Wie sich Wagner finanziert:Hat Moskau Prigoschin den Geldhahn zugedreht?
von Oliver Klein
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Putin will die Wagner-Kämpfer angeblich nicht mehr finanzieren. Hat er die Putschisten damit ausgestochen oder braucht er sie weiterhin? Was macht die Söldner-Gruppe jetzt?
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin - Milliarden-Deals mit Russland.
Quelle: Imago
Die Wagner-Gruppe hat möglicherweise ihre Finanzierung durch den russischen Staat verloren, meldete der britische Militärgeheimdienst am Wochenende. Und das, obwohl Kämpfer der Söldner-Truppe für Russland lange Zeit eine wichtige Stütze im Krieg gegen die Ukraine waren. Was ist dran an der Meldung? Wie eng sind die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin jetzt noch - und was macht seine Truppe zur Zeit?
Es ist bisher unklar, ob und in welchem Rahmen Moskau die Wagner-Gruppe noch finanziell unterstützt. Der britische Geheimdienst formuliert das bewusst vorsichtig: Es bestehe die "realistische Möglichkeit, dass der Kreml die Gruppe nicht mehr finanziert", schreibt das Verteidigungsministerium. Das sei Geheimdienst-Sprache, erklärt Sicherheitsexperte Patrick Bury von der University of Bath in England in einer Diskussionsrunde des Senders "Al Jazeera". "Wir liegen da bei einer Wahrscheinlichkeit von 40, 50 Prozent. Sie sind sich also nicht sicher."
Prigoschins Firmen machten mit Russland Milliarden-Deals
Russische Medien wie das Online-Portal "Bloknot" berichteten, dass das russische Verteidigungsministerium Verträge mit Firmen von Jewgeni Prigoschin über die Lieferungen von Lebensmitteln für die Armee gekündigt habe. Der Wagner-Chef hatte jahrelang mit seinem Catering-Unternehmen das russische Militär und andere staatliche Institutionen versorgt - und prächtig daran verdient.
Moskau leugnete zwar lange finanzielle Verbindungen zur Wagner-Gruppe. Ende Juni räumte Präsident Putin aber sogar persönlich ein: Die Kosten für den Kreml summierten sich allein für die Versorgung des Militärs von Mai 2022 bis Mai 2023 auf fast 800 Millionen Euro. Das Wall Street Journal schätzt, dass Prigoschins Unternehmen zwischen 2014 und 2022 russische Regierungsaufträge im Wert von mehr als fünf Milliarden US-Dollar erhalten haben.
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Prigoschin bekam selbst nach dem Aufstand neue Aufträge
Wo sich Prigoschin derzeit aufhält, ist nicht bekannt - doch seine Geschäfte mit Russland laufen weiter: So bekamen Prigoschins Unternehmen selbst nach dem Wagner-Aufstand offenbar noch umfangreiche staatliche Aufträge - das berichtet die russische oppositionellen Nachrichtenwebsite "Agentstvo". Die Journalisten enthüllten, dass Prigoschins Firmen seitdem Verträge über rund 20 Millionen Euro mit zivilen staatlichen Stellen abgeschließen konnten. Sie sollen unter anderem Schulen, Feriencamps, Gesundheitszentren mit Lebensmitteln versorgen.
So fasst es der russische Politologe Sergej Markow zusammen. Er ist Direktor des Institute of Political Studies in Moskau und war früher Abgeordneter der Putin-Partei "Einiges Russland", gilt als kremltreuer Propagandist. Wagner müsse sich nun wohl reorganisieren, so Markow.
Geschäfte mit Waffen, Drogen und Gold in Afrika
"Die russischen Einnahmequellen für Prigoschin sind deutlich ausgetrocknet", sagt Gerhard Mangott, Russland-Experte der Universität Innsbruck im Gespräch mit ZDFheute. Das könnte dazu führen, dass die Zahl der Söldner reduziert werde. Prigoschin müsse sich nun auf andere Einnahmequellen verlassen, beispielsweise die Wagner-Einsätze in Afrika.
Die Söldner sind in bis zu zwölf afrikanischen Staaten präsent, vor allem in der Zentralafrikanischen Republik, in Libyen, Mali - und künftig wohl auch in Niger. Hier bilden sie Truppen aus, mit Wagner verbundene Unternehmen liefern Militärgerät aus russischer Produktion, es gibt Verträge über Kleidung und Verpflegung. Neben dem Waffenhandel profitiert Wagner laut Experten auch vom Geschäft mit Gold und Drogen. Statt mit Geld lassen sich die Söldner auch schon mal mit Schürf- oder Verkaufsrechten bezahlen.
Unterwegs in Litauen an der Grenze zu Belarus: Wie groß ist die Angst vor den russischen Wagner-Söldnern, die in Belarus stationiert sind?16.08.2023 | 6:23 min
Neben Afrika ist auch Belarus für Wagner eine wichtige Einnahmequelle: Dort trainieren Wagner-Kämpfer auf Wunsch der Regierung in Minsk belarussische Soldaten. Anfang August wurde zu diesem Zweck eigens eine Firma im dortigen Unternehmensregister registriert, berichtet die russische Nachrichtenagentur Interfax. Hauptgeschäftsfeld: "Bildung". Belarus könne für eine Truppe von 4.000 Mann geraume Zeit die Finanzierung übernehmen, erklärt Mangott.
Experte: Putin nutzt Prigoschins Firmennetzwerk immer noch
Severin Pleyer vom German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS) unterstreicht, wie wichtig Prigoschin und seine Angehörigen, die in seinen Firmenkonstrukten beteiligt sind, weiterhin für den Kreml sind:
In Russland ist der seit Langem schwelende Machtkampf zwischen Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, und der russischen Militärführung eskaliert.27.06.2023 | 7:15 min
Wagner sei ein "semistaatlicher Akteur" und damit auch künftig ein "wichtiges Mittel der Sicherheits- und Verteidigungspolitik Russlands", so Pleyer. Auch das Center for Strategic and International Studies schrieb bereits 2020, Wagner solle nicht als Privatarmee, sondern als "Stellvertreterorganisation des russischen Staates betrachtet werden".
Wagner auf absehbare Zeit wohl nicht mehr in der Ukraine
Wie geht es nun weiter mit Wagner? "Die russische Führung setzt ihre Bemühungen fort, Wagner von Prigoschin zu trennen, ist damit aber bislang nicht sehr erfolgreich", erklärt Mangott. Klar sei:
Fazit: Prigoschins Unternehmen verdienen nun vermutlich weniger Geld mit Aufträgen des russischen Staats. Der Kreml hat den Geldhahn aber offenbar nicht völlig abgedreht. Selbst nach dem Aufstand der Wagner-Gruppe wurden wohl neue Deals geschlossen. Putin braucht die Gruppe Wagner, die Kämpfer sind weiter im Sinne Moskaus international aktiv und eng mit russischen Institutionen verbunden.
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