwangerschaftswoche, oder am Gewicht des Ungeborenen.
Quelle: ZDF
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