Safe Abortion Day: Recht auf Abtreibung auch in Deutschland?
"Safe Abortion Day":Recht auf Abtreibung - auch in Deutschland?
von Vanessa Meilin Rolke und Alexandra Tadey
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In Deutschland sind Abtreibungen verboten, nur in Ausnahmen werden sie nicht bestraft. Juristisch komplex und hoch umstritten. Ein Blick in die Nachbarländer zeigt: Es geht anders.
Pro-Choice-Demonstration in München: Schwangere sollen selbst entscheiden können (Archivfoto).
Quelle: Imago
Zum "Safe Abortion Day" an diesem Samstag werden Rufe nach der Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland wieder lauter. Denn: Eine Abtreibung ist hierzulande nur in Ausnahmefällen straflos möglich. Doch das ist nicht etwa im Sozialrecht geregelt, sondern im Strafrecht.
Stigma der Rechtswidrigkeit
In Deutschland ist der Abbruch einer Schwangerschaft grundsätzlich rechtwidrig (§ 218 Strafgesetzbuch) und kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren führen. Denn auch das ungeborene Leben muss der Staat schützen.
Die SPD-Politikerin Josephine Ortleb und Eva Maria Welskop-Deffaa vom Caritas-Verband vertreten unterschiedliche Positionen zum Abtreibungsrecht.18.04.2024 | 10:11 min
Gleichzeitig ist aber auch das Selbstbestimmungsrecht der Frau von großer Bedeutung. Mit Blick auf diese komplexe Interessenlage hat der Gesetzgeber 1995 eine einzigartige gesetzliche Regelung geschaffen: Unter bestimmten Bedingungen bleibt der Schwangerschaftsabbruch zwar rechtswidrig, wird aber nicht bestraft.
der Abbruch bis zur 12. Woche nach der Befruchtung vorgenommen wird
die Schwangere einen Schwangerschaftsabbruch verlangt
das verpflichtende Beratungsgespräch bei einer anerkannten Beratungsstelle erfolgt ist
zwischen Beratungsgespräch und Abbruch mindestens drei Tage Bedenkzeit liegen sowie
der Abbruch von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt wird
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, müssen Ärzte jedoch selbst prüfen. Strafrechtlerin Liane Wörner von der Uni Konstanz - und Mitglied der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin - stellt klar:
Die Rechtswidrigkeit des Abbruchs belaste Frauen gleich in mehrfacher Hinsicht: "Der Schwangerschaftsabbruch stellt keine Gesundheitsleistung dar. Frauen müssen die Kosten des Eingriffs selbst tragen." Zudem führe die Rechtswidrigkeit zur Stigmatisierung der Betroffenen und zu unzureichender medizinischer Versorgung.
Bei einer Vergewaltigung oder aus medizinischen Gründen, zum Beispiel bei Lebensgefahr für die Schwangere, ist ein Abbruch nicht rechtswidrig.
Immer weniger Ärzte und Kliniken führen Schwangerschaftsabbrüche durch. Für betroffene Frauen bleibt oft nur der Weg ins Ausland.18.03.2023 | 4:59 min
Polen hat strengstes Abtreibungsgesetz in Europa
Im katholisch geprägten Polen ist ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche aktuell nur dann möglich, wenn die Schwangerschaft von einer Vergewaltigung oder Inzest herrührt, oder wenn das Leben oder die Gesundheit der Frau gefährdet sind. Wenn der ungeborene Fötus aber schwere Fehlbildungen aufweist, dürfen Frauen keinen Abbruch vornehmen.
Der Abbruch selbst steht nicht unter Strafe, jedoch die Beihilfe dazu. Hilft ein Partner oder Arzt der Schwangeren, zum Beispiel beim Besorgen von Tabletten, so drohen bis zu drei Jahre Haft.
Donald Tusk, Polens Regierungschef, scheiterte im Sommer mit einem liberalisierten Gesetzentwurf. Drei weitere Gesetzentwürfe werden noch in parlamentarischen Ausschüssen beraten. Unter anderem soll ein Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche legalisiert werden.
Frauen, die schwanger sind und ihre Kinder nicht austragen wollen – was macht ein Schwangerschaftsabbruch mit ihnen?21.05.2023 | 27:00 min
Frankreich: Abtreibungsrecht in der Verfassung
Als im vergangenen Frühjahr in Frankreich die historische Entscheidung getroffen wurde, die Freiheit zur Abtreibung in der Verfassung zu verankern, jubelten die Menschen am Eiffelturm.
Als erstes Land der Welt hat Frankreich eine solche Verfassungsänderung auf den Weg gebracht. "Frankreichs Stolz, universelle Botschaft", so die Botschaft von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron im Online-Dienst X am 4. März 2024:
Post von Emmanuel Macron auf X:
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Auslöser für die Abstimmung: Im Sommer 2022 wurde in den USA das bundesweit geltende Recht auf Abtreibung vom Obersten Gericht gekippt. Das und die Erfahrungen in anderen europäischen Ländern hatten die Diskussion über Abtreibungen in Frankreich erneut entfacht.
Frankreich hat die Freiheit zu Abtreibungen in die Verfassung geschrieben. Nun fordern Liberale und Grüne, dieses Recht auch auf europäischer Ebene zu verankern.
mit Video
Mit der Verfassungsänderung soll gesichert werden, dass auch bei veränderten politischen Mehrheiten Frauen weiter abtreiben können. Die genaue Ausgestaltung ist aber auch in Frankreich dem Gesetzgeber überlassen, sodass sich in der Praxis dadurch erstmal wenig ändert. Zurzeit können Schwangere in Frankreich bis zur 14. Woche abtreiben. Die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen.
Wie geht es weiter in Deutschland?
In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Regierung festgelegt, dass sie prüfen wird, ob der Schwangerschaftsabbruch "außerhalb des Strafgesetzbuches" geregelt werden kann.
Die dafür eingesetzte Kommission, der Liane Wörner angehört, kam im Frühjahr 2024 zu folgendem Ergebnis: "Die Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase, also bis zur 12. Schwangerschaftswoche, ist nicht haltbar. Hier muss der Gesetzgeber tätig werden."
Experten empfehlen, das Abtreibungsrecht in Deutschland zu liberalisieren.16.04.2024 | 8:19 min
Ob sich die Bundesregierung im Jahr vor der Bundestagswahl nochmal mit einem so umstrittenen Thema beschäftigt, ist unklar. Falls doch, hat die Union schon jetzt angekündigt zu klagen.