Bundestagswahl: Wie Parteien auf Social Media Stimmen fangen
Wahlkampf auf Social Media:Wie fangen Parteien Stimmen im Netz?
von Juana Guschl
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Parteien und Kandidaten geben im Wahlkampf derzeit alles. Besonders in den sozialen Netzwerken konkurrieren sie um jede Stimme. Wie funktioniert der digitale Wahlkampf?
Neben dem klassischen Wahlkampf spielt der Wahlkampf auf Social Media eine immer wichtigere Rolle. Jeder Kandidat scheint dabei eine eigene Rolle gefunden zu haben.06.02.2025 | 15:48 min
Der Bundestagswahlkampf läuft auf Hochtouren: Laternenpfähle sind plakatiert, Politikerinnen und Politiker stehen auf Marktplätzen, Zeitungen und Fernsehprogramme sind voll mit Interviews, Diskussionsformaten und Wahlwerbespots.
Aber neben dem klassischen Wahlkampf spielt seit ein paar Jahren der sogenannte digitale Wahlkampf eine immer wichtigere Rolle - auf den Social-Media-Kanälen der Parteien und Kandidaten. Kommunikationsforscher Pablo Jost von der HMTM Hannover erklärt:
Digitale Kanäle bieten den Parteien und Kandidat*innen die Möglichkeit, direkt und ungefiltert mit potenziellen Wählerinnen und Wählern in Kontakt zu treten.
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Pablo Jost, HMTM Hannover
Die Vorteile: Den Parteien gelinge es auf Social Media, mit weniger Aufwand und weniger personellen Ressourcen Menschen anzusprechen - und mit ihnen in den Dialog zu treten - die im sogenannten Straßenwahlkampf gar nicht erreicht werden würden.
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Wahlkampfinhalte für jeden - je nach Plattform
Dahinter stecken ausgeklügelte Strategien: Wer eine möglichst breite Zielgruppe erreichen will, sollte auf allen Plattformen präsent sein, sich mit den unterschiedlichen Funktionen der jeweiligen Netzwerke genau befassen - und dann auf jeder Plattform die jeweilige Zielgruppe spezifisch ansprechen.
Also auf TikTok eher die Jüngeren in schnellen, witzigen Clips und auf Facebook eher die älteren; z.B. in lokalen Gruppen mit Themen, die wahlkreisspezifisch sind.
Zudem müssen sich die Politikerinnen und Politiker im Vorfeld darüber Gedanken machen, ob sie mit ihrem Beitrag beispielsweise in erster Linie Infos verbreiten oder eher Vertrauen gewinnen wollen.
Algorithmen und personalisierte Wahlwerbung
In erster Linie erreichen die Postings und Videos der Parteien und Kandidaten die eigenen Follower, also die eigenen Anhänger. Je polarisierender oder provozierender die Inhalte, desto mehr Diskussionspotenzial haben die Beiträge. Inhalte, die viel kommentiert, geliked oder geteilt werden, werden von den Algorithmen als besonders relevant interpretiert.
Und das wiederum heißt, dass sie nochmal einen extra Schub von der Plattform bekommen und auch über die eigene Anhängerschaft hinaus auf der Plattform prominent platziert und auch anderen Usern angezeigt werden. So erreichen besonders emotionalisierende Themen mehr neue Zielgruppen.
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Aber es gibt noch einen weiteren Weg, erklärt Pablo Jost:
Beim sogenannten Micro Targeting gibt es zusätzlich die Möglichkeit, anhand von bestimmten soziodemografischen Eigenschaften, bestimmten Interessen oder bestimmten Neigungen auf persönlicher Ebene dann ganz spezifisch noch mal Menschen anzusprechen.
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Pablo Jost, HMTM Hannover
Das heißt: Insbesondere Nicht-Follower, bzw. Nicht-Anhänger bekommen personalisierte Wahlwerbung angezeigt.
Wie erfolgversprechend ist so ein Online-Wahlkampf?
Tatsächlich gibt es zurzeit noch keine aussagekräftigen Studien oder Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen digitalen Wahlkampfstrategien und einer Wahlentscheidung. Dazu fehlen die Daten.
Kommunikationsforscher Pablo Jost geht aber davon aus, dass von den digitalen Inhalten am ehesten unentschlossene Wähler, Menschen mit wenig politischen Voreinstellungen und Wechselwähler angesprochen werden; insbesondere natürlich Jung- und Erstwähler, die noch wenig gefestigte politische Einstellungen haben.
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Dennoch warnt Pablo Jost vor voreiligen Schlüssen. Man solle nicht Korrelation mit Kausalität verwechseln:
Nur weil die Jungen auf einer bestimmten Plattform sind und da eine bestimmte Partei sehr präsent ist, heißt es noch lange nicht, dass die Kommunikation dort auch tatsächlich die Wahlentscheidung bestimmt.
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Pablo Jost, HMTM Hannover
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Laut der aktuellen ARD-ZDF-Medienstudie nutzen 60 Prozent aller Deutschen ab 14 mindestens einmal in der Woche Soziale Medien. Und zwar nicht nur die "Jungen" - auch jeder Zweite über 50 ist inzwischen regelmäßig auf sozialen Plattformen unterwegs. Ganz vorne steht bei deutschen Nutzerinnen und Nutzern die Plattform Instagram, dicht gefolgt von Facebook, das bei den Usern ab 30 tatsächlich immer noch am meisten genutzt wird.
Mehr als die Hälfte aller Jung- und Erstwähler nutzt TikTok; fast alle Instagram. X, ehemals twitter, wird nur von sieben Prozent überhaupt wöchentlich genutzt. Das Publikum bei TikTok wächst zunehmend, während X-User immer weniger werden. Allerdings: Nach wie vor befinden sich viele Journalisten und Medienmacher auf X, die das Geschehen hier genau beobachten. Daher ist X eine Plattform, um Multiplikatoren zu erreichen.
Auch die Videoplattform YouTube ist wichtig. Nach Google ist es die zeitwichtigste Suchmaschine überhaupt. Zwei Drittel der Deutschen ab 14 gibt an, YouTube zu nutzen; fast die Hälfte sogar wöchentlich.
Quelle: dpa
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