Interview
Analyse
Antrag im Bundestag:Welche Hürden hat ein AfD-Verbotsverfahren?
von Jan Henrich und Daniel Heymann
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Mehrere Abgeordnete wollen im Bundestag einen Antrag für ein Verbotsverfahren gegen die AfD einbringen. Wie die Chancen dafür stehen und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Kann man die AfD verbieten? Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten will prüfen lassen, ob die Partei verfassungsmäßig agiert.
Quelle: dpa
Vorsichtig ist der Antrag der Gruppe Bundestagsabgeordneter formuliert, in dem die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens gefordert wird. Nicht von "Verbot" ist die Rede, sondern von einer "Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der AfD" durch das Bundesverfassungsgericht. "AfD-Prüfen" lautet auch der entsprechende Titel der eigens zu dem Antrag eingerichteten Website.
Nichts anderes wäre ein solches Verfahren auch. Denn ob eine Partei verboten wird oder nicht, ist in Deutschland keine politische Entscheidung. Der Bundestag kann lediglich verlangen, dass sich das höchste Gericht mit einer Partei beschäftigt. Die Prüfung liegt in Karlsruhe und die könnte komplex werden.
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Verschwörungsmythen und Verbindungen zu Reichsbürgern
In dem nun veröffentlichten achtseitigen Antrag sammeln die Abgeordneten erste Anhaltspunkte, die aus ihrer Sicht für eine Verfassungswidrigkeit der AfD sprechen würden.
Unter anderem wird die mutmaßliche Beteiligung der ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann an Plänen der Reichsbürgergruppe um Prinz Reuß erwähnt, aber auch die Vorgänge rund um die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags vor wenigen Wochen.
Gleich in der ersten Sitzung des Thüringer Landtags der Eklat: Die AfD verhinderte ein demokratisches Votum, die CDU zog vor den Verfassungsgerichtshof.27.09.2024 | 2:32 min
Ethnisch-kultureller Volksbegriff könnte Knackpunkt werden
Kern des Antrags und möglicher Knackpunkt in einem Verbotsverfahren könnte der Vorwurf werden, die AfD verfolge einen "ethnisch-kulturellen Volksbegriff", der gezielt die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen infrage stellt.
In seinen bisherigen Entscheidungen hatte das Bundesverfassungsgericht immer wieder festgestellt, dass die "Vorstellung der ethnisch definierten Volksgemeinschaft zu einer gegen die Menschenwürde verstoßenden Missachtung von Minderheiten" führt. Eine solche Politik wäre dementsprechend verfassungsfeindlich.
Das Parteiverbot ist in Artikel 21 des Grundgesetzes geregelt. Dessen Absatz 2 gibt vor: "Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig."
Zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehören etwa:
- Das Recht des Volkes, durch Wahlen selbst seine Vertretung zu bestimmen
- Das Rechtsstaatsprinzip, verwirklicht u.a. durch unabhängige Gerichte
- Die Achtung der Menschenrechte, allen voran der Menschenwürde
Über die Verfassungswidrigkeit einer Partei entscheidet allein das Bundesverfassungsgericht. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es bislang zwei Parteiverbote:
- 1952 gegen die Sozialistische Reichspartei (SRP), einer Nachfolgepartei der NSDAP
- 1956 gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)
Es bräuchte weitere Beweise
Doch solche Bestrebungen müssten der AfD in einem Verbotsverfahren auch nachgewiesen werden. Im Fall des 2013 gestarteten Verbotsverfahrens gegen die NPD hatten die Behörden zuvor mehrere hunderte Seiten Beweismaterial gesammelt.
Und das, obwohl die NPD im Gegensatz zur AfD verfassungsfeindliche Positionen sogar vergleichsweise offen in ihrem Parteiprogramm stehen hatte.
Der achtseitige Antrag zur AfD, den die Gruppe Abgeordneter Mitte November in den Bundestag einbringen will, wird diesen Anforderungen wohl kaum genügen. Die Verfasser selbst räumen darin ein, dass es den Prozessbevollmächtigten in einem möglichen Verfahren obliegt, "diese und darüber hinausgehende Beweise und Gründe für die Verfassungswidrigkeit der AfD vorzubringen".
Stellen Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf ein Parteiverbotsverfahren, prüft das Bundesverfassungsgericht zunächst in einem Vorverfahren, ob der Antrag ausreichend begründet ist. Im Fall des 2013 beantragten NPD-Verbotsverfahrens dauerte allein diese Vorprüfung zwei Jahre.
Erst im Anschluss beginnt das eigentliche Parteiverbotsverfahren, zu dem auch eine mündliche Verhandlung in Karlsruhe stattfindet.
Erst im Anschluss beginnt das eigentliche Parteiverbotsverfahren, zu dem auch eine mündliche Verhandlung in Karlsruhe stattfindet.
Hat der Antrag auf ein Parteiverbot Erfolg, stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die entsprechende Partei verfassungswidrig ist, erklärt deren Auflösung und verbietet die Gründung einer Ersatzorganisation.
Für ein Verbot braucht es die Mehrheit von zwei Drittel der Richterinnen und Richter des Senats. Das Gericht kann zudem das Vermögen der Partei einziehen lassen.
Für ein Verbot braucht es die Mehrheit von zwei Drittel der Richterinnen und Richter des Senats. Das Gericht kann zudem das Vermögen der Partei einziehen lassen.
Verfassungsschutz will neues Gutachten vorlegen
Rückenwind erhoffen sich die Initiatoren des Verbotsantrags von einem neuen Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), das bis Jahresende vorliegen soll. Das von den Unterstützern erwartete Ergebnis: die Hochstufung vom Verdachtsfall zur gesichert rechtsextremen Bestrebung.
Laut BfV-Präsident Haldenwang werde man im Gutachten auch "die sichtbaren Vorgänge rund um die Landtagswahlen in Ostdeutschland" berücksichtigen.
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Anspielen dürfte er damit vor allem auf das Chaos bei der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags, die die AfD kalkuliert eskalieren ließ. Erst durch eine Eilanordnung des Verfassungsgerichtshofs konnte der rechtmäßige Ablauf der zwischenzeitlich unterbrochenen Sitzung gewährleistet werden.
Wenn der Verbotsantrag eingebracht wird, steht dem Verfassungsschutz noch eine weitere Aufgabe bevor: Er muss seine V-Leute rechtzeitig aus der AfD abziehen. Denn: Für ein faires Verfahren muss die Partei ihre Willensbildung und Außendarstellung selbst bestimmen können: Es gilt der Grundsatz "strikter Staatsfreiheit". Ein wichtiger Punkt - an dem das erste NPD-Verbotsverfahren 2003 scheiterte.
Quelle: ZDF
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