Muterschutz: Frauen für Gleichberechtigung nach Fehlgeburt
Mutterschutz-Reform gefordert:Frauen für gleiche Rechte nach Fehlgeburt
von Fabian Medler
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In Deutschland fehlt Frauen nach einer Fehlgeburt vor der 24. Woche der Mutterschutz. Experten kritisieren dies als verfassungswidrig. Die Politik ist gefordert.
Bis zur 24. Schwangerschaftswoche unterliegen Frauen nach einer Fehlgeburt nicht dem gesetzlichen Mutterschutz. Experten kritisieren dies als verfassungswidrig. 15.09.2024 | 3:03 min
Etwa jede dritte Frau erlebt eine Fehlgeburt in ihrem Leben. Für viele ist das ein einschneidendes Erlebnis, egal in welcher Schwangerschaftswoche. Und doch macht das Mutterschutzgesetz einen klaren Unterschied zwischen Frauen, die eine Fehlgeburt vor der 24. Woche erleben und denen, die eine sogenannte Totgeburt im Zeitraum danach durchmachen.
Letztere erhalten umfassenden Schutz und Zeit, das Geschehene zu verarbeiten, während Frauen vor der 24. Woche keinen gesetzlichen Anspruch auf Mutterschutz haben. Experten halten diese Unterscheidung für medizinisch unbegründet und rechtlich problematisch.
Psychologin: Andere Faktoren einbeziehen
Psychologin Kathryn Eichhorn, die an der Universität der Bundeswehr in München mehrere Studien zu dem Thema leitet, sagt deutlich:
Aus der Empirie heraus und auch aus der praktischen Erfahrung macht diese strikte Grenze keinen Sinn.
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Kathryn Eichhorn, Psychologin
"Es hängt von ganz vielen Gründen ab, wie eine Frau die Fehlgeburt verkraftet: Gibt es bereits Kinder? Wie stark ist der Kinderwunsch? Das Alter der Frau", erläutert Eichhorn. "Es gibt also viele Faktoren, die eine deutlich stärkere Rolle spielen als die Länge der Schwangerschaft."
Verfassungsrechtliche Bedenken
Viele betroffene Frauen finden das ungerecht. Vier von ihnen haben daher 2022 gegen die aktuelle Regelung Verfassungsbeschwerde eingereicht. Der Schriftsatz liegt dem ZDF vor.
Der Verfassungsrechtler und zuständige Anwalt der Beschwerde, Remo Klinger, hält die aktuelle Rechtslage für eindeutig verfassungswidrig. Im Mutterschutzgesetz liege eine Ungleichbehandlung zwischen Schwangeren vor, die eine Fehlgeburt haben und solchen mit einer Totgeburt. Dies verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus dem Grundgesetz, so Klinger.
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Nach Fehlgeburt: Krankschreibung verwehrt
Natascha Sagorski ist eine der Klägerinnen. 2019 verlor sie ihr Kind in der zehnten Schwangerschaftswoche. Mutterschutz stand ihr deshalb nicht zu. Und auch eine Krankschreibung wurde ihr zunächst verwehrt.
Ich hatte gerade mein Baby verloren und da sagte mir meine Ärztin, ich bräuchte keine Krankschreibung und könnte am nächsten Tag wieder arbeiten. In dem Moment war ich so verletzlich, dass ich das einfach hingenommen habe. Das war ein wirklich schreckliches Gefühl.
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Natascha Sagorski, Klägerin
Erst nach dem Besuch bei einem dritten Arzt erhielt sie die ihrer Meinung nach dringend benötigte Krankschreibung. Diese negative Erfahrung motivierte Sagorski, für besseren Mutterschutz zu kämpfen. Sie richtete eine Petition an den Bundestag, sammelte so über 75.000 Unterschriften für eine Reform.
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Forderungen nach Reform
Die Politik ist unter Druck, das Mutterschutzgesetz zu reformieren. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wurde bereits eine Reform angekündigt, die den Mutterschutz auf die 20. Schwangerschaftswoche vorziehen sollte. Doch Sagorski und viele andere kritisieren dies als unzureichend. Sie fordern einen gestaffelten Mutterschutz, der flexibel und individuell an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst wird.
Im Juli 2024 reagierte der Bundesrat auf diese Forderungen und rief die Bundesregierung auf, "für Betroffene von Fehlgeburten Schutzfristen im Sinne des Mutterschutzgesetzes einzuführen". Dabei soll es sich um einen freiwilligen Anspruch mit einer Schutzfrist je nach Dauer der Schwangerschaft handeln.
Trotz Fehlgeburt am nächsten Tag zur Arbeit?
Bedenken der FDP
Innerhalb der Ampel-Koalition gibt es unterschiedliche Forderungen. Während sich einige für eine gestaffelte Regelung einsetzen, gibt es seitens der FDP noch Bedenken, heißt es. Sie befürchten, dass Unternehmen durch die Reform stärker belastet werden könnten.
Nach Berechnungen der Innungskrankenkassen (IKK) würde die Reform maximale Mehrkosten von etwa fünf Millionen Euro pro Jahr für die gesetzlichen Krankenkassen und rund 25 Millionen für die Umlagekassen verursachen.
... ist ein Finanzierungssystem, bei dem Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern unmittelbar zur Deckung von laufenden Ausgaben, wie Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall, verwendet werden.
Spannend könnte werden, ob der Bundestag dem Bundesverfassungsgericht mit einer Gesetzesänderung zuvorkommt. Viel Zeit bleibt der aktuellen Regierung dafür nicht mehr.
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