Ampel-Bilanz: Was junge Abgeordnete wirklich erreicht haben

Ampel-Bilanz:Was junge Abgeordnete wirklich erreicht haben

Kristina Hofmann
von Kristina Hofmann
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Sie waren mal die Jungen. Als sie in den Bundestag kamen, waren sie die jüngsten Abgeordneten in der Ampel-Koalition. Drei Jahre machen zwar nicht alt, aber erfahren. Eine Bilanz.

Ein Blick auf die leeren Sitze nach einer Sitzung des Deutschen Bundestages.
Am 23. Februar wird ein neuer Bundestag gewählt, am Dienstag ist die letzte Sitzung. Noch nie saßen so viele jüngere Abgeordnete wie in diesem Parlament.
Quelle: epa/Filip Singer

Als sie in den Bundestag gewählt wurden, waren sie die Jüngsten ihrer Partei in der damals neuen Ampel-Koalition: Fabian Funke (SPD), Emilia Fester (Grüne), Max Mordhorst (FDP). Alle drei zwischen 23 und 25 Jahre alt.
Dreieinhalb Jahre später gibt es die Ampel-Koalition nicht mehr. Und Jüngere sind längst nachgerückt: Emily Vontz (SPD) etwa, mit 22 Jahren. Ihre drei Vorgänger brauchen inzwischen keinen Welpenschutz mehr. Erfahrene Abgeordnete sind sie jetzt selbst.
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Ein Lernprozess: Bilder, die bleiben

Emilia Fester war zu Beginn die jüngste der 730 Abgeordneten. Als "freche Göre", Feministin bezeichnet sich die Hamburgerin gerne selbst, tanzt auf Tiktok-Videos durch die Gebäude des Bundestages und wälzt sich auf dem Boden, kassiert Shitstorms, weil ihr nicht einfällt, dass 1871 Otto von Bismarck Reichskanzler wurde.
Wer Fester am Ende der Legislaturperiode trifft, spricht mit einer eher ruhigen, ernsthaften Frau, die sich Sorgen macht. "Auf Social Media", sagt Fester, "ist man auch eine Kunstfigur." Auch? Auch als Politikerin weiß sie inzwischen, dass sie ständig unter Beobachtung steht.
Selbst wenn sie im Plenum sitzt und die dritte Person zum dritten Mal das gleiche sagt und sie gähnt und sich die Haare rauft. Die Kameras fangen das ein, diese Bilder gehen so schnell nicht wieder weg. "Alles, was man tut und sagt, kann gegen dich verwendet werden", sagt Fester.
Emilia Milla Fester hält eine Rede
Emilia Fester (Grüne).
Quelle: Imago

Als die Gähn-Bilder von ihr entstanden, ging es um die Corona-Impfpflicht. Heute macht sie sich Sorgen darum, ob die Brandmauer zwischen Union und AfD hält. Und ärgert sich, dass der Bruch der Ampel-Koalition und die gegenseitigen Vorwürfe um das Ende von dieser ersten Dreierkoalition als Ergebnis ihrer Zeit bleiben könnte. "Wenn das das Letzte ist, dann wirkt es wie ein Ergebnis", sagt Fester. "Und das stimmt einfach nicht."

Die Bilanz ist nicht: Die Ampel war nur scheiße.

Emilia Fester

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Auf der Haben-Liste: Wegfall §219a, Cannabis, Dönerpreis

Auch wenn die drei Abgeordneten inzwischen vielleicht nicht Welten, aber doch zumindest ein Wahlkampf trennt, sehen das auch Funke und Mordhorst ähnlich. Derzeit falle "ein bisschen hinten runter", sagt Funke, was die Ampel gemeinsam erreicht hätte. "Und das finde ich eigentlich schade." Alle drei nennen als Beispiel die Abschaffung des Paragraphen 219a, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche vorsah. Oder die Legalisierung des Cannabis-Konsums.
Fabian Funke
Fabian Funke
Quelle: ZDF

SPD-Politiker Funke findet, es sei "im Bereich Energie viel erreicht" worden. Und es sei richtig, über den Dönerpreis diskutiert zu haben. "Da wird Inflation im täglichen Leben junger Menschen konkret."

