Trittin beendet Politik-Karriere:Mister Dosenpfand sagt ade
von Stefanie Reulmann
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Atomausstieg, Dosenpfand, Energiewende: Meilensteine im politischen Wirken von Jürgen Trittin. Nun legt er sein Bundestagsmandat zum Ende des Jahres nieder - nach 25 Jahren.
"Man darf Antidemokraten keine Macht übertragen, nie wieder", so beendet Grünen-Politiker Jürgen Trittin seine letzte Bundestagsrede.14.12.2023 | 3:38 min
Es war seine letzte Rede heute als Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Das Thema: die Halbzeitbilanz der Ampel-Regierung - für Trittin war es auch eine Bilanz seines Vierteljahrhunderts im Bundestag und in politischer Verantwortung.
Der gebürtige Bremer, der oft als arrogant galt, wurde 1980 Mitglied der Grünen und durchlief zahlreiche Stationen in seiner politischen Karriere. Im Niedersächsischen Landtag war er zunächst Pressesprecher, Abgeordneter, Fraktionschef und zuletzt Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten in der rot-grünen Landesregierung.
Größte Erfolge: Atomausstieg und Dosenpfand
Trittin zählt zu den Parteilinken und ist wohl einer ihrer prominentesten Vertreter. Als solcher wurde er 1994 gemeinsam mit Krista Sager zum Bundessprecher der Grünen gewählt. 1998 übernahm er im rot-grünen Kabinett von Gerhard Schröder das Amt des Bundesumweltministers, das er bis 2005 ausübte. Sein größter Erfolg neben der Einführung des Dosenpfands - gegen alle Widerstände - war der Atomausstieg.
Als im April dieses Jahres die letzten drei Atommeiler in Deutschland abgeschaltet wurden, war das auch ein persönlicher Sieg für ihn - den Mann, der in seiner Partei zwar nicht immer beliebt war, dafür authentisch und der zu seinen Überzeugungen stand.
Trittin: "Gutes Regieren erweist sich in Krisen"
In seiner letzten Rede im Bundestag lobte er die Ampel-Regierung. "Wir haben 170 Gesetze verabschiedet, und jetzt gibt es sogar einen Haushalt. Offensichtlich ist die Ampel handlungsfähiger, als die Ampel manchmal selbst glaubt."
Immer wieder gibt es fundamentale Ereignisse, so Trittin, die die Politik vor Herausforderungen stelle, in der Vergangenheit waren das etwa der 11. September, Fukushima oder auch jüngst der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.
Als er mal sagte, man könne "die 30 Prozent Gas aus Russland innerhalb von zehn Jahren ersetzen", sei er "belächelt" worden, so der Grünen-Politiker. Nun habe Robert Habeck bewiesen, "dass man nicht 10 Jahre braucht, um aus dem russischen Gas auszusteigen, er hat das in einem Jahr erledigt".
Letzte Rede zeigte Gelassenheit
Anders als viele seiner Reden zuvor war Trittins Rede heute ruhig und gelassen. Auch der Zwischenruf des AfD-Abgeordneten Stephan Brandner, der "Gott sei Dank" rief, nachdem Trittin darauf hinwies, dass dies seine letzte Rede im Bundestag sei, brachte ihn nicht aus der Fassung.
Am Schluss seiner Rede zeigte er sich besorgt, angesichts "zutiefst gespaltener Gesellschaften" weltweit und des Aufstiegs "rechter, ja faschistischer Bewegungen und Parteien". Diese drohten, "demokratische Systeme zu blockieren, zu zerstören, häufig führen sie zur Unregierbarkeit". Das dürfe nicht zugelassen werden, sagte er.
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Lagerübergreifende Koalitionen sind "Ausdruck von Verantwortung"
Trotz Polemik auf allen Seiten hätten Demokraten gelernt, "dass in den meisten Fällen Kompromisse und Konsense über die Lager hinweg gesellschaftlichen Streit beenden, vom Atomkonsens bis zum Sondervermögen", sagte Trittin. Es gebe lagerübergreifende Koalitionen, wie die Ampel, Schwarz-Grün oder die Kenia-Koalition. "Man mag sie nicht, aber man macht sie, auch wenn es schwer ist", sagte Trittin. Das sei "kein Ausweis von Beliebigkeit, das ist Ausdruck von Verantwortung".
Es sei notwendig, dass Demokraten zusammenstehen, ansonsten kämen "Anti-Demokraten an die Macht", warnte Trittin und mahnte:
Ein letztes Mal erhält er tosenden Applaus für seine Rede, die viele begeistert und Robert Habeck (Grüne) sichtlich bewegt hat. Er wird den Grünen fehlen.
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