Bauernprroteste: Wie kam es zur Eskalation in Biberach?
FAQ
Bauernproteste bei Grünen:Wie kam es zur Eskalation in Biberach?
von Luisa Houben und Anna Gürth
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Der politische Aschermittwoch der Grünen im baden-württembergischen Biberach musste abgesagt werden: zu gefährlich. Was über die Krawalle bisher bekannt ist.
Was ist passiert?
Der Aschermittwoch begann in Biberach mit Hupkonzerten - um drei Uhr in der Früh. Zwei Stunden später rangelten auf den Straßen des kleinen Orts in Baden-Württemberg Protestierende mit der Polizei. In der Stadthalle sollte die Aschermittwochs-Kundgebung der Grünen stattfinden. Erwartet wurden unter anderem: Ministerpräsident Winfried Kretschmann und die Parteivorsitzende Ricarda Lang.
Am Vormittag dann eskalierte der Protest: Misthaufen brannten, Steine und Stöcke flogen, eine Fahrzeugscheibe splitterte. Die Konsequenz: Die Grünen sagten ihre Veranstaltung ab - zu gefährlich.
Wer sind die Randalierer?
Im Vorfeld waren zwei Proteste angemeldet. Einen davon hatten drei Landwirte aus der Region organisiert. Mitorganisator Klaus Keppler berichtet ZDFheute, eingeladen hätten sie Landwirte, Handwerker und "jeden, der mit der Politik gerade nicht ganz zufrieden ist". Die Kundgebung fand statt, auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sprach dort.
Nicht angemeldet war ein weiterer Protest vor der Stadthalle, teilte die Stadt Biberach ZDFheute auf Anfrage mit. Vor allem dort war randaliert und die Straße blockiert worden. Dafür seien Einzelne verantwortlich gewesen, betont Keppler. ZDFheute liegen Sprachnachrichten vor, in denen aufgefordert wird, zu der angemeldeten Veranstaltung zu kommen und sich am Dialog zu beteiligen.
Ungeklärt ist, wer zu den unangemeldeten Protesten aufrief. Im Vorfeld waren Flyer verteilt worden. Wer sie erstellt hat, ist unklar. Auf Filmaufnahmen von vor Ort fällt außerdem eine preußische Landesflagge auf. "Die Flagge ist nicht verboten und erstmal nicht problematisch", sagt Carsten Reuß vom Preußenmuseum in Minden. Manch einer, der historisch interessiert sei, habe vielleicht eine solche Flagge im Garten hängen. Mit der Region Biberach und den Bauernprotesten habe sie inhaltlich aber nichts zu tun.
Historische Flaggen jeder Art werden leider mittlerweile im Reichsbürgermilieu als Abgrenzungssymbol gegenüber der Gegenwart genutzt.
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Carsten Reuß, Preußenmuseum in Minden
Ministerpräsident Winfried Kretschmann betonte im Gespräch mit dem SWR, es sei nicht klar, ob unter den Randalierern Bauern gewesen seien. "Wir wissen, dass Rechtsextreme versuchen, solche Veranstaltungen zu kapern und zu unterwandern." Es dürfe nicht zugelassen werden, dass solche Extremisten versuchten, die Demokratie zu unterwandern.
Die Polizei Ulm hat Ermittlungen wegen Verstößen gegen das Versammlungsrecht eingeleitet. Eine Person wurde festgenommen.
Haben die Bauern-Proteste eine neue Eskalationsstufe erreicht?
Der Protest in Biberach hat eine neue Qualität: Es wurden nicht nur Wege blockiert. Gegenstände flogen durch die Luft, die Fensterscheibe eines Autos von Minister Cem Özdemir wurde eingeschlagen, mehrere Beamte wurden laut Polizei verletzt. Die Bilder erinnern an die Blockade der Fähre mit Wirtschaftsminister Robert Habeck an Bord am 4. Januar - hier waren im Anschluss an die Aktion fünf Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Flensburg eingegangen.
Nach den Vorfällen in Biberach sei bislang eine Strafanzeige gegen Unbekannt "wegen Landfriedensbruch und anderer infrage kommender Straftatbestände eingegangen". Das teilte die Staatsanwaltschaft Ravensburg ZDFheute mit. Die Strafanzeige sei von einer Privatperson erstattet worden. Ob weitere Straftaten vorliegen, ermittle nun die Polizei.
Warum werden die Grünen zur Zielscheibe der Randalierer?
Zum wiederholten Mal wurden bei Protesten der Landwirte vor allem die Grünen zur Zielscheibe. Die Krawalle richten sich teils sehr direkt gegen einzelne Politiker der Partei. Am Abend des Aschermittwochs auch in Schorndorf, nahe Stuttgart. Dort behinderten Störer die Abreise von Parteichefin Ricarda Lang.
Die Stimmung zwischen Bauern und Grünen ist schlecht. Am Aschermittwoch wurde bei Protesten eine Grenze überschritten. Trotzdem wollen grüne Spitzenpolitiker weiter den Dialog.15.02.2024 | 2:03 min
Agrarexperte Thomas Herzfeld erklärt das so:
Viele Auflagen, die in den vergangenen 20 Jahren für die landwirtschaftlichen Unternehmen eingeführt wurden, werden mit klima- und umweltpolitischen Zielen beziehungsweise dem Tierwohl begründet.
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Thomas Herzfeld, Leibniz-Institut für Agrarentwicklung
Gleiches gelte für aktuelle Diskussionen über eine Senkung des Fleischkonsums, die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes oder das Verbot von Mitteln wie Glyphosat. Für diese Themen stünden oftmals die Grünen als Symbol für alle Umweltverbände.
Hat die Polizei in Biberach versagt?
Grünen-Politiker Jürgen Trittin nannte die Absage des politischen Aschermittwochs eine "Niederlage der Demokratie" und kritisierte die Polizei:
Ich glaube, dass sich die Polizei in Baden-Württemberg ernste Fragen stellen lassen muss, warum sie nicht in der Lage war, eine Veranstaltung des eigenen Ministerpräsidenten so abzusichern, dass sie durchgeführt werden kann.
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Jürgen Trittin, Grünen-Politiker gegenüber der "taz"
Der frühere Landtagsabgeordnete Eugen Schlachter (Grüne), der vor fast 30 Jahren den politischen Aschermittwoch der Grünen ins Leben rief, schrieb in einem offenen Brief an den Innenminister: "Um ehrlich zu sein - die Polizistinnen und Polizisten taten mir leid, sie waren auf einem verlorenen Posten." Die technische Ausrüstung sei für diesen Einsatz nicht ausreichend gewesen, Wasserwerfer oder berittene Einheiten habe es nicht gegeben.
Die Gewerkschaft der Polizei forderte als Reaktion ein Traktor-Verbot auf Demos. "Die vielen unterschiedlichen Proteste in Deutschland zeigen: Wir brauchen mehr Hundertschaften und Wasserwerfer, um den Rechtsstaat durchzusetzen", sagte der GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke "Rheinischen Post".
Laut eines Sprechers des Landesinnenministeriums sei die Polizei entschlossen vorgegangen. Der Einsatz werde "gründlich nachbereitet." "Dass die Veranstaltung abgesagt wurde, liegt zuerst einmal in der Verantwortung der aggressiven und gewaltbereiten Protestierer", teilte das Ministerium auf Anfrage mit.
Luisa Houben und Anna Gürth sind Redakteurinnen im ZDF-Studio Baden-Württemberg in Stuttgart
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