Der Dönerpreis ist für junge Leute das, was für andere der Benzinpreis an der Tankstelle ist.

Fabian Funke (SPD)

Stimmung in Deutschland
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Welche Partei führt in den Umfragen zur Bundestagswahl? Wen hätten die Deutschen am liebsten als Kanzler? Welche Koalitionen wären möglich? Die wichtigsten Zahlen im Überblick.
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Ein Diagramm von den Verteilungen der Parteien in den Umfragen. Im Hintergrund weht vor dem Bundestag eine Deutschland-Fahne
Fester ist stolz darauf, dass die Ampel das Wahlalter bei der Europawahl auf 16 Jahre gesenkt hat. In der Kinderkommission habe man Standards der Berichterstattung für die Ausschüsse geändert. Technisch klingt das. Aber Fester hofft, dass nach den Wahlen "da etwas weitergeht".
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Für Mordhorst war das Rentenpaket II "ein Ermächtigungsmoment". Nämlich, dass kein Abgeordneter nur ein Rädchen sei. Der FDP-Politiker sagt:

Politik kann etwas verändern. Mehr, als ich vorher dachte.

Max Mordhorst (FDP)

Mordhorst: Es gibt keine Solidarität zwischen Jungen

Der aktuelle Bundestag war der jüngste seit 1990: 225 der 730 Abgeordnete waren zu Beginn 2021 jünger als 40, 2005 waren das nur 66. Gehofft hatten viele, dass sich die Themen, vielleicht auch der Umgang untereinander damit verändert.
Max Mordhorst
Max Mordhorst
Quelle: Stefan Trocha

Funke glaubt schon, dass die Anliegen junger Menschen sichtbarer geworden sind. Genauso wie der Bundestag bei den Jüngeren: "Wow, das ist ja krass", sagen sie zu dem heute 27-Jährigen in seinem Wahlkreis in Pirna. "Ich wusste gar nicht, dass man in dem Alter Politik machen kann!"
Max Mordhorst glaubt nicht an die erhoffte größere Solidarität zwischen den Jungen. Manchmal sei der ideologische Graben zwischen ihnen sogar noch größer. Respekt müsse man sich unabhängig vom Alter in den Ausschüssen verschaffen. "Gegenhalten", war seine Strategie. Besonders dann, wenn solche Sprüche fallen wie "Das lernen Sie auch noch" oder "Daran werden Sie sich auch noch gewöhnen".
Mordhorst will sich nicht gewöhnen. Den Zynismus mancher enttäuschter Boomer überhören, Politik nicht als Verwaltungsaufgabe verstehen, die man abarbeiten muss. Nicht wie manche jede Veranstaltung und jeden Häppchen-Termin mitnehmen. "Politik ist doch ein kreativer Job, irgendwann muss man sich Zeit zum Nachdenken nehmen."
Auch Fester mag sich nicht gewöhnen. An die, die ihr, der 26-jährigen Grünen-Politikerin, nicht zutrauen, Abgeordnete eines Ausschusses zu sein und sie auf die Besucherplätze verweisen. An die, die ihren Pressesprecher für den Abgeordneten und sie für seine Mitarbeiterin halten. Nur weil er ein Hemd trägt und ein Mann ist.
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Über Plan B spricht niemand laut

Was bleibt von diesem 20. Bundestag? Fester, Funke und Mordhorst wollen lieber darüber nachdenken, was weitergeht. Alle drei bewerben sich wieder um ein Mandat für den 21. Bundestag, der am 23. Februar gewählt wird. Über einen Plan B, wenn das nicht klappen sollte, will niemand öffentlich sprechen.
Einiges bleibt natürlich trotzdem: Max Mordhorst hat in der vergangenen Legislaturperiode richtig Kraulen gelernt. Beigebracht hat es dem Liberalen Christian Görke im Hotelpool in Marokko während einer Reise des Finanzausschusses. Görke ist bei den Linken. Und ehemaliger Sportlehrer.

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Quelle: dpa

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