Umgang mit AfD: Müller: Parteiverbote sind Ultima Ratio

    Interview

    Ex-Verfassungsrichter über AfD:Experte: Partei-Verbot nur als letztes Mittel

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    Die Debatte über ein mögliches AfD-Verbot ist in vollem Gange. Doch wie sinnvoll wäre ein Parteiverbotsverfahren? Der frühere Verfassungsrichter Peter Müller zeigt sich skeptisch.

    Bundesverfassungsgericht
    "Ein Parteiverbot zielt darauf ab, Freiheit dadurch zu schützen, dass man Freiheit beseitigt", so der ehemalige Bundesverfassungsrichter Peter Müller.23.01.2024 | 7:55 min
    In der Debatte um den Umgang mit der AfD betont der ehemalige Verfassungsrichter Peter Müller, dass ein Parteiverbotsverfahren eine "sehr radikale Maßnahme" sei. Im ZDF-Morgenmagazin sagte er:

    Parteiverbote sind Ultima Ratio.

    Peter Müller

    Müller: Anforderungen für Verfahren extrem hoch

    Ein Parteiverbotsverfahren dauere Jahre und sei extrem aufwendig, betonte Müller. "Es zielt darauf, Freiheit dadurch zu schützen, dass man Freiheit beseitigt." Deshalb seien die Anforderungen "sehr, sehr hoch". Zudem sei ein Parteiverbot kein Gesinnungsverbot und diene nicht dazu, "politische Konkurrenz auszuschalten".

    Ein Parteiverbot ersetzt die politische Auseinandersetzung nicht.

    Peter Müller

    Voraussetzung für ein Verbot sei, dass die Partei das Ziel verfolge, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen oder zu beschädigen, sagte Müller im ZDF. "Sie muss sich also gegen die Kernelemente unseres Staates - Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaat - richten."

    Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgericht, (l-r) Peter Müller, Doris König (Vorsitz), und Peter M. Huber, eröffnet die mündliche Verhandlung zur «Desiderius-Erasmus-Stiftung».
    Quelle: dpa

    Peter Müller (links im Bild) war zwölf Jahre Richter am Bundesverfassungsgericht (2011-2023). Schon vor seinem Amtsantritt in Karlsruhe war er einer breiten Öffentlichkeit bekannt: Zwischen 1999 und 2011 war Müller (CDU) saarländischer Ministerpräsident.

    Grundlegende Frage: Nutzen größer als Schaden?

    Zudem müsse die Partei das in ihrer Gesamtheit tun, nicht Einzelne. So sei das Verhalten der Führungspersönlichkeiten, die Programmatik und die Ziele der Partei mitentscheidend.
    Abgesehen von der juristischen Bewertung müsse man sich die politische Frage stellen: Macht ein Parteiverbotsverfahren Sinn?

    Ist der Schaden, den man damit anrichtet, nicht größer als der Nutzen? Und da kann man große Zweifel haben.

    Peter Müller

    NPD-Fahne
    Zum ersten Mal entscheidet das BVerfG, wann eine Partei so verfassungsfeindlich ist, dass sie keine staatlichen Gelder mehr erhalten darf. Das Urteil kommt mitten in die Debatte um ein AfD-Verbot.23.01.2024 | 2:22 min

    Urteil aus Karlsruhe erwartet

    Das Bundesverfassungsgericht hat am Vormittag verkündet, dass die rechtsextreme NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen wird. Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung hatten einen entsprechenden Antrag gestellt.
    Das Urteil für die staatliche Beschränkung der Finanzierung könnte auch ein Signal sein, ob dieser Weg auch bei der AfD möglich wäre. Dies hat etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vorgeschlagen. Von einem Verbotsverfahren gegen die AfD, wie es aktuell diskutiert wird, riet Söder ab, weil dies langwierig und mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden wäre.
    SCHALTE: Sarah Tacke
    ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke über die Chancen eines Verbotsverfahrens.18.01.2024 | 1:41 min

    Verfassungsrechtler zeigen sich skeptisch

    Verfassungsrechtler Michael Brenner sieht auch ein Verfahren zum Ausschluss der AfD von der staatlichen Finanzierung skeptisch. Vor einem möglichen Verfahren sollte man sich bewusst machen, dass der Prozess Jahre dauern könne, sagte der Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

    Bleibt der Antrag erfolglos, kann das Ganze zudem nach hinten losgehen. Das wäre natürlich Wasser auf die Mühlen der AfD.

    Michael Brenner, Verfassungsrechtler

    Hohe Hürden für Ausschluss von staatlicher Parteienfinanzierung

    Auch die Verfassungsrechtlerin Gertrude Lübbe-Wolff sieht hohe Hürden für den Ausschluss der AfD von der staatlichen Parteienfinanzierung. Die Voraussetzungen dafür seien "nicht weniger anspruchsvoll als die Voraussetzungen für ein Verbot", sagte die ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
    "Die Zweifel drehen sich darum, ob man wirklich von der Partei als Ganzer sagen kann, dass sie auf die Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgeht."
    Sitzungen und Statements der Bundestagsfraktionen
    Anlässlich des NPD-Verbotsverfahrens 2017 stellten die Karlsruher Verfassungsrichter klare Voraussetzungen für ein Parteiverbot auf. Doch was bedeutet das nun für die AfD? 17.01.2024 | 2:36 min
    Quelle: ZDF, AFP
